Friedensprozess in AfghanistanRivalen teilen sich die Macht
Präsident Ashraf Ghani und sein Widersacher Abdullah Abdullah einigen sich nach monatelangem Streit. Die neue Regierung soll den Frieden mit den Taliban befördern.
Nach monatelangem Stillstand kommt Bewegung in den afghanischen Friedensprozess. Präsident Ashraf Ghani und sein Rivale Abdullah Abdullah einigten sich am Sonntag in Kabul darauf, ihren Streit beizulegen. Abdullah wird das Gremium leiten, das Friedensgespräche mit den Taliban führen soll. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentenwahl im Februar hatte der unterlegene Abdullah das Resultat nicht akzeptiert und sich in einer parallelen Zeremonie genau wie Ghani als Präsident vereidigen lassen.
Das Tischtuch zwischen den beiden Männern, die in der vergangenen Amtszeit nach einer harten diplomatischen Intervention der USA gemeinsam einer Regierung der nationalen Einheit angehört hatten, galt als zerschnitten. Nun soll diese Einheitsregierung mit neuen Rollen wieder zusammentreten. Wie der afghanische Nachrichtensender Tolonews berichtete, soll Abdullahs Lager die Hälfte der Kabinettsposten besetzen.
Das bisher herrschende politische Chaos in Kabul war ein zentrales Hindernis für innerafghanische Friedensgespräche mit den Taliban. Die Einigung nährt nun die Hoffnung, den festgefahrenen Prozess in Gang zu bringen, um den fast 20 Jahre anhaltenden Krieg zu beenden. Ghani und Abdullah «werden eng miteinander kooperieren und zusammenarbeiten», sagte Ghanis Sprecher Sediq Sediqqi – ein Satz, der vor einigen Tagen noch als unrealistisch galt. Die Regierung hoffe nun auf einen Durchbruch im Friedensprozess, sagte Sediqqi.
Der unabhängige Beobachter Ahmed Rashid erklärte, die Vereinbarung markiere «einen Schritt nach vorn, aber wir müssen erst noch abwarten, ob sie hält und nicht kollabiert, bevor die Arbeit aufgenommen wird». Ghani geht in seinem Bemühen, den politischen Rivalen wieder in die Regierung einzubinden und ihm den Friedensprozess mit den Taliban anzuvertrauen, ein Wagnis ein: Als ehemaliges Mitglied der Mujahedin steht Abdullah den Taliban diametral entgegen – die beiden Gruppierungen gelten als extrem verfeindet.
Abkommen zwischen USA und Taliban
Abdullah war enger Vertrauter des Mujahedin-Anführers Ahmad Shah Massoud, der zwei Tage vor den Anschlägen des 11. September 2001 von zwei Al-Qaida-Attentätern ermordet wurde. Die Taliban waren mit al-Qaida verbündet und gewährten deren Anführer Osama Bin Laden Schutz – der zentrale Grund für die USA, in Afghanistan einzumarschieren. Für viele Afghanen bedeutet die Vereinbarung zwischen Ghani und Abdullah zumindest wieder ein wenig Hoffnung auf ein Ende des Krieges in ihrem Land.
Die USA hatten sich Ende Februar in Doha mit den Taliban auf einen schrittweisen, an Bedingungen geknüpften Abzug aus Afghanistan geeinigt. Demnach sollen die westlichen Truppen bis Ende April 2021 Afghanistan verlassen. Die Taliban sollen sich im Gegenzug mit der Regierung aussöhnen und die Garantie abgeben, dass von afghanischem Territorium künftig keine Terrorgefahr mehr ausgehe. Die Taliban hatten durchgesetzt, dass die Regierung Ghani von den Friedensgesprächen in Doha ausgeschlossen blieb.
Durch ihr bilateral mit den USA geschlossenes Abkommen haben sie den Preis für den innerafghanischen Frieden in die Höhe treiben können. Denn die Regierung Ghani muss nun unter Zeitdruck einen Frieden aushandeln. Viele Beobachter in Kabul gehen davon aus, dass US-Präsident Donald Trump im Wahljahr unbedingt sein Versprechen einhalten will, die amerikanischen Truppen aus Afghanistan nach Hause zu holen – unabhängig vom Stand der innerafghanischen Friedensgespräche.
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