Parlamentswahlen in JapanSelbst stolze Bonzen sind nicht mehr unantastbar
Bei den Parlamentswahlen in Japan büsst die Regierung an Stimmen ein, gewinnt aber dennoch recht deutlich. Grund zum Jubeln hat eigentlich keine Partei.

Akira Amari wäre wahrscheinlich am liebsten verschwunden. Aber das ging nicht, schliesslich ist er der neue Generalsekretär der japanischen Regierungspartei LDP. Er musste mit auf das Foto, das später die parteieigene Website schmücken und die Freude der Parteispitze über den Erfolg bei der Unterhauswahl zeigen sollte.
Amari (72) stand neben Fumio Kishida, dem LDP-Präsidenten und Premierminister. Kishida steckte mit zufriedenem Lächeln eine rote Papierrose für das nächste gewonnene Direktmandat in die Tafel der Wahlkreise. Links und rechts neben ihm standen die wichtigsten Parteifunktionäre und applaudierten. Auch Amari applaudierte. Allerdings wirkte er dabei abwesend und nachdenklich. Sein Lächeln war gequält. Er hatte sein Direktmandat verloren. Gegen einen 44 Jahre alten Neuling von der Oppositionspartei CDP. Nach Jahrzehnten mit insgesamt zwölf Siegen im Wahlkreis Kanagawa 13. Die Nacht war schlimm für Akira Amari.
Seine erste Prüfung
Über Misserfolge hat die rechtskonservative LDP-Elite am Tag nach der Wahl nicht viel reden wollen. Sie notierte erleichtert, dass die Verluste erträglich waren, und feierte lieber die Bestätigung ihrer Mehrheit im Unterhaus. Japanische Medien hatten in der Wahlnacht zunächst berichtet, die LDP habe 259 Sitze gewonnen, 17 weniger als 2017. Später wurde das Ergebnis auf 261 korrigiert. Fest stand jedenfalls: Fumio Kishida und sein Kabinett haben den Rückhalt, den sie zum Regieren brauchen. Zumal sich die kleine Koalitionspartnerin Komei-Partei von 29 auf 32 Sitze verbesserte.
Vor vier Wochen hat Fumio Kishida erst die Amtsgeschäfte des zurückgetretenen Yoshihide Suga übernommen. Die Wahl war seine erste Prüfung. Er bestand sie und sah im Ergebnis «den Willen der Menschen, meine Regierung mit der Aufgabe zu betrauen, die Zukunft dieses Landes zu formen». Er fühle sich «ermutigt».
Aber ein Erfolg auf der ganzen Linie war das Wahlergebnis eben auch nicht. Angesehene LDP-Leute verloren Direktmandate. Der frühere Wirtschaftsminister Nobuteru Ishihara zum Beispiel oder Kanji Wakamiya, in Kishidas aktuellem Kabinett Minister für die Weltausstellung 2025 in Osaka. Vor allem Akira Amaris Niederlage zeigte, dass selbst stolze LDP-Bonzen nicht unantastbar sind.
Anfang Oktober erst hatte Kishida Amari zu seinem Generalsekretär gemacht, zum zweitmächtigsten Mann der LDP. Amari steht für das rechtskonservative Establishment in der Partei. Er ist ein Vertrauter des Ex-Premiers Shinzo Abe, der bei Kishidas Machtübernahme dezent die Strippen zog. Und Amari ist ausserhalb der LDP nicht unumstritten, weil er in eine alte Bestechungsaffäre verwickelt sein soll, welche für die Opposition noch nicht geklärt ist.
Das Mitte-links-Bündnis verliert
Amari schaffte letztlich doch den Sprung ins Parlament – über die Zweitstimmen. Trotzdem bot er Kishida seinen Rücktritt an. Kishida sagte am Montag: «Ich werde mit ihm reden und dann meine Entscheidung so bald wie möglich fällen.» Die Zeitung «Nikkei» berichtete, Kishida habe sich eigentlich schon entschieden. Er wolle Aussenminister Toshimitsu Motegi als Amaris Nachfolger benennen.
Die eigentlichen Verlierer der Wahl befanden sich auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Das Mitte-links-Bündnis aus den gemässigten Konservativen, Kommunisten und Sozialdemokraten war mit grossen Hoffnungen angetreten. Insgesamt wirkten die Kräfte geschwächt, die sich im Wahlkampf für sozialen Ausgleich, Freiheitsrechte und eine nachhaltige Energiewende ohne Atomkraft eingesetzt hatten.
Gewinner und Verlierer nahmen ihre Plätze ein am Montag nach der Wahl. Premierminister Kishida gab eine Pressekonferenz, auf der er lauter gute Nachrichten verbreitete. Er versprach Hilfen für Teilzeitarbeiter, Familien mit Kindern und für Corona-geschädigte Unternehmen. Am 10. November wird er wohl das Parlament zusammenrufen, um sich als Premierminister bestätigen zu lassen und sein leicht umgebautes Kabinett vorzustellen. Bald danach will er sich einen Nachtragshaushalt über viele Billionen Yen, also über Hunderte Milliarden Franken, absegnen lassen. Mit diesem will er Japans Wirtschaft ankurbeln und die Pandemienöte beheben. Es klang traumhaft, was Kishida versprach – so, als wäre Geld für Japans hoch verschuldeten Staat kein Problem.
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