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Nobelpreis für «Click-Chemie»
Ein Zwei-Komponenten-Kleber für Moleküle

Der diesjährige Nobelpreis wird für die «Click-Chemie» vergeben. 
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Carolyn Bertozzi sieht etwas müde aus. Zwischen Stockholm und der Universität Stanford sind es neun Stunden Zeitverschiebung, in Schweden hat die Königliche Akademie der Wissenschaften am Vormittag über die Vergabe des diesjährigen Chemienobelpreises entschieden. Das heisst: Die Juroren haben ihre Preisträgerin, die sich die Auszeichnung mit Barry Sharpless vom Scripps-Forschungsinstitut in San Diego und Morten Meldal von der Universität Kopenhagen teilt, wohl aus dem Bett geklingelt. Trotzdem hat die 56-jährige Biochemikerin sich live zur Nobel-Pressekonferenz zugeschaltet. Ob sie immer noch unter Schock stehe nach dem Telefonanruf, wird sie von Johan Åqvist gefragt, dem Vorsitzenden des Nobel-Komitees: «Schock ist noch eine Untertreibung», sagt sie.

Über die Reaktion von Barry Sharpless und Morten Meldal ist vorerst nichts zu hören. Bei Ersterem liegt die Vermutung nahe, dass er etwas cooler blieb: 2001 erhielt er schon einmal den Nobelpreis für Chemie. Kurz darauf verkündete er eine neue wegweisende Idee: Er stellte das Konzept der «Click-Chemie» vor. Sie soll ein Problem lösen, das Chemikern schon immer das Leben erschwert hat.

Wollen sie Moleküle aneinanderbinden, tun die oft nicht, was die Wissenschaftler sich wünschen. Häufig sind nicht die passenden Bindungsstellen vorhanden, mit der sich eine Substanz an die andere ketten kann. Oder es kommt zwar zur Bindung, aber nur in Einzelfällen, weil Bindungsstellen von anderen, unerwünschten Molekülen blockiert werden. Und selbst wenn alles läuft wie gewünscht, ist nicht gesagt, dass die Bindung auch von Dauer ist.

«Ein geniales Werkzeug, um neue Moleküle zu erschaffen.»

Johan Åqvist, Vorsitzender des Nobel-Komitees

Darum hat Sharpless eine Art Zwei-Komponenten-Kleber entwickelt. Sowohl für die eine Komponente, Azid genannt, wie auch die andere, das Alkin, lassen sich auf den meisten Molekülen Bindungsstellen finden. Wird das Azid an das eine Zielmolekül und das Alkin an das andere geheftet und dann als Reaktionsbeschleuniger Kupfer dazugegeben, macht es gewissermassen klick: Beide kleben zusammen. «Robust, verlässlich und ohne das Entstehen der meisten unerwünschten Substanzen», schwärmt Chemiker und Juror Olof Ramström. «Ein geniales Werkzeug, um neue Moleküle zu erschaffen», nennt es Johan Åqvist. Dem 68-jährigen Chemiker Morten Meldal ist mehr oder weniger dasselbe gleichzeitig an der Universität Kopenhagen gelungen. Das Ergebnis dieser Forschung findet etwa bei der Entwicklung von Lacken, Klebstoffen und funktionellen Materialien oder in der Medikamentenforschung erste Anwendungen.

Die US-Amerikanerin Carolyn Bertozzi beschäftigt sich vor allem mit sogenannten Glykanen, Zuckerketten, die als eine Art Erkennungszeichen auf den Oberflächen von Zellen sitzen. Und zum Beispiel Immunzellen helfen, ihre Ziele zu finden. Mit den herkömmlichen Labormethoden war aber schwer festzustellen, wie sich die Glykane im lebenden Organismus verändern und welche Reaktionen sie durchmachen.

Die Wissenschaftlerin machte sich deshalb auf die Suche nach einem Klebstoff, um Glykane und Fluoreszenz-Moleküle aneinanderzubinden. Schliesslich gelang es ihr, Sharpless’ Kleber-Komponente eins, das Alkin, in einen Ring mit anderen Atomen einzubauen. Und zwar so, dass es eigentlich nur noch an ein bestimmtes Ziel bindet, an Komponente Nummer zwei, das Azid. 2004 zeigte Bertozzi: Werden Glykan und Leuchtmolekül per Click-Reaktion aneinandergekoppelt, lässt sich auch das Verhalten von Zellglykanen exzellent beobachten. 

Die Entwicklung von Krebsmedikamenten etwa hat diese Entdeckung massiv beschleunigt. Denn Alkinring und Azid sind auch ein geeigneter Klebstoff für viele andere Dinge in der Zelle. Dank der Click-Reaktion lässt sich zum Beispiel genau beobachten, an welche Ziele in der Zelle ein Wirkstoff bindet. Das ermöglicht eine viel bessere Auswahl der als zukünftiges Medikament infrage kommenden Substanzen. Und all das funktioniert sehr verlässlich und in den unterschiedlichsten Umgebungen. Weil sich die eine Komponente jeweils nur an ihr Gegenstück anheftet.

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