Medienkonferenz mit Roger Federer«Nach der zweiten Knie-OP stellte ich alles in Frage»
Roger Federer gibt in Doha sein Comeback nach über einem Jahr. In einer Medienkonferenz äusserte er sich erstmals ausführlich.
Die wichtigsten Punkte
So, das war es von der ersten Medienkonferenz Roger Federers seit seiner einjährigen Pause. Er wirkte sehr entspannt, sprach rund eine Stunde. Zuerst mit den internationalen Medien, dann im kleinen Kreis mit den Schweizer Journalisten. Die wichtigsten Punkte:
Federer ist schmerzfrei, sein Knie erlaubt es ihm, täglich zweieinhalb Stunden Tennis zu spielen. Die letzten zwei Monate spielte er vermehrt auch Sätze, zuerst mit dem Schweizer Junioren Dominic Stricker, dann mit dem Engländer Dan Evans. Wie sein Körper in der Wettkampfsituation reagieren wird, kann er aber noch nicht abschätzen.
Sein Plan ist darauf ausgerichtet, dass er in Wimbledon bei 100 Prozent ist. Die Resultate bis da seien für ihn sekundär. Nach Doha will er eine Lagebeurteilung vornehmen, ob er auch in Dubai antritt. Danach folgt wieder ein einmonatiger Trainingsblock. Wie seine Sandsaison aussieht, weiss er noch nicht.
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Nach der zweiten Operation habe er alles in Frage gestellt, natürlich seien auch Rücktrittsgedanken aufgekommen. Auch wenn die Heilung langsam verlaufen sei, so sei er doch sehr damit zufrieden. Mit seinem Comeback von 2017 könne man das allerdings nicht vergleichen. Er habe viel mehr Fragezeichen als damals.
Von Covid-19 sei er bisher verschont geblieben, zum Glück. Er habe die Pandemie wohl erlebt, wie alle anderen und versucht, ein Vorbild zu sein. Zuerst sei es ihm seltsam vorgekommen, mit Maske zu posieren für Selfies, inzwischen habe er sich daran gewöhnt.
Auch zu den Kontroversen um Novak Djokovic äusserte sich Federer. Er nahm ihn in Schutz. Bei seiner Disqualifikation am US Open habe er einfach grosses Pech gehabt. Seine Adria-Tour sei wohl zu früh gewesen, aber er habe gute Absichten gehabt. Gut, würde nun wieder über das Tennis geredet.
Spielt er in On-Schuhen?
«Meine Pause gab mir Zeit, dieses Projekt voranzutreiben. Einen Tennisschuh kannst du nicht über Nacht bauen. Ich habe jetzt hier in Doha mit einem On-Schuh trainiert, mal schauen, ob ich am Dienstag auch damit spiele. Bis jetzt fühlt er sich perfekt an. Es ist noch ein Prototyp. Eine spannende Sache.»
Die Kontroversen um Djokovic
«Es bringt nichts mehr, wenn ich das gross aufrolle. Am US Open hatte er einfach unglaubliches Pech (bei seiner Disqualifkation). Das weiss jeder. Natürlich musst du dich kontrollieren. Aber das kann fast jedem passieren. Mit der Adria-Tour meinte er es ja eigentlich gut? War es zu früh dafür? Ja, wahrscheinlich. Ich habe Novak schon lange nicht mehr gesehen. Er macht sein Bestes für die Spieler. Es passte einfach nicht, als er Präsident der Spielervereinigung war und gleichzeitig die neue Organisation gründete. Du musst nicht immer gleicher Meinung sein. Aber wichtig ist, dass man sich zusammen austauscht. Die negativen Nebengeräusche sind natürlich nicht ideal fürs Tennis. Inzwischen hat sich alles wieder etwas beruhigt. Es wird wieder über Resultate und Rekorde geredet. Das ist gut so. Es wird sich zeigen, was alles läuft mit der Spielervereinigung, der PTPA und der ATP. Ich bin nicht hier in Doha, um Politik zu machen. Mein Fokus gilt meinem Comeback.»
Federer und die Pandemie
«Ich bin bisher verschont geblieben von Covid-19. Gut, ich war auch nicht gross unterwegs. Aber klar, du kannst so vorsichtig sein, wie du willst, und es erwischt dich trotzdem. Wir haben viele neue Wörter kennengelernt: Pandemie, Quarantäne, Covid-19. Unglaublich. Als Familienvater musste ich meinen Kindern erklären, was das Ganze bedeutet. Die Freunde nicht zu sehen und die Grosseltern, den anderen nicht zu nahe zu kommen, keine Hände mehr zu schütteln. Ich empfand das alles als sehr speziell.»
«Aber man gewöhnt sich an alles im Leben. Und natürlich musste ich darauf achten, dass ich das richtige Verhalten vorlebe. Vor allem mit den Masken. In der Schweiz dauerte es ja länger, bis es eine Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln gab. Anfangs dachte ich: Fotos mit Fans machen und dabei eine Maske zu tragen, das geht zu weit. Aber wenn heute einer kommt, sage ich: Sorry, ich muss die Maske anbehalten. Und es geht einfach immer weiter. Ich denke, ich erlebe die Pandemie ähnlich wie alle anderen. Bis jetzt haben wir sie aber gut überstanden.»
«Da waren nicht mehr viele Muskeln übrig»
«Ich kann mich nicht erinnern, dass etwas falsch lief nach der ersten Operation. Das Knie bockte, es wollte einfach nicht. Es kam etwas Neues dazu. Ich machte ein MRI, und der Arzt sagte, sorry, da braucht es noch eine zweite OP. Da führte kein Weg darum herum. Ich bin kein Fan von Operationen, das ist bekannt. Die ersten Wochen liefen normal, ich schoss nicht drein, nur mit Daniel (Troxler, dem Physiotherapeuten). Pierre (Paganini, der Fitnesstrainer) war da noch gar nicht involviert, und Tennis spielte ich ja nicht.
Das Problem war, dass ich nach der zweiten OP nochmals zwei Wochen an Krücken ging, wie schon nach der ersten. Danach waren nicht mehr viele Muskeln übrig. Nach der ersten OP war ich noch ein Spitzensportler, aber es war erschreckend zu sehen, wie schnell man alles verliert. Schon das Herumlaufen fehlte, für die Koordination. Die zweite OP war deshalb schon ein sehr grosser Dämpfer.»
Wie geht es dem Knie?
«Es ist auch mental, wenn du nach einer Verletzung zurückkommst. Das Knie fühlt sich nicht jeden Tag gleich an. Vor dem Sprint fragst du dich: Wie geht es mit dem Knie? Deshalb war es mir sehr wichtig, dass ich die letzten zwei Monate um Punkte und Sätze spielen konnte. Zuerst kam (Dominic) Stricker nach Dubai, zuletzt habe ich mit Dan Evans etwa 20 Sätze gespielt. Ich bin sehr zufrieden mit dem Knie. Aber es gibt immer noch viele Fragen. Das Tennis fordert dich in allen Bereichen. Ich brauche noch mehr Etappen, um sagen zu können, ich sei bei 100 Prozent.»
Aufbau bis Wimbledon
«Die Resultate sind erst einmal sekundär. Es geht darum: Wie geht es dem Knie? Wie fühle ich mich auf der Tour? Bis Wimbledon will ich die Turniere nützen, um auf 100 Prozent zu kommen. Wenn ich schlechtere Resultate habe, ist das nicht so schlimm. Es wird auch interessant sein, zu sehen, wie ich die Blase erlebe. Die Familie kann gar nicht mitreisen. Wie lange kann ich weg sein? Ist es besser, drei Turniere am Stück zu spielen? Das muss ich alles anschauen. Ich muss Match für Match nehmen. Zuerst spiele ich Doha, dann wird sich entscheiden: Was ist mit Dubai? Nach Dubai gibt es einen Aufbau von vier bis sechs Wochen. Ich hoffe, dann bin ich noch explosiver. Ich plane erstmals nur bis Wimbledon. Jedes Gefühl, jedes Resultat werde ich in die Diskussionen einfliessen lassen.»
Vergleich zu 2017
Wie war das vor vier Jahren? «Als ich 2017 zurückkam, war ich komplett gesund. Ich stellte mir nicht mehr gross Fragen, ob es nochmals rückwärtsgehen könnte. Jetzt war der Weg viel länger. Jetzt habe ich viel mehr Fragezeichen als am Hopman-Cup Anfang 2017. Alles, was von heute bis Wimbledon kommt, ist als Aufbau zu betrachten. Ich bin selber gespannt. Ich freue mich riesig, dass ich wieder dabei sein kann. Wenn ihr mich spielen gesehen hättet im Oktober, November – das sind Riesenschritte. Letztes Mal wäre ich Ende November, Anfang Dezember ready gewesen. Diesmal wäre Australien zu früh gewesen. Ich brauchte diese Zeit.»
«Ich war immer auf dem Laufenden»
«Das Tennis beschäftigte mich in den vergangenen Monaten stark. Weil ich im Council bin, verfolgte ich genau, wie schwer es war, den Turnierbetrieb wieder in Schwung zu bringen, wie ja auch in anderen Sportarten, Fussball, Formel 1. Dass die Tour wieder begann, war ein grossartiger Erfolg von den Turnierdirektoren. Das zu erleben aus der Ferne, war beeindruckend. Es war hart für alle. Man wird ja jeden Tag damit konfrontiert.
Ich bin einfach froh, dass wieder Tennis gespielt wird, auch als Zuschauer. Wie das US Open mit dem Sieg von Dominic Thiem endete, brach ein bisschen mein Herz, weil es keine Zuschauer hatte. Nadal beeindruckte mich in Paris, Djokovic in Melbourne. Ich schaute ziemlich viel Tennis – wenn auch nicht stundenlang. Aber ich wollte wissen, was läuft, prüfte die Resultate fast alle zwei Stunden, und zwar auch die Resultate von Challenger-Turnieren und Doppelkonkurrenzen. Ich war beeindruckt, wie hoch das Niveau war.»
Spielt er auf Sand?
«Ich muss zuerst mal durch Doha durchkommen, dann schauen, wie es in Dubai aussieht. Dann ein Monat Training, dann schauen wir, wie es in der Sandsaison aussieht. Das Jahr ist lang. Ich brauche noch viele Antworten, bevor ich weiss, wie die Sandsaison für mich aussieht.»
Wieder in vollen Stadien spielen
«Ich habe einfach das Gefühl, dass meine Karriere noch nicht vorbei ist. Ich werde herausfinden, wie mir das Leben auf der Tour jetzt noch gefällt, mit der Quarantäne, den Masken, dem schwierigen Reisen. Mit der Therapie, die noch nicht fertig ist. Ich hoffe, dass ich wieder um Turniersiege spielen kann. Und hoffentlich spiele ich genug lange, dass ich wieder volle Stadien sehen kann.»
Hat er noch Schmerzen?
«Ich habe viele Fragezeichen. Das ist normal. Wenn du von einer Verletzung zurückkommst, ist die grosse Herausforderung, deinem Körper wieder zu vertrauen. Du hast im Spiel keine Zeit nachzudenken. Der Gegner spürt es, wenn du nicht bei 100 Prozent bist. Ich fühle, dass ich auf einem guten Level bin. Aber noch nicht in Bestform. Wenn ich morgens aufwache, fühle ich mich recht gut. Die Schmerzen sind unter Kontrolle. Ich kann fünf Tage nacheinander zweieinhalb Stunden spielen. Es gibt viel Positives. Aber Matches sind etwas anderes. Wenn die Nerven dazukommen.»
Gab es Rücktrittsgedanken?
«Es ist normal, dass man in einem Jahr einige Diskussionen hat mit dem Team und der Familie mit der Frage: Wohin jetzt? Nach der ersten Operation war das Ziel, für Wimbledon bereit zu sein. Ich hatte keine Komplikationen erwartet, aber die kamen. Das Knie schwoll an, beim Spazieren, beim Velofahren. Ich verstand nicht, was los war. Denn zuerst waren die Fortschritte gross. Ich war down nach der zweiten OP, ich stellte alles in Frage. Wimbledon war abgesagt, und die Pandemie war stark. Aber ich wusste, egal, ob ich zurückkomme oder nicht – und dieses Ziel hatte ich –. ich wollte einfach gesund werden. Skifahren mit Kindern und Freunden, Fussball spielen, auch nach der Karriere. Aber ich wollte nicht mit dem Australian Open und dem Match in Afrika aufhören. Wenn mich das Knie monatelang beschäftigen würde, wäre klar, dass die Rücktrittsdiskussionen aufkommen würden. Aber nicht jetzt, frühestens im Herbst. Jetzt bin ich einfach froh, dass ich so weit gekommen bin mit meinem Team. Die Reha war für mich normal, auch wenn sie schwierig war. Denn ich will gesund sein. Es war eine Herausforderung, und ich mag diese.»
Tiefe Erwartungen
«Wenn ich hier in Doha ein paar Matches durchziehen kann, bin ich schon happy. Die Erwartungen sind sehr tief. Ich hoffe, ich kann mich überraschen. Die Leute denken, ich würde nur an Titeln gemessen. Aber das ist nun wirklich eine andere Situation.»
Seine Sorgen um das Knie
«Tennis ist wie Velofahren, das verlernt man nie. Wenn mich etwas beschäftigt, ist es das Knie. Ich hatte zwei Knie-OPs. Ich musste von null an beginnen, den ganzen Weg. Das ist der Anfang hier, und ich denke, die nächsten drei bis fünf Monate werden interessant. Wie reagiert das Knie, wenn ich weit fliege, wenn ich einige Tage hintereinander spiele, wenn ich harte Fights habe? Diese Antworten muss ich finden. Ich bin nicht sicher, dass das Knie hält, aber ich bin zuversichtlich, sonst wäre ich nicht hier.»
Das Knie diktiert
«Wenn du verletzt bist, verlängert das automatisch deine Karriere, sofern du nicht zurückgetreten bist. Das Knie wird diktieren, wie mein Comeback aussieht. Es ist sicher selten, einen 40-Jährigen auf der Tour zurückzusehen nach so langer Zeit. Es ist wichtig, dass ich schmerzfrei bin. Ich bin gespannt, wie es herauskommt.»
«Auf Rasen geht es erst richtig los»
«Mein Gefühl ist: Schauen wir mal, wie die Matches und Trainings gehen mit den besten Spielern, nicht nur mit Sparringpartnern. Ich muss danach weiter trainieren, schneller, fitter und besser werden. Ich hoffe, dass ich in Wimbledon bei 100 Prozent bin. Alles andere ist nicht so wichtig. In den letzten drei Wochen war ich zwar überrascht, wie gut es lief. Doch Matches sind anders. Momentan nehme ich Tag für Tag. Richtig losgehen wird es mit der Rasensaison.»
Tennis ohne Zuschauer
«Ich bin gespannt, wie es für mich sein wird. Ich hatte genug Zeit, Matches zu sehen ohne Fans. In den ersten Runden macht es keinen grossen Unterschied. Wir spielen auch viele Trainingsmatches. Aber ab dem Viertelfinal, wenn du um den Titel spielst, wird es schon sehr komisch sein. Um so viel zu spielen, und niemand schaut zu. Ich persönlich, ich bin einfach happy, wieder spielen zu können. Ich habe gehört, wir haben 2000 Leute hier in Doha. Das ist schon sehr gut. Auch wenn es nur 100 Leute sind, die können eine gute Stimmung machen.»
Bilder vom Training
Die ATP filmte Roger Federer bei seinem ersten Training am Samstag in Doha. Immer wieder trifft er Leute, die er schon lange nicht mehr gesehen hat. Als er auf den Court kommt, wird er mit Applaus begrüsst. «Das ist aber blau hier», sagt er, als er einen ersten Eindruck bekommen hat.
Die Tennniswelt zoomt sich nach Doha
Roger Federers erste Medienkonferenz seit seinen Knieoperationen wird von der ganzen Tenniswelt gespannt verfolgt. Wegen der Pandemie sind die Journalisten aus den verschiedensten Ländern per Video zugeschaltet. Auf einen ersten, internationalen Teil wird eine weitere Fragerunde in seiner Muttersprache sowie Französisch folgen, in der nur Journalisten aus seinem Heimatmarkt Schweiz zugeschaltet sein werden.
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