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Nachruf Lawrence Weiner
Die Schriftzüge des Konzeptkünstlers bleiben Ikonen

Während Lawrence Weiner in Europa immer berühmter wurde, musste er in seiner Heimat, der USA, lange auf Anerkennung warten.  
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«As Far as the Eye Can See», man müsste diesen Schriftzug, eines der bekanntesten Werke des Künstlers Lawrence Weiner, vermutlich eine Ikone nennen. Dabei ist er so schlicht: eine Reihe Grossbuchstaben auf der Wand, schwarz konturiert, rot ausgemalt, sie sehen ein bisschen aus wie vom Football-Trikot, müssen aber – weil sie die Aussenmauer des Queens-Museums beherrschen – meterhoch sein.

Der Satz, der den Gedanken viel Raum gibt, macht die Welt weit, spielt jedoch im gleichen Atemzug auf die Begrenztheit aller menschlichen Wahrnehmung an. Und klingt weniger wie Poesie, sondern als habe man von der Sprache so lange alles weggehobelt, bis allein die Wahrheit stehen blieb.

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Der Künstler hat diese Zeile auch in Schwarz auf eine weisse Galeriewand pinseln lassen. Und in Gelb auf das Cover eines Kataloges gedruckt. Denn das war das Credo des Künstlers: es geht zunächst um den Gedanken. Und dann erst um die Ausführung. Deswegen galt der im Jahr 1942 im New Yorker Stadtteil Bronx geborene Lawrence Weiner als einer der Begründer der Konzeptkunst. Und er hat bis zu seinem Tod am Donnerstag beharrlich festgehalten an ihrer Immaterialität, ihrer Klugheit und Weite.

Sein erstes Werk waren mit Sprengstoff geformte Krater in einem NationalparkLawrence Weiner, dessen Vater ein kleines Süsswarengeschäft in der Bronx besass, musste schon als Zwölfjähriger in den New Yorker Docks schuften, damit die Familie durchkam. Und wurde zum Künstler, als er eines Morgens entschied, nicht mehr länger zur Arbeit zu gehen, nach der Schule, sondern ins Atelier. Da hatte er schon sein erstes Werk, die «Cratering Pieces», vollendet. Auch wenn damals wohl kaum jemand eine Reihe von Sprengungen im Nationalpark des kalifornischen Mill Valley als solches erkannte.

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In der Rückschau dagegen müssen die im Jahr 1960 mit TNT geformten Krater sogar als ein sehr frühes Land-Art-Piece gelten. Dem Kritiker Benjamin Buchloh, der ihn in einem Interview darauf ansprach, gab Weiner allerdings zu bedenken, er sei beileibe nicht so radikal und revolutionär gewesen damals, wie ihn Kunsthistoriker einschätzen. «Ich war einfach ein 18-jähriger Junge.»

Der Junge begann danach zu malen, trotz aller Vorbehalte über das Verhältnis zwischen dem Künstler und der Gesellschaft. Und auch die Malerei war nicht unbedingt sein Metier. «Aber ich wusste, dass ich auf jeden Fall am Lebensstil eines Künstlers festhalten wollte, schon weil es ein wesentlich besserer Lebensstil war als der einer unteren Mittelklasse, der ich entstammte.» Lawrence Weiner suchte die Nähe zur Avantgarde, trampte nach San Francisco zum City-Lights-Buchladen oder traf Beatpoeten wie Jack Kerouac in New Yorker Bars.

Ein Manifest für die Konzeptkunst

Es war dann auch die Sprache, die sein Medium werden sollte. Die er als Bildhauer den bekannten Medien – Stein, Holz, Metall, Ton – hinzufügte. Zunächst die drei Sätze seiner «Declaration of Intent», die er im Jahr 1968 formulierte. Das Manifest der Konzeptkunst war knapp gehalten. Ein Kunstwerk, so heisst es, kann erstens vom Künstler hergestellt werden, aber, zweitens, auch von jemand anderem. Oder, drittens, es muss überhaupt nicht ausgeführt werden.

Die Ansage wurde zur Grundlage eines Œuvres, zu dem zuweilen auch Objekte gehörten, Videofilme und Performances – aber eben auch Künstlerbücher. Das im gleichen Jahr veröffentlichte «Statements», in dem mehrere Projekte beschrieben werden, gilt bis heute als eines der einflussreichsten Künstlerbücher überhaupt. Harald Szeemann lud den jungen Amerikaner sofort zur epochalen Ausstellung «When Attitudes Become Form» nach Bern ein.

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Und während Lawrence Weiner, der mit seiner Frau und der kleinen Tochter jahrelang auf einem Hausboot in Amsterdam lebte (aus Geldnot, nicht aus Romantik, wie er in aller Deutlichkeit klarstellte), in Europa immer berühmter wurde, viermal zur Documenta eingeladen wurde und zu Biennalen und Einzelausstellungen, musste er auf die Anerkennung in seiner Heimat lange warten. Erst im Jahr 2008 richtete ihm das New Yorker Whitney-Museum eine Retrospektive aus.

Bescheiden, reflektiert

Danach pendelte er zwischen den USA und Europa und wurde – als schlaksiger, grosser Mann mit langem Bart und Zopf – schlussendlich sogar zu einer unübersehbar prominenten Figur der internationalen Szene, die ihn als ausserordentlich präsent und zugewandt schätzte.

Als einer der bedeutendsten lebenden Künstler adelte er in aller Bescheidenheit sogar Musikvideos, wenn Kanye West beispielsweise eine Galerie in Soho als Kulisse nutzte. Als Statist sass er da, in Jeans und Flanellhemd.

Weiner war einer aus dem guten Amerika, einer, auf den die Welt hörte, wie Bob Dylan oder Patti Smith, nur eloquenter und kein bisschen sentimental. Den Satz «ich bin eine alte Kachel» konnte er sogar im rheinischen Akzent aussprechen.

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Statt sich zuletzt doch am eigenen Erfolg zu berauschen, reflektierte Weiner wach, wie sich die Szene verändert hatte. Auch weil Kunst ihm immer ein gesellschaftliches Anliegen war, es nie darum gegangen sei, der Kunstgeschichte einfach nur «eine neue Abteilung einzurichten»: «Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten wir, dass alles populär wird. Jetzt müssen wir sehen, dass das Populäre nicht die Lösung ist. Museen in Spass zu verwandeln, ist keine Antwort. Kunst ist nicht die Ursache des Problems, aber es muss bessere Antworten geben.»

Bei einer seiner letzten grossen Vernissagen in Europa im Kunsthaus Bregenz «WHEREWITHAL | WAS ES BRAUCHT» im Herbst des Jahres 2016 war er schon schwer an Krebs erkrankt. Damals stellte er lakonisch fest, dass ihm das alles langsam schwerfalle. Womit er weder die Arbeit an der Ausstellung meinte, noch den Auftritt vor der Presse oder das Sprechen – sondern «meinen Optimismus». Warum? «Weil er wichtig ist. Schon wegen der Jüngeren. Gib ihnen eine Chance.» Wer wird die Kunstwelt jetzt, nach seinem Tod, daran erinnern?