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Australische Parlamentswahl
Schmutziger Wahlkampf mit Xi Jinping

Lügnerische Hetzkampagnen sind in Australien nicht verboten: Auf einem Lastwagen wird behauptet, Xi Jinping und die Kommunistische Partei Chinas würden empfehlen, die linke Labor-Partei zu wählen.
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Kurz vor den australischen Parlamentswahlen am 21. Mai liegt die sozialdemokratische Labor-Partei knapp vor den regierenden Konservativen von Premier Scott Morrison. Bei seiner Liberalen Partei ist die Nervosität entsprechend gross, sie sind seit 2013 an der Macht. Der Wahlkampf wird heftig und auch schmutzig geführt.

Zentrales Thema ist dabei China. Für Australien ist die asiatische Grossmacht ein wichtiger Handelspartner, aber auch eine stete Bedrohung. Die aktuelle Regierung hat die Beziehungen zu Xi Jinping und seiner Kommunistischen Partei praktisch eingefroren, der Verteidigungsminister hat kürzlich gewarnt, dass sich Australien für den Krieg rüsten müsse, um den Frieden zu bewahren. Während die Konservativen die Gefahr durch China hervorheben, werfen sie ihren sozialdemokratischen Gegnern eine besondere Nähe zu den Kommunisten vor.

Das ist mittlerweile auch auf Wahlplakaten zu lesen, die auf Lastwagen durch australische Städte fahren. Darauf zu sehen ist Xi Jinping, der einen mit «Labor» beschrifteten Wahlzettel in eine Urne wirft. Die Kommunistische Partei Chinas empfehle, Labor zu wählen, steht dazu, was im australischen Wahlkampf derzeit die gröbste Beleidigung für eine Partei darzustellen scheint. Auch eine Vertreterin der Liberalen, Gladys Liu, wird aufgrund ihrer Abstammung in die Nähe von China gerückt, ein Wahlplakat behauptet, sie sei Xis Wunschkandidatin.

Die kleine Partei Democratic Alliance macht Werbung gegen Kandidatin Gladys Liu. Sie sei die Kandidatin von Xi Jinping, heisst es auf dem Plakat.

Solche Lügen auf Plakaten sind in Australien nicht verboten, aber doch ungewöhnlich, die Menschen wundern sich über die aggressiven Werbungen, wie Medienberichte zeigen. Dabei setzt sich keine der beiden grossen Parteien in die Nesseln, denn hinter den Plakaten stehen andere. Die konservative Gruppe Advance Australia hat beispielsweise die Lastwagenwerbung finanziert. Die Lobbyisten sind zwar unabhängig, eine Nähe zu den Liberalen ist aber offensichtlich. Die Gruppe hält die Partei so aus der Schusslinie, hat aber selbst kaum etwas zu verlieren. Die Xi-Plakate gegen die liberale Kandidatin Gladys Liu stammen wiederum von der neuen kleinen Partei Democratic Alliance, die sich klar als Anti-Chinesische-Partei versteht.

Schmutzkampagnen gibt es aber auch auf sozialen Medien. Die chinesischstämmigen Wählerinnen und Wähler neigen beispielsweise eher dazu, Labor zu wählen, da sie das Säbelrasseln der Regierung gegenüber China ablehnen. Nun wurden auf Wechat mehrere Nachrichten gezielt verbreitet, die behaupten, dass Labor die Kinder an den Schulen zu Homosexuellen umerziehen und das Vermögen von Menschen mit chinesischer Abstammung einziehen wolle, wie der «Guardian» berichtet. Woher die Beiträge auf der chinesischen App kommen, ist noch nicht geklärt.

Salomonen-Pakt als Knackpunkt

Fest steht, dass die Beziehung zu China in Australien auf einen Tiefpunkt gesunken ist. Ein Tiefpunkt, den vorerst offenbar keine der grossen Parteien verlassen will. Premier Scott Morrison hat mit den USA und Grossbritannien eine neue Allianz geschmiedet, als klares Zeichen an China. Sein Kontrahent Anthony Albanese wirft ihm trotzdem eine zu lasche Antwort auf die «chinesischen Aggressionen» vor.

Gegenseitige Vorwürfe im Umgang mit China: Labor-Chef Anthony Albanese und Premier Scott Morrison während einer Fernsehdebatte am 8. Mai in Sydney. 

In den Jahren zuvor gab es mehrere Zerwürfnisse zwischen den Ländern. Zuletzt sorgte eine geforderte Untersuchung nach dem Ursprung von Covid-19 für eine harsche Gegenreaktion aus Peking. Australische Produkte wurden zeitweise mit einem Import-Bann belegt, Xi wollte die Muskeln spielen lassen und den Aufmüpfigen «down under» ihre Limiten aufzeigen. Bewirkt hat er das Gegenteil, die Regierung hat daraufhin einen härteren Kurs gegenüber China beschlossen, bis zur kürzlichen Forderung nach Aufrüstung in Anbetracht der chinesischen Bedrohung. Manche Politiker fordern, eine «Mauer aus Raketen» aufzubauen, um China abzuschrecken.

Ein Auslöser davon ist auch ein Sicherheitspakt, den die Salomonen mit Peking geschlossen haben. Auch Australien hat einen solchen Deal mit der Inselgruppe 2000 Kilometer vor der eigenen Küste, für die Verhältnisse in Ozeanien ist das relativ nah, Neuseeland ist beispielsweise ähnlich weit entfernt. Der Pakt ist auch zum politischen Spielball geworden, Labor-Chef Albanese wirft Premier Morrison nun vor, dass er zu wenig unternommen habe, um die Salomonen von der Zusammenarbeit mit China abzuhalten. Befürchtet wird ein chinesischer Stützpunkt vor der eigenen Haustür, auch wenn die beiden Länder dies abstreiten.

Der Premier der Salomonen, Manasseh Sogavare, und der chinesische Botschafter bei der Eröffnung eines Stadionkomplexes in der Hauptstadt Honiara. China hat den 53-Millionen-Dollar-Bau finanziert.

Die antichinesische Haltung der Parteien wird vom Volk befeuert, Umfragen zeigen, dass eine grosse Mehrheit die chinesische Politik und die militärischen Aktivitäten negativ beurteilt. Dazu beigetragen haben die neuen chinesischen Stützpunkte in Südostasien, die Unterdrückung der Uiguren und die krassen Menschenrechtsverletzungen in Hongkong. Ansonsten könnten die «Aussies» eigentlich eine gute Beziehung zur regionalen Grossmacht haben: Die Chinesinnen und Chinesen selbst sowie ihre Kultur mögen die Australierinnen und Australier gemäss der Umfrage.

Möglicher Neustart der Beziehungen

Wobei Down Under neben den sehr freundlichen Menschen auch für offenen Rassismus bekannt ist. Flüchtlinge werden abgewiesen, auch für europäische Migrantinnen und Migranten galten lange sehr strenge Gesetze. Und im Zuge von Covid-19 und den Spannungen mit Xi Jinping hat sich das Leben auch für die rund 15 Prozent der Australierinnen und Australier mit asiatischen Wurzeln verschlechtert. Sie erleben psychische, manchmal auch physische Gewalt, obwohl viele von ihnen auch aus Malaysia, Indonesien oder Vietnam stammen – oder aufgrund ihrer Ablehnung des kommunistischen Regimes aus China ausgewandert sind.

James Laurenceson, der das unabhängige Institut für australisch-chinesische Beziehungen in Sydney leitet, setzt sich deshalb auch für eine gewisse Normalisierung der Beziehungen ein. Ein kompletter Reset sei nicht möglich, sagt er zu CNN, dafür sei in den letzten fünf Jahren auch zu viel passiert. Aber mit einem Wahlsieg von Labor könnte zumindest etwas Spannung aus der Krise genommen werden. Eine neue Regierung könnte mit feinen diplomatischen Anpassungen zu einer etwas weniger feindseligen Haltung gegenüber China finden, meint der Professor. 

Klimawandel als Priorität

Auch die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich gemäss aktuellen Umfragen eine neue Regierung, nicht nur für einen Neustart mit China, sondern auch für einen stärkeren Kampf gegen den Klimawandel, der in Australien einen immer spürbareren Einfluss hat. Die Bewohnerinnen und Bewohner kämpfen praktisch jährlich gegen Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen oder Plagen. Hier hat Labor gemäss BBC das bessere Programm in der Schublade, um den CO₂-Ausstoss des Landes, einen der höchsten der Welt, zu reduzieren. Die Ziele der aktuellen Regierung liegen hingegen weit hinter globalen Bemühungen zurück.

Möglich wäre auch, dass keine der beiden grossen Parteien die Mehrheit holt, das war in den letzten 75 Jahren nur einmal der Fall, könnte aber kleineren Parteien dann eine grosse Rolle zukommen lassen. Wobei es dort auf der einen Seite die Grünen gibt, welche den CO₂-Ausstoss noch viel schneller senken wollen, und auf der anderen Seite die «One Nation»-Partei, welche die Klimawissenschaft komplett anzweifelt und gar nichts reduzieren will.