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Exploits von Lisa Mamié
Sie schwimmt aus dem Hinterzimmer an die Weltspitze

In ihrem Element: Brustschwimmerin Lisa Mamié.
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Vielleicht, weil sie keinen Druck verspürte. Vielleicht, weil sie das Schwimmen extrem vermisst habe. Vielleicht aber auch, weil sie gar keine Zeit gehabt habe, nervös zu werden: Lisa Mamié, die 21-jährige Zürcher Schwimmerin, kann sich einige Gründe vorstellen, wieso ihr am Dienstagabend ein Exploit gelang, der nun bedeutet: angekommen in der Weltspitze.

Mamié schwamm am «Sette Colli» in Rom, ihrem ersten offiziellen Meeting nach Monaten der Ungewissheit, Schweizer Rekord über 100 Meter Brust. Der dreitägige Event in den «sieben Hügeln» erfüllt im Corona-Jahr gleich zwei Zwecke: Es werden die italienischen Meister gekürt, er bietet aber auch internationalen Athleten eine Startgelegenheit. Und als Mamié in herausragenden 1:06,60 Minuten anschlug, war auch die einheimische WM-Bronzegewinnerin 2019, Martina Carraro, geschlagen.

Am Mittwoch gelang der jungen Zürcherin gleich der nächste Coup. Mamié verbesserte auch ihren Rekord über 50 Meter Brust, den sie an gleicher Stätte vor einem Jahr aufstellte. Sie blieb mit 31,23 Sekunden deutlich unter ihrer alten Rekordmarke von 31,49.

Die Weltrekordzeit von 1999

«Diese Zeit kam schon sehr überraschend, obwohl mich Bestzeiten immer überraschen», sagt Mamié und lacht. Überraschend deshalb, weil sie natürlich ebenso komplizierte (Trainings-)Monate hinter sich hat wie alle anderen Sportler auch. Sie unterbot ihre Bestmarke von 2019 um über eine halbe Sekunde und erinnerte mit dieser Leistung an das 200-m-Rennen in Südkorea an ihrer ersten Elite-WM, als sie sich ohne Umwege für die Olympischen Spiele qualifizierte.

Mamié ist in kürzester Zeit in einen Bereich vorgestossen, der die Qualifikation für einen WM- oder Olympiafinal bedeuten kann. Das ist umso bemerkenswerter, als dass sich das Brustschwimmen in den vergangenen Jahren rasant entwickelte. Um die Jahrtausendwende hätte ihre Zeit noch im Bereich des Weltrekords gelegen, diesen hält nun die Amerikanerin Lilly King mit 1:04,13.

In der wettkampflosen Zeit hat sie versucht, Rennen zu simulieren, zu visualisieren.

Um die Leistung zu erklären, findet die temperamentvolle Schwimmerin dann auch noch Gründe, die über das «Vielleicht» hinausgehen. Denn kaum war im März der Lockdown da, «hatte ich das Glück, das Zimmer meiner Schwester in einen Kraftraum verwandeln zu können – sie ist im Dezember ausgezogen», erzählt sie. Das Kraftausdauertraining, das Treppensteigen, das Laufen, «das alles hat zum Fortschritt beigetragen. Ich habe zuletzt mit mehr Gewichten trainiert als zuvor», sagt sie.

Das Studium vorgeholt

Als die Bäder im Mai wieder öffneten, habe sie dies einzig noch ins Wasser übertragen müssen. Clever sei auch gewesen, dosiert ins Wassertraining einzusteigen und die Umfänge langsam zu erhöhen, «das Ziel war ein Wettkampf. Aber natürlich wussten wir überhaupt nicht, wann und wo das sein könnte.» Es ist jetzt, und Mamié fühlt sich wieder im Element. Das Wasser hat ihr während des Lockdown gefehlt, nicht aber die Motivation. «Ich habe immer gewusst, dass sich auch das Alternativtraining auszahlen wird, wenngleich Ausdauer an Land anders ist als im Wasser.» Selbst ein spezielles Mentaltraining hat Mamié betrieben – in der wettkampflosen Zeit hat sie versucht, Rennen zu simulieren, zu visualisieren.

Die Corona-Pandemie hat ihre komplette Sport- und Studienplanung auf den Kopf gestellt. Mamié, die manchmal bei ihrem Freund in Toulouse und teilweise auch in Turin trainiert, wollte dies vor den Olympischen Spielen zulasten des Studiums vermehrt tun. «Als die Spiele dann verschoben wurden, bemühte ich mich um mehr Kurse an der Uni», sagt die Literatur- und Linguistikstudentin. Dies wurde bewilligt, «das wird 2021 eine enorme Entlastung sein». Eine, die es ihr erlauben wird, sich dort zu etablieren, wo sie gerade angekommen ist: ganz oben.