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Roadtrip mit der Vespa
Zwei Italiener auf dem Weg nach Süden

Die Brüder Giuseppe und Fabio Guerriero fuhren mit ihren Vespas aus den 1950er- und 1960er-Jahren 2800 Kilometer durch Italien.
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Wenn Giuseppe Guerriero von seiner Leidenschaft erzählt, steckt das an. Giuseppes Leidenschaft sind alte Vespas. Angefangen hat es bei ihm schon als Jugendlicher, als er sein erstes Piaggio-Mofa umbaute und restaurierte. So richtig zündete die Liebe zu alten italienischen Zweirädern dann im Jahr 2004. Damals holte er die Lambretta seines Vaters aus Italien in die Schweiz und begann, sie zu restaurieren. «Ich habe einfach angefangen, alles auseinanderzunehmen, und habe alles sorgfältig fotografiert. So habe ich mir Schritt für Schritt alles selbst beigebracht», erzählt der 52-Jährige.

Und das war eine Menge: Heute weiss er über wirklich alles Bescheid, kennt die Schwachstellen aller Versionen und wie man sie behebt. Weil sich die Ständer schnell verbiegen, fertigt er eigene an. In seiner Garage repariert und restauriert er Vespas und lagert Unmengen an Ersatzteilen. «Ich muss sammeln. Ich gehe manchmal auf Märkte, und dann ist plötzlich ein Lenker oder eine Gabel mehr da. Mittlerweile habe ich rund fünfzehn Motoren zu Hause liegen. Die Mechaniker kommen schon zu mir, weil ich alles habe.»

Fast alles macht er selbst

Hauptberuflich ist Giuseppe Sanitärinstallateur. Der Sonntag gehört der Familie, der Rest seiner Freizeit den Vespas. In den letzten zwanzig Jahren hat er rund vierzig davon restauriert, eine vor zwei Jahren für seinen Bruder Fabio. «Ich habe sie von einem Freund von Giusi abgekauft. Es ist eine seltene GS 150 VS5 von 1961, in die man damals noch einiges investieren musste. Wir haben sicher hundert Stunden aufgewendet», sagt Fabio, für den es der Einstieg in die Vespa-Welt war.

Die alten Zweiräder kommen in ihrer Heimat gut an: «Ständig machten die Leute Fotos von uns und den Vespas und streckten ihre Daumen nach oben.»

Mit dieser ist er zu unserem Treffen gefahren. Giuseppe ist auf einer GS 150 von 1956 gekommen, von ihm grundlegend restauriert. Oder besser: vor dem Schrott gerettet. Beim Kauf war sie nur noch ein unfahrbarer Rosthaufen, für den Giuseppe 4900 Franken bezahlt hat. Nach der Restaurierung ist sie nun das Drei- bis Vierfache wert. Jedes Teil hat Giuseppe demontiert und revidiert, den Rahmen geschweisst und alles wieder auf Vordermann gebracht. Nur die Lackierarbeiten lässt er vom Profi machen, das wäre in seiner Garage nicht möglich.

Italien zum Fünfzigsten

Als die Vespa fertig war, stand Giuseppes 50. Geburtstag vor der Tür. Wie feiert man diesen als Vespa-Fan? Richtig: mit einer Vespa-Tour nach Italien. Ursprünglich sollten neben seinem Bruder Fabio noch vier Freunde mitfahren. «Die haben aber gekniffen. Jetzt reut es sie, dass sie nicht mitgefahren sind.»

Ein Halt in der Hauptstadt inklusive Fotoshooting vor den Wahrzeichen Roms durfte nicht fehlen.

Am 3. September 2022 ging es von Bern los, als Giuseppes frisch restaurierte Vespa nur gerade 300 Kilometer auf dem Tacho hatte. Die erste Etappe spulten die beiden allerdings mit dem Zug ab – bei dem starken Regen sollten Mensch und Maschine noch etwas geschont werden. Von Aosta bis Turin schwangen sich die beiden Brüder aus Niederwangen dann in den Sattel, ehe es noch einmal mit dem Miettransporter und den Vespas im Laderaum weiterging. Weiter in Richtung Süden, wohlgemerkt, um Strecke zu machen.

In Neapel luden die beiden ihre Vespas aus und nahmen die Reise wieder im Sattel auf – auf der Autobahn für etwa 40 Kilometer, bis Fabios Vespa den ersten von vier Kolbenklemmern erlitt. Als Problem machte Giuseppe schliesslich das vollsynthetische Öl aus, das dem Gemisch beigemengt war und der alte Zweitakter nicht vertrug. Also wechselten sie auf teilsynthetisches Öl, fetteten das Gemisch an und hatten fortan Ruhe. Um diesem Problem auch bei seiner Vespa für immer vorzubeugen, ist Giuseppe dabei, eine eigene Lambdaregelung zu verbauen. So kann er das Gemisch permanent überwachen. Eine gute Investition, weil die Kolben seiner Vespa nicht mehr hergestellt werden.

Der Weg ist das Ziel

Ein Abenteuer war der Trip auch ohne weitere Zwischenfälle. Einen Routenplan hatten die beiden nicht festgelegt. Manchmal entschieden sie erst abends, in welchem Hotel sie die Nacht verbrachten. Nur ein Besuch in ihrer Heimatstadt Avellino musste sein. Von Süditalien ging es die Amalfi-Küste hoch wieder in Richtung Rom. Dort wollten die Brüder Fotos ihrer Vespas vor dem Kolosseum machen. Leider herrscht dort Fahrverbot. «Also haben wir unsere Vespas einfach durch die Fussgängerzone bis zum Kolosseum geschoben», berichtet Fabio. Nicht nur dort waren die Freude und das Staunen der Passanten immens. «Ständig machten die Leute Fotos von uns und den Vespas und streckten ihre Daumen nach oben.»

Die Brüder teilen sich die Leidenschaft für die alten Zweitakter und wollen sie an die nächste Generation weitergeben.

Bis Pisa spulten die beiden Vespa-Fans auf ihren Gefährten ganze 480 Kilometer am Stück ab. Das muss man doch in den Knochen spüren? Nicht, wenn man bereits so viel Erfahrung im Sattel hat wie Giuseppe: «Die Gran Sport hat eine super Geometrie, darauf kann man sehr bequem sitzen.» Fabio auf der anderen Seite, der erst im März 2022 das erste Mal auf einer Vespa gesessen hatte, fiel das Sitzen zum Schluss nicht mehr ganz so leicht. Zum Schluss, das war am 15. September letzten Herbst nach insgesamt 2800 Kilometern im Vespa-Sattel. Fabio hat unterwegs Aufkleber der wichtigsten Stationen gesammelt, die nun als Erinnerung seine Vespa zieren und eine Geschichte erzählen.

Giuseppe Guerriero will das Vespa-Fieber unbedingt weitergeben. Seinem Sohn hat er zum 18. Geburtstag ebenfalls eine selbst restaurierte Vespa geschenkt, grau lackiert mit schwarz-weiss kariertem Rallyestreifen. Noch brauche sein Sohn etwas Überzeugung für das Hobby. Aber: «Er hat einen Job bei der MFK, das könnte vielleicht noch ganz praktisch werden», lacht Giuseppe. Für Fabio hat er den Rahmen einer Vespa Sprint von 1971 gekauft, die er zurzeit wieder aufbaut. Bis spätestens nächstes Jahr im April soll sie fertig werden. «Dieses Wochenende wird der Rahmen geschnitten. Der Motor liegt schon bereit!»

Dieser Artikel stammt aus der «Automobil-Revue» – www.automobilrevue.ch.

Fabio Guerriero hat unterwegs Aufkleber der wichtigsten Stationen gesammelt, die nun als Erinnerung seine Vespa zieren.