Sie plädiert für eine straffere Führung, er setzt auf Vertrauen
Gemeinderätin Nadja Fossati (parteilos) fordert bei den Wahlen vom 4. März den Gemeindepräsidenten Bernhard Elsener (CVP) heraus. Im Gespräch mit der ZSZ offenbaren die beiden unterschiedliche Ansichten, etwa in Führungsfragen.
Nadja Fossati, weshalb haben Sie sich entschlossen, dem amtierenden Gemeindepräsidenten Konkurrenz zu machen?Nadja Fossati: Bernhard Elsener hat in seinen 28 Jahren in der Exekutive sehr gute Arbeit geleistet, die in keiner Weise zur Debatte steht. Auch die Dossierkenntnis werde ich nicht so schnell wettmachen. Aber als Gemeindepräsident oder -präsidentin benötigt man noch andere Fähigkeiten. Ich orte diese bei mir im Führungs-, im strategischen und kommunikativen Bereich. Wenn man zu lange in der gleichen personellen Konstellation bleibt, machensich Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Ein Wechsel im Gemeindepräsidium täte gut.
Bernhard Elsener, sind Sie amtsmüde?Bernhard Elsener: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich an Innovationskraft oder Führungsstärke verloren habe. Im Gegenteil, ich habe, weil ich nur noch Teilzeit arbeite, mehr Zeit fürs Gemeindepräsidium und kann für die Zukunft von Rüschlikon Weichen stellen. In vier Jahren gebe ich mein Amt ab, vorerst bin ich aber noch munter und motiviert.
Was haben Sie, Nadja Fossati, was Bernhard Elsener nicht hat?Fossati: Mir ist Führung wichtiger als Bernhard Elsener. In meinem 30-jährigen Berufsleben in Führungspositionen habe ich Konflikte nicht gescheut. Immer wieder habe ich zum Beispiel gefordert, dass wir für die Verwaltung Ziele definieren, die aus den Legislaturzielen hergeleitet werden. In der Privatwirtschaft sind Ziele eine Selbstverständlichkeit. Sie sollen in Beurteilungsgesprächen eingebracht und gemessen werden. Doch die Führung der Verwaltung ist für mich auch nach zehn Jahren – davon acht als Vizepräsidentin – noch eine Blackbox.
«Die Führung der Verwaltung ist eine Blackbox.»
Wären Sie dafür, die Verwaltung zu stärken, damit die Exekutive entlastet wird, oder denken Sie umgekehrt, dass die Verwaltung weniger aufgebläht sein sollte?Fossati: Ich finde, die Kadermitglieder der Verwaltung sollen mit in die Verantwortung genommen werden. Das geht auch ohne Aufblähen der personellen Ressourcen. Unsere Verwaltung macht im Allgemeinen sehr gute Arbeit, aber sie könnte meiner Ansicht nach manchmal besser vernetzt und gesteuert sein und klarere Ziele haben.
Elsener: Die Gemeindeordnung definiert klar, wer den Gemeindeschreiber führt: der Gemeindepräsident. Die Diskussionen über Ziele, über Legislaturziele, führen wir im Gemeinderat durchaus. Mein Führungsstil ist von den Hochschulen geprägt und darauf ausgelegt, dass man Freiheit zum Gestalten und Umsetzen lässt. Ich fasse das zusammen mit dem umgedrehten Sprichwort: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.
Nadja Fossati, neben einem strafferen Führungsstil plädieren Sie auch für eine offenere Kommunikation.Fossati: Wir unterhalten uns im Gemeinderat selten über Kommunikation. Vor vielen Jahren habe ich einmal angeregt, dass wir in unseren Gemeinderatsbeschlüssen immer auch den Punkt Kommunikation abhandeln. Das hielt nur ein paar Wochen. Wir haben kein Konzept, keine Linie. Wir haben zwar eine Kommunikationsgruppe, aber keine strategische Ausrichtung. Wenn wir wirklich Top of Switzerland sein wollen, müssen wir mit unseren Stakeholdern zum Beispiel auch elektronisch und über Social Media kommunizieren.
Was sagen Sie zu diesem Vorwurf, Bernhard Elsener?Elsener: Wir haben Fortschritte gemacht. Seit Juni gibt es zwei Tage nach jeder Gemeinderatssitzung eine zusammenfassende Mitteilung auf dem Web, die man abonnieren kann. Kommunikation läuft für mich aber vor allem auch direkt, mit Menschen, das kann auf der Strasse sein, im Coop, bei Anlässen oder Vereinsversammlungen. Im Zusammenhang mit der Erneuerung der Verwaltung und der Digitalisierung werden Social Media sicher zum Thema. Unser Ziel ist, Early Followers zu sein, aber keine Vorreiterrolle einzunehmen.
«Die Zentrumsplanung zu beschleunigen, das kommt nicht gut.»
Sie schnaufen auf, Nadja Fossati. Anderer Meinung?Fossati: Dieser Antrag wurde so im Rat nicht diskutiert und beschlossen. Ich möchte bei gewissen Dingen vorne dabei sein. Mit der ganzen Digitalisierung, E-Governance, da sind wir noch nirgends und könnten den Zug verpassen. Wir haben keine Strategie, kein Konzept, auch weil wir unsere Anstrengungen nicht bündeln, kein Geschäftskontrollsystem haben und die Pendenzen nicht überprüfen. Es gibt Dinge, die monate-, zum Teil jahrelang vor sich hindümpeln.
Wie würde Ihre Kommunikationsstrategie aussehen?Fossati: Ich hätte Ideen, aber zuerst müsste sich der Gemeinderat zusammenraufen und in einer Klausur darüber sprechen, wie wir mit Digitalisierung, E-Governance und Personalführung umgehen wollen. Wir haben jährlich nur gerade zwei halbe Tage Strategiesitzung, in der wir aber praktisch nie übergeordnete Strategien diskutieren, sondern Strategien für die Zentrumsplanung oder den Finanzplan.
Elsener: Die Problematik ist richtig geschildert. Aber an den Klausurtagungen müssen wir uns mit dem Dringenden beschäftigen und nicht unbedingt mit dem Wichtigsten. Wir stossen hier zeitlich an die Grenze des Milizsystems. Als Rat müssen wir der Bevölkerung vor allem zeigen, wie wir mit den Grossbaustellen, zum Beispiel im Zentrum, umgehen. Am Schluss muss ein Gesamtpaket resultieren, dem die Bevölkerung zustimmen kann. Diese Arbeit muss getan werden und wird den Rat und die Bevölkerung in den nächsten eineinhalb Jahren intensiv beschäftigen.
Der Gemeinderat beschäftigt sich schon lange mit der Zentrumsplanung. Sichtbar ist noch nichts. Wie könnte man die Planung beschleunigen?Elsener: Im Zusammenhang mit der alten Zentrumsplanung wurde einmal versucht zu beschleunigen, das ist jedoch nicht gut herausgekommen. Dass im Moment ausser dem genehmigten Gestaltungsplan noch keine sichtbaren Resultate zu sehen sind, hängt mit der Komplexität des Projekts und den vielen Abhängigkeiten zusammen. Die Auswahl des künftigen Bauträgers braucht Zeit, denn dieser wird die Weichen stellen, wie preisgünstig die Wohnungen am Bahnhof Süd werden. Das Projekt zu beschleunigen, das käme nicht gut.
Nadja Fossati, sind Sie der Meinung, man hätte schneller vorwärtsmachen können?Fossati: Es wäre wünschenswert, wenn man auf den investierten 20 Millionen Franken zeitnah eine Rendite erzielen könnte. Ich gebe Bernhard Elsener recht, dass der Entscheid über den Bauträger sehr wichtig ist. Aber ich glaube, mit einer detaillierteren und vernetzteren Projektplanung bereits zu Beginn der Legislatur hätte man das Vorhaben beschleunigen können. Eine solche habe ich bis heute nicht gesehen.
Elsener: Auch die Planung braucht Zeit. An der letzten Steuerungsgruppensitzung haben wir die Projektplanung beendet und werden dem Gemeinderat am 7. März ein Komplettdiagramm mit Zeithorizont bis 2022 vorlegen.
Fossati: Das klingt gut, aber ich glaube, dass wir vor langer Zeit schon so weit hätten sein können.
Um das Dorfleben zu erhalten, sind preisgünstige Wohnungen wichtig. Doch leben in Rüschlikon viele Expats, die sich nicht daran beteiligen. Wie wollen Sie diese einbinden?Elsener: Zu diesem Thema stand ich mit dem Elternverein einige Male in Kontakt. Wir zeigten an Veranstaltungen auf, wie unsere Gemeinde funktioniert. Aber wir erreichen auf diese Weise nur wenige. Wir mussten uns eingestehen, dass es Expats gibt, die gar nicht erreicht werden wollen.
Fossati: Ich erlebe viele Expats, die sich engagieren möchten. Wenn der Kanton es erlauben würde, wäre das Stimmrecht für Expats für mich eine Option.
Elsener: Die neue Gemeindeordnung ermöglicht es, Gemeinden neu zu gestalten, zu professionalisieren und Weichen zu stellen. Die meisten Gemeinden ändern nichts, wir aber wollen das grundlegend anpacken und schauen, was diese neue Gemeindeordnung für das Rüeschliker Dorfleben in Zukunft bringen könnte. Machen die heutigen funktionalen Räume noch Sinn oder sind wir als Gemeinde zu klein?
Heisst das, Rüschlikon überlegt sich, mit einer anderen Gemeinde zu fusionieren?Elsener: Mittelfristig heisst das, dass wir stärker zusammenarbeiten werden in Bereichen, in denen es sinnvoll ist. Von der Grösse her bietet sich Kilchberg als Partner an. Unter dem Aspekt, dass sich die funktionalen Räume verändern, wäre eine Fusion langfristig sinnvoll.
Fossati: Mit der Digitalisierung verändern sich auch die sozialen Räume. Die Jugendarbeit zum Beispiel werden wir mit derjenigen von Kilchberg zusammenführen – einfach, weil es sinnvoller ist, nicht günstiger. Denn für die Jugendlichen spielen die Dorfgrenzen keine Rolle, noch weniger, seit der Campus Moos existiert. In den nächsten zwei Legislaturen könnte das Thema Fusion sicher andiskutiert werden.
Sie beide scheinen eine Fusion langfristig für sinnvoll zu halten. Bevor es aber so weit ist, wählen beide Gemeinden ihre Exekutive noch selbst. Wie sehen Sie Ihre Wahlchancen?Elsener: Ich denke, meine Chancen sind intakt, nicht weil ich amtierender Gemeindepräsident bin, sondern weil ich Bernhard Elsener bin.
Fossati: Meine Chancen sind schwierig einzuschätzen. Bei mir läuft viel online, über Social Media, da kommt es darauf an, wie gut ich die Jüngeren mobilisieren kann. Ich vermute, meine Chancen sind grösser bei einer hohen Wahlbeteiligung. Ich glaube, die Zeichen stehen auf Veränderung.
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