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Gletschergrotten für Touristen
Sie betreiben einen Riesenaufwand, um ihre Gletscher-Attraktionen zu erhalten

Die Tage der Gletschergrotte am Rhonegletscher sind gezählt – eine fast 200-jährige Ära geht damit zu Ende.
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Das historische Hotel Belvedere am Furkapass wirkt ausgestorben: Die Fenster verriegelt, das Restaurant leer. Trotzdem wimmelt es auf dem Parkplatz von Touristen. Sie alle strömen zur gegenüberliegenden Seite, wo sie Ansichtskarten und Souvenirs, Sandwiches und Getränke kaufen können. Zuhinterst im Shop sitzt eine Frau und kassiert Eintritte. Neun Franken kostet das Ticket in die Gletscherwelt, die es hier zu bestaunen gibt – zumindest, solange es der Klimawandel noch zulässt.

Über einen Pfad, den Bauarbeiter in den Granit geschlagen haben, gelangen die Touristen am Gletschersee vorbei zur Gletscherzunge. An mehreren Stellen ist das Eis schon eingebrochen. Die Grotte verbirgt sich gut vor der Sonne geschützt unter dickem Vliesstoff. Philipp Carlen, von der Familie Carlen, welche die Gletschergrotte bereits in vierter Generation betreibt, zeigt auf einen kleinen Holzsteg, der erst kürzlich angelegt wurde. «Bis hierhin reichte der Gletscher im Frühling vor einem Jahr», sagt er. Jetzt ist der Eingang 15 Meter weiter hinten.

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Mit viel Aufwand wurde die Grotte in den vergangenen Jahren erhalten. In diesem Jahr wird sie wohl zum letztem Mal betrieben.
Philipp Carlen steht an der Stelle, an der im Frühling 2022 der Gletscher mit dem Zugang zur Eisgrotte war.
«200 Jahre alt ist das Eis an dieser Stelle»:  Philipp Carlen führt durch die Gletschergrotte.

Carlens Urgrossvater hatte 1830 die Idee für eine Gletschergrotte am Rhonegletscher und schuf damit eine Tourismusattraktion, die vielfach kopiert wurde: Saas-Fee, Zermatt und auch die Jungfrau-Region setzen auf das Erlebnis im ewigen Eis. Doch mit den steigenden Temperaturen steigt auch der Aufwand, diese Attraktionen zu erhalten. 

Schneeberge sollen den Eispalast konservieren

Am Rhonegletscher könnte es schon in diesem Jahr die letzte Möglichkeit sein, das bläulich schimmernde Eis zu bestaunen. Carlen führt durch den Tunnel, den sechs Bauarbeiter im Frühling während vier Wochen ins Eis gehauen haben. Von oben tropft das Wasser, dann ist der Stoff zu sehen, der das Eis vor der starken Höhensonne schützt. «Vielleicht hält die Grotte nicht bis zum Ende der Saison», sagt Carlen. Ob im nächsten Jahr an einem neuen Standort ein Tunnel ins Eis geschlagen wird, ist mehr als unsicher. «Müssten wir die Eisgrotte aufgeben, ginge ein Stück Alpingeschichte zu Ende», sagt Carlen.

Etwa 60 Kilometer Luftlinie entfernt liegt das Oberwalliser Dorf Saas-Fee. Die Gletscher, deren Reste auch heute noch vom Dorf aus zu sehen sind, waren schon immer die Hauptattraktion der Tourismusdestination. Per Seilbahn und Metro gelangt man vom Dorf bequem bis auf über 3500 Meter mitten in die Gletscherwelt. Doch auch hier zeigt sich der Klimawandel. «Die Veränderungen in den Bergen werden für die Touristiker immer mehr zur Herausforderung», sagt Nicolas Bodenmüller von den Saastal-Bergbahnen.

Denn auch der Aufwand, die Eisgrotte auf diesem Gletscher offen zu halten, wird immer grösser. Damit das Eis nicht schon im August abschmilzt, wurde es mit einer mehrere Meter dicken Schneeschicht zugedeckt. In kalten Nächten produziert eine Schneekanone auch den Sommer hindurch zusätzlichen Schnee zur Isolation.

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Heute ist vom Gletscher nichts mehr zu sehen.
Das Hotel Belvedere am Furkapass 1908.
Heute ist vom Gletscher nichts mehr zu sehen.

Trotz des riesigen Aufwands kommt es immer wieder zu Wassereinbrüchen. Schmelzwasser dringt von oben in die Grotte. Mit Heizkabeln werden dann Löcher ins Eis gebohrt, um das Wasser abzuleiten. Wie lange man den Gästen das ewige Eis noch präsentieren könne, sei schwierig einzuschätzen, heisst es bei den Bergbahnen.

Nochmals 300 Höhenmeter weiter oben liegt der Gletscherpalast von Zermatt. 2008 eröffneten die Bergbahnen einen neuen Zugang auf fast 4000 Metern. 8 Millionen Franken kostete unter anderem der Bau eines 15 Meter tiefen Liftschachts, durch den Gäste nun direkt in das Eis des Theodulgletschers eintauchen können. Doch irgendwann wird auch diese Attraktion dem Klimawandel zum Opfer fallen. 

Die Tourismusregionen konnten für die Ausflüge ins ewige Eis viel Geld verlangen. 120 Franken kostet die Fahrt aufs Klein Matterhorn, inklusive Besuch im Gletscherpalast; 50 Franken die Fahrt von Saas-Fee aufs Mittelallalin, inklusive Eintritt in den Eispavillon.

Lüftung und Kältemaschine erhalten Eiswelt 

Für 107 Franken kommt man von Grindelwald aufs Jungfraujoch. Dort unterhalten die Jungfraubahnen ebenfalls einen Eispalast – mit riesigem Aufwand: Seit 2018 sorgen zwei neue Kältemaschinen und eine Wärmepumpe für die nötige Kühlung. Um das Ganze nachhaltiger zu gestalten, wird die Abwärme unter anderem zum Beheizen des Restaurants verwendet. Bereits vor ein paar Jahren hat das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern untersucht, wie sich der Klimawandel auf den Tourismus auswirken wird. Dabei hielten die Forscher fest, dass die Branche ein wichtiger Verursacher von CO₂-Emissionen sei, gleichzeitig aber auch zentral davon betroffen. «Deshalb ist der Tourismus aufgerufen, eine aktive Klimapolitik zu betreiben», heisst es in der Studie. 

Die Branchenvertreter haben sich dazu verpflichtet, ihren CO₂-Ausstoss zu senken. So betreibt Saas-Fee zum Beispiel intensiv Snowfarming, um den Energieverbrauch durch Schneekanonen zu senken. In tiefen, in den Schnee gezogenen Furchen wird Schnee gesammelt, der sonst vom Wind weggeweht werden würde. 
Die meisten Tourismusorte setzen indes bereits auf neue Attraktionen, die nicht im Eis liegen.

Auch Philipp Carlen hat am Furkapass bereits die Weichen für die Zukunft gestellt. Ein Gletschererlebnispfad bringt den Menschen die Veränderungen näher, die der Klimawandel hervorruft. Später soll vielleicht auch der Gletschersee touristisch genutzt werden.