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Islamisten-Prozess vor Obergericht
Sie wollten nur beten

In diesem Winterthurer Geschäftshaus war die An’Nur-Moschee untergebracht.
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Beim letzten der drei Prozesstage hatten noch die Anwälte der beschuldigten Männer ihren Auftritt. Sie zeichneten ihre Mandanten als friedliebende Gläubige, die in der An’Nur-Moschee nur hätten beten wollen. Mit den beiden angeblichen Opfern hätten sie ein «freundliches Gespräch in friedlicher Atmosphäre» geführt.

Keine Rede vom «aggressiven Mob», den die Staatsanwältin einen Tag zuvor geschildert hatte. Sie wirft den beschuldigten Männern vor, auf zwei andere Besucher losgegangen zu sein, weil diese in der umstrittenen Moschee «spioniert» hätten.

Die beiden jungen Männer hatten Fotos in den Gebetsräumen geschossen und einem Journalisten den Mitschnitt einer Predigt zugespielt. Dieser «Verrat» führte schliesslich 2016 zur Razzia in der Moschee – und zum Ende dieses umstrittenen Gebetshauses.

Zehnernote in den Rachen gesteckt

Einem der beiden verprügelten Männer soll beim Angriff auch noch eine Zehnernote in den Rachen gesteckt worden sein, weil dieser die Religion für Geld verraten habe.

Auch ein Imam und der damalige Vereinspräsident sollen an der Aktion beteiligt gewesen sein. Ihnen wird vorgeworfen, den beiden «Verrätern» ein Geständnis abgerungen zu haben.

Die beschuldigten An’Nur-Besucher liessen sich grösstenteils von der Teilnahme am Prozess vor Obergericht dispensieren. Der damalige Vereinspräsident ergriff am Mittwoch als Einziger die Gelegenheit für ein Schlusswort.

Er sei mit der Schweiz verbunden, respektiere sie und liebe sie sehr, sagte er. Dass er sie vielleicht bald verlassen müsse, schmerze ihn. Ihm droht – wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht – ein mehrjähriger Landesverweis. Das Bezirksgericht Winterthur hatte ihn im Oktober 2018 noch freigesprochen.

Die Staatsanwältin zog die Urteile des Bezirksgerichtes Winterthur ans Obergericht weiter, weil diese ihrer Ansicht nach alle zu mild ausgefallen waren. Das Bezirksgericht hatte sieben der zehn Männer wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Drohung zu bedingten Freiheitsstrafen und bedingten Geldstrafen verurteilt.

Ein Beschuldigter war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig und wurde deshalb nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Er musste deshalb auch nicht vor Obergericht erscheinen. Zwei Männer wurden freigesprochen, darunter eben auch der damalige Vereinspräsident. Das Obergericht wird sein Urteil voraussichtlich am 6. Oktober eröffnen.

Extremismus-Fachstelle als Folge von An’Nur

Die An’Nur-Moschee im Winterthurer Stadtteil Hegi sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Mehrere junge Besucher dieses Gebetshauses reisten gar in den Jihad. 2017 musste die Moschee schliessen, weil dem Verein der Mietvertrag nicht verlängert wurde.

Um eine weitere Radikalisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verhindern, rief die Stadt Winterthur schliesslich eine Extremismus-Fachstelle ins Leben. Diese berät Schulen, Institutionen und Angehörige und zieht bei Bedarf die Polizei hinzu.

SDA/sch