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Der Held von Uvalde
Sie schrieb «Hilfe» – er rannte mit der Waffe seines Coiffeurs los

Der Amokläufer hat am 24. Mai in Uvalde in Texas 19 Kinder und 2 Lehrerinnen getötet, bevor er von der Polizei erschossen wurde. 
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Er sass gerade beim Coiffeur und war nicht im Dienst an diesem Tag, als diese unvorstellbaren Nachrichten von seiner Frau auf seinem Handy aufleuchten: «Es gibt einen aktiven Schützen», «Hilfe» – am Schluss noch ein «Ich liebe dich».

Was der Grenzbeamte Jacob Albarado dann tat, liest sich wie eine Heldengeschichte.

Er sei von seinem Sitz aufgesprungen, habe die Schrotflinte seines Coiffeurs ergriffen und sei mit seinem Wagen in Richtung Robb Elementary School gerast, erzählte er einige Tage später der «New York Times».

Albarados Frau unterrichtet in der texanischen Kleinstadt Uvalde die 4. Klasse. In derselben Schule, in der seine Tochter die 2 Klasse besucht. Als die Lehrerin die Schüsse hörte, versteckte sie sich mit ihren Schülerinnen und Schülern unter den Tischen. Albarados Tochter Jayda schloss sich in einer Toilette ein.

Jacob und seine Frau Tricia Albarado aus der Kleinstadt Uvalde in Texas. Er sei ein «echter Held», schreibt sie auf Facebook.

Nur unweit von den beiden entfernt, eröffnete der 18-jährige Amokläufer Salvador Ramos das Feuer – er traf 19 Kinder und 2 Lehrerinnen tödlich. Danach verbarrikadierte er sich im Klassenzimmer.

Ramos war über einen Zaun auf das Schulgelände gelangt. Nach Unterrichtsbeginn wird das Tor am Eingang zur Schule geschlossen, im Bezirk Uvalde ist sogar vorgeschrieben, dass Klassenzimmer verschlossen sind. Es heisst jedoch, dass dies bei dem Zimmer, in dem Salvador Ramos seine 21 Opfer tötete, nicht der Fall war.

Als Jacob Albarado in der Schule ankam, erfuhr er, dass sich bereits ein Spezialkommando gebildet hatte, um in den Flügel einzudringen, in dem sich Ramos verschanzt hatte. Also schmiedete er zusammen mit Beamten vor Ort kurzerhand einen Plan, so viele Kinder wie möglich zu evakuieren. Weil er wusste, in welchem Flügel seine Tochter war, führte er die Polizisten dahin und begann, ein Kind nach dem anderen rauszuholen. Zwei Beamte deckten ihn. Dutzende Kinder retteten die Männer so aus der Schule.

«Sie waren natürlich alle hysterisch», sagte Albarado gegenüber der Zeitung. Als er schliesslich zu seiner 8-jährigen Tochter Jayda vorstoss, umarmte er sie und evakuierte dann weitere Kinder. «Ich habe getan, was mir beigebracht wurde», so der Grenzbeamte.

Sollen sich Lehrer bewaffnen?

Nach über einer Stunde drang das Spezialkommando in das Klassenzimmer ein und tötete den Amokläufer. Zu spät, wie viele Eltern nach dem Ereignis kritisieren. Die Behörden sind unter Rechtfertigungsdruck. Denn eines ist gewiss nach der Tat, die sich in eine lange Reihe anderer Massaker an US-Schulen reiht: Es muss sich etwas ändern, die Frage ist nur: Was?

Während auf der linken Seite des politischen Spektrums die einen strengere Waffengesetze fordern, will die republikanisch-rechte Seite die Sicherheit an den Schulen erhöhen, damit ein Amokläufer wie der 18 Jahre alte Täter – der völlig legal 2 halbautomatische Waffen und 375 Schuss Munition gekauft hatte – sein Vorhaben nicht umsetzen kann. (Lesen Sie hier mehr dazu.)

Jacob Albarado selbst fordert mehr Schutz für die Lehrerinnen und Lehrer – und zwar mit Waffen. Er schrieb nach der Tat auf der Social-Media-Plattform Facebook, dass seine Tochter an diesem Tag eine gute Freundin verloren habe. «Ich bin so wütend, traurig und dankbar zugleich. Nur die Zeit wird ihren Schmerz heilen, und hoffentlich werden an allen Schulen in den USA Änderungen vorgenommen, und die Lehrer werden geschult und dürfen Waffen tragen, um sich und die Schüler zu schützen», schrieb er.

Ob Waffen wirklich mit noch mehr Waffen bekämpft werden können und sollen, ist in den USA ein Dauerstreitthema. Das Recht auf Waffenbesitz ist in der US-Verfassung verankert. Vielen Amerikanern ist es heilig. Diesen Verfassungszusatz aus dem 18. Jahrhundert wagt deshalb kaum jemand anzutasten.

Gleichzeitig haben Schusswaffen Autounfälle als häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA abgelöst. Offiziellen Daten der Gesundheitsbehörde CDC aus dem Jahr 2020 zufolge starben insgesamt 4368 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre durch Schusswaffen.

Bemühungen um schärfere Waffengesetze laufen seit Jahren ins Leere – vor allem, weil die Republikaner dagegen sind. Und weil die Waffenlobby, allen voran die National Rifle Association (NRA), vehement jeden Versuch bekämpft, Waffenbesitz stärker zu regulieren.

Derweil begannen am Dienstag die Beerdigungen in Uvalde für die Opfer des jüngsten Amoklaufs. Am Nachmittag erschienen Hunderte von Trauernden zur Abdankungsfeier für Amerie Jo Garza, eine 10-jährige Viertklässlerin. 19 weitere Beerdigungen sind für die nächsten zweieinhalb Wochen geplant. 

Eltern werfen den Einsatzkräften vor, zu lange untätig gewesen zu sein und nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben. Der Schütze war eine Stunde in dem Klassenzimmer, in dem er seine Opfer tötete.