Bern vor Super-MontagChinas Nummer 2 plant Bern-Besuch – am selben Tag wie Selenski
Der neue chinesische Ministerpräsident kommt nach Bern – möglicherweise gleichzeitig mit dem ukrainischen Präsidenten. Der Bund kündigt rigorose Sicherheitsvorkehrungen an.
Bern steht vor dem politischen Ausnahmezustand: Chinas neuer Ministerpräsident Li Qiang wird am Montag überraschend in Bern erwartet. Er soll mehrere Vertreter des Bundesrats zu Gesprächen treffen, wie diese Redaktion aus zuverlässigen Quellen erfahren hat.
Brisant: Am gleichen Tag wie Li erwägt auch der ukrainische Staatspräsident Wolodimir Selenski einen Besuch in Bern, wie diese Zeitung am Montag publik machte.
Falls sich der geplante Doppelbesuch aus Peking und Kiew tatsächlich realisiert, würde die Bundesstadt in den aussenpolitischen Ausnahmezustand gestürzt. Dass zwei derart hochrangige Gäste aus zwei verschiedenen Staaten am gleichen Tag in Bern erwartet werden, ist ausserordentlich.
Bundeshaus wird abgesperrt
Tatsächlich wurden am Mittwoch sämtliche Parlamentsmitglieder per E-Mail über einen «hochrangigen Besuch» am nächsten Montag informiert. Als Folge davon werden in dem E-Mail massive Sicherheitsvorkehrungen rund um das Parlamentsgebäude angekündigt, wie «20 Minuten» publik machte.
Ob mit dem «hochrangigen Besuch» der Chinese oder der Ukrainer oder beide gemeint sind, lässt das E-Mail offen. Nach wie vor ist nicht offiziell bestätigt, dass der ukrainische Präsident am Montag tatsächlich auch in Bern Halt macht; Selenskis Auftritt am nächsten Dienstag am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos hat das WEF hingegen inzwischen offiziell bestätigt.
Der Bern-Besuch des chinesischen Regierungschefs hingegen gilt laut bundesratsnahen Personen als gesichert. Das Aussendepartement (EDA) wollte die Informationen auf Anfrage aber weder bestätigen noch dementieren. Die chinesische Botschaft in Bern reagierte nicht auf eine Anfrage.
Ob beide Gäste in die Berner Innenstadt kommen würden, ist unklar. Möglich ist auch ein Empfang im vornehmen Landgut Lohn ausserhalb Berns.
Seit März 2023 Chinas Nummer 2
Li Qiang, die Nummer 2 hinter Staatschef Xi Jinping, ist erst seit zehn Monaten im Amt. Er ist der vermutlich mächtigste Gast am diesjährigen Jahrestreffen des WEF in Davos. Das zeigt sich daran, dass Li Qiang an der Eröffnungsfeier als erster Hauptreferent auftreten darf – direkt nach der Begrüssung durch WEF-Präsident Klaus Schwab und Bundespräsidentin Viola Amherd. EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, die höchste Europäerin am WEF, darf erst nach dem Chinesen auf die Bühne.
Über den Inhalt der schweizerisch-chinesischen Gespräche in Bern sind derzeit keine Informationen erhältlich. Sicher ein Thema sein dürfte aber das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China.
Das Zustandekommen dieses Abkommens war 2014 ein handelspolitischer Coup der Schweiz. Anfang Juli wird sich seine Inkraftsetzung zum 10. Mal jähren. Die Schweiz möchte den Geltungsbereich dieses Abkommens seit Jahren ausweiten, was bisher aber unter anderem an mangelndem Interesse auf chinesischer Seite gescheitert ist. Wahrscheinlich ist, dass der Bundesrat bei Li Qiang für eine Wiederaufnahme der Gespräche werben wird.
Ein sehr heikles Thema bei allen schweizerisch-chinesischen Kontakten sind die Menschenrechte, namentlich die systematische Verfolgung der uigurischen Minderheit durch den chinesischen Staat.
Eine erste Version dieses Artikels wurde ergänzt mit der Information zur E-Mail an die Parlamentsmitglieder.
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