Erste Frau an der SpitzeSie muss dem Kunsthaus Flügel verleihen
Anne Keller Dubach ist zur neuen Präsidentin der Zürcher Kunstgesellschaft gewählt worden. Sie hat sich gegen den Sprengkandidaten Florian Schmidt-Gabain durchgesetzt.

«Ich bin hochmotiviert, das Kunsthaus in eine neue Ära zu führen – gemeinsam mit der Direktion, den Teams und dem Vorstand. Zunächst heisst das vor allem: zuhören, verstehen, einordnen und im Dialog Visionen und Ideen konkretisieren», sagt Anne Keller Dubach in einer ersten Stellungnahme zur gewonnenen Wahl ins Präsidium der Zürcher Kunstgesellschaft, die pandemiebedingt schriftlich und geheim erfolgte.
Mit einer satten Mehrheit von 67,7 Prozent der Stimmen besiegte sie den Sprengkandidaten Florian Schmidt-Gabain. In Zahlen: 4308 Mitglieder der Kunstgesellschaft waren für Anne Keller Dubach, 1648 Mitglieder für Florian Schmidt-Gabain, Gesamtzahl der Vereinsmitglieder: 20'522 . Ein Viertel der Stimmenden setzte sich offenbar für eine Erneuerung und Verjüngung der Kunstgesellschaft ein, wie sie der 39-jährige Anwalt und Kunstrechtsexperte Schmidt-Gabain repräsentierte.
Wunschkandidatin von Walter Kielholz
Die 64-jährige Keller Dubach war nicht nur die Wunschkandidatin von Walter Kielholz, der gern als «Strippenzieher» der Schweizer Wirtschaft bezeichnet wird und in den letzten 18 Jahren die Kunstgesellschaft präsidierte. Kielholz hat als Verwaltungsratspräsident der Swiss Re die studierte Historikerin, die über 20 Jahre die Kunstsammlung jener Swiss Re leitete, als seine Nachfolgerin portiert.
Die neue Präsidentin tritt ihr Amt am 1. Juli an. Sie ist eine perfekte Repräsentantin jener Zürcher Kreise aus dem Umfeld von Credit Suisse und Swiss Re, die seit vielen Jahrzehnten die Geschicke des Kunsthauses prägen. Sie verfügt selbst über eine ansehnliche Kunstsammlung, bewohnt eine riesige Betonvilla, die ihr der Kunsthausarchitekt David Chipperfield beim Burghölzli gebaut hat. Und sie gehört als Erbin der Seidenhändlerfamilie Abegg und des auf Eduard Anton Keller zurückgehenden Handelskonzerns DKSH zu den reichsten Personen in Zürich. Verheiratet ist sie mit Werner Dubach, dem ehemaligen Chef der Luzerner Brauerei Eichhof. Durch den Verkauf der Brauerei an Heineken flossen dem Ehepaar zusätzliche Vermögenswerte zu.
«Ich wünsche mir vor allem, dass das Kunsthaus Zürich in Zukunft noch stärker an Profil gewinnt.»
Keller Dubachs Urgrossvater Carl Abegg-Stockar war bei der Rückversicherung und der Kreditanstalt tätig. Um 1930 war er hinter Wilhelm Caspar Escher-Abegg zweitbester Zürcher Steuerzahler. Heinrich Bodmer-Abegg, Stiefsohn von Carl Abegg-Stockar, war in den 1930er-Jahren Mitglied im Vorstand der Zürcher Kunstgesellschaft.
Die wichtigste Aufgabe der neuen Präsidentin wird es sein, dem Kunsthaus Zürich, das mit dem grossartigen Erweiterungsbau von Chipperfield zum grössten Kunstmuseum der Schweiz geworden ist, Flügel zu verleihen. «Ich wünsche mir», teilte Keller Dubach gestern in einem Statement mit, «vor allem, dass das Kunsthaus Zürich in Zukunft noch stärker an Profil gewinnt und eine prägnantere Rolle im Kulturleben der Stadt Zürich spielt – mit inhaltlichem Führungsanspruch und überraschenden Interventionen. Und dass wir Menschen begeistern und bewegen, indem wir ihnen offen, einladend und kompetent begegnen – über die Kunst hinaus.»
Gestern gab das Kunsthaus Zürich ausserdem bekannt, dass die Besucherzahlen im Jahr 2020 wegen der Corona-Schliessungen um 16 Prozent auf 226154 geschrumpft seien und das Betriebsergebnis ein Defizit von einer knappen Million Franken aufweise. Noch vor den Sommerferien soll überdies die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Direktor Christoph Becker bekannt gegeben werden, der das Haus erst per April 2023 verlassen will.
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