Angriff auf Bundesamt für KulturSie wollen eine neue Filmförderung – und schreiben sie selber um
Mehr Serien, weniger Kino-Macht: Die Gruppe Swiss Fiction Movement hat ein paar Vorschläge für die Filmförderung. Der Bund nimmt sie zur Kenntnis.
Wer gegen die Zustände kämpft, kann sich auf die Strasse kleben oder ein Manifest verfassen. Dass man eine 44-seitige Verordnung des Eidgenössischen Departements des Inneren umschreibt, gehört wahrscheinlich zu den weniger verbreiteten Protestformen.
Genau das hat nun die Gruppe Swiss Fiction Movement getan. Sie besteht aus Regisseurinnen und Regisseuren wie Laura Kaehr, Simon Jaquemet und Samuel Schwarz. Ihre Hauptaufgabe: Dem Bundesamt für Kultur (BAK) in Alain Bersets Departement auf die Nerven zu gehen. Mit der neuen Initiative wollen sie das Amt in jener Sprache ansprechen, die es am besten versteht, also mit Paragrafen.
Frühere Vorschläge – mehr Geld für Nachwuchstalente und agilere Förderprozesse – hatten in Städten wie Zürich zum Teil Erfolg. Auf Bundesebene weniger. Die inoffiziell überarbeitete Verordnung 443.113 über die Filmförderung zielt nun vor allem auf die Digitalisierung.
Statt «Kinos» steht neu «Auswertungskanäle».
So soll der Begriff «Film» viel breiter definiert werden und auch Serien und digitale Formate wie Virtual Reality einschliessen. Online-Premieren sollen gegenüber dem Kinostart aufgewertet werden. Anstelle von «Drehbüchern» heisst es neu «Drehvorlagen»; statt «Kinos» und «Festivals» steht «Auswertungskanäle». Verleihfirmen, die traditionell die neuen Titel in die Kinos bringen, stehen neu neben «Vorführunternehmen». Ein solches kann auch Netflix sein.
Tatsächlich krankt die staatliche Filmförderung seit Jahren daran, dass sie die Filme auf den Kinostart hin fördert (oder auf die Premiere an grossen Festivals wie Cannes). Vom Erfolg in den Sälen hängen auch die Prämien ab, welche die Produktionsfirmen ins nächste Projekt investieren können.
«Wir wollen bei der erfolgsabhängigen Förderung weg von der Kinohoheit», sagt Mitinitiator Mirko Bischofberger. Das heisst, es sollen auch Filme subventioniert werden, die in anderen (digitalen) Kanälen Premiere haben oder an einem kleineren Genre-Festival ausgezeichnet werden. «Kinos sollen aber separat unterstützt werden», so Bischofberger. Man wolle natürlich weiterhin Kinos haben.
Wo bleibt die «Lex Netflix»?
Als Zweites will die Initiative die Diversität stärken. Die Kommissionen, welche die Gesuche beurteilen, sollen vielfältiger zusammengesetzt werden und auch externe internationale Expertinnen und Experten integrieren. Das soll erschweren, dass sich Kollegen untereinander Förderbeiträge zuschanzen: Wer in einer Kommission sitzt und das Gesuch einer Person beurteilt, mit der er oder sie früher ein Projekt durchgeführt hat, soll neu nicht mehr begutachten dürfen.
Hintergrund des Vorstosses ist die Kulturbotschaft 2025–2028, welche die Strategien für die Filmförderung vorgibt und derzeit erarbeitet wird. Auf diesen Prozess verweist auch das BAK: Wenn es so weit sei, könnten Vorschläge wie jene des Swiss Fiction Movement geprüft werden. Aktuell nehme man die Mitteilung «mit Interesse» zur Kenntnis, kommentiere sie aber nicht, sagt BAK-Sprecher Daniel Menna.
Gar nicht vor kommt in der umgeschriebenen Verordnung die «Lex Netflix». Dabei müssen ab Januar 2024 Streamingdienste vier Prozent ihrer im Land erzielten Umsätze ins Schweizer Filmschaffen investieren. Das ist aber ein anderer Geldtopf – und eine andere Verordnung. Und angesichts der Millionen, welche die Streamer in der Schweiz ausgeben werden, gibt es ohnehin ein dringenderes Problem: Es zeichnet sich ab, dass Technikerinnen, Autoren und Regisseure fehlen werden. Fachkräftemangel im Schweizer Film!
Fehler gefunden?Jetzt melden.