Roger Federer ist das falsche Feindbild
Roger Federer baut am Zürichsee eine Villa mit privilegiertem Zugang zum See. Eine Uferschutzorganisation mit Sitz in der Westschweiz ist empört. Doch in Rapperswil-Jona eckt Federer mit seinen Plänen nicht an. Das hat mehrere Gründe.
Es ist ein Traumgrundstück, das sich Roger Federer gekauft hat. 16000 Quadratmeter unbebautes Land direkt am Zürichsee. Doch das Land in der Kempratner Bucht, auf dem der Tennisstar schon bald bauen will, ist der letzte freie Bauplatz dieser Art am oberen Seeteil. Dass Roger Federer seinen Garten und damit den wunderschönen Badeplatz für die Öffentlichkeit zugänglich machen wird, ist eher unwahrscheinlich. Kein Wunder also, dass der Verein Rives Publiques nun wettert. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, dass die aus seiner Sicht «illegal verbauten Seeufer» wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Eine Forderung, die am Zürichsee längst bekannt ist. Seit vielen Jahren kämpfen im Kanton Zürich verschiedenste Organisationen und Politiker für einen Seeuferweg. Gestritten wird mit schon fast ritueller Regelmässigkeit auch über die aufgeschütteten Uferbereiche, das Konzessionsland. Endlich nun, so muss man den Kampf von Rives Publiques interpretieren, kann man quasi live zusehen, wie wieder ein Stück See hinter Hecken verschwinden wird. Ein Superpromi wie Roger Federer sei ein Steilpass für die Seekämpfer, könnte man meinen.
Doch der Steilpass entpuppt sich rasch als Eigentor. Roger Federer ist das falsche Feindbild. Federer ist weder ein osteuropäischer Oligarch, der auf undurchsichtigen Wegen zu Geld für eine Villa am See gekommen ist, noch ist er ein Steuerflüchtling, der seinen Lebensabend am Wasser geniessen will. Und schon gar nicht ist er ein reicher Erbschnösel, der schon mit goldenen Windeln auf die Welt gekommen ist. Federer, so die landläufige Meinung, hat sein Geld redlich verdient, schliesslich konnten ihm Herr und Frau Schweizer beim Kampf um den Tennisthron zusehen. Selbst Tennismuffeln geht ein «King Roger» leicht über die Lippen und sie haben irgendwann eingesehen, dass dieser Federer ein guter Botschafter für die Schweiz ist. Ganz egal, ob er Schokoladekugeln aus einer Fabrik – einer mit Seesicht immerhin – oder Kaffeemaschinen bewirbt. Und selbst wenn seine Familie und er in edlem Zwirn auftreten: Niemand präsentiert seinen Reichtum bodenständiger als Federer.
Wer also gegen Villenbesitzer mit Seezugang schiessen will, der wählt sich besser ein Feindbild aus, das sich hinter anonymen Mauern verschanzt. Von diesen Prunkhäusern gibt es auch am Zürichsee genug. Anonymer Reichtum von Leuten, die man nie im Dorf antrifft, wird in diesem Land nämlich nicht goutiert.
Den Kampf um freien Seezugang ausgerechnet in Rapperswil-Jona frisch zu lancieren, ist aber auch aus einem zweiten Grund aussichtslos. Es interessiert in der Rosenstadt schlicht niemanden. Denn die Rapperswil-Joner gehören rund um den Zürichsee zu den Privilegiertesten. Wer entlang des Sees spazieren will, wandert ins benachbarte Schmerikon. Über einen wunderschönen Holzsteg geht es nach Hurden und die malerische Altstadt verspricht rund um das Schloss Seesicht par excellence – ob auf Seehöhe oder vom Aussichtspunkt, der am See seinesgleichen sucht. Das unterscheidet das st.-gallische Rapperswil-Jona denn auch von den Zürcher Gemeinden am See. Dort beschränkt sich der Seezugang in Gemeinden ohne Uferweg meist auf ein Stück Land beim Schiffssteg und in der Badi. Kein Wunder, sehnt sich manch ein Zürcher nach mehr Seezugang.
In Rapperswil-Jona hingegen gab es diese Grundsatzdiskussion in den vergangenen Jahren nicht. Hier stritten die Stimmbürger vor ein paar Jahren viel eher darüber, ob man wirklich ein kleines Aussichtsplätzchen am See im Villenquartier von Kempraten realisieren möchte. Es war kein vorgezogener Kampf um mehr Seezugang, sondern nur ein finanzpolitischer. 750000 Franken für ein paar Bänkli und einen Kiesweg waren manchem Stimmbürger zu viel. Schliesslich, so der Tenor der Kritiker, gebe es am See ja ohnehin «Bänkli bis zum Abwinke». Realisiert wurde der Seezugang dann doch, auch weil clevere Köpfe an der Bürgerversammlung die richtigen Worte fanden. Ein Aussichtsbänkli an diesem Ort sei «wie ein Praliné», merkte eine Stimmbürgerin damals an.
Sie würde mit ihrem Votum auch in der jetzigen Debatte den Nagel auf den Kopf treffen. Beim Seezugang spielt nicht nur die Zahl der frei zugänglichen Kilometer eine Rolle, sondern auch die Qualität. Ein kleines Bijou ist manchmal viel mehr wert als die uferlose Freiheit.
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