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Alba-Festival abgesagt
«Balkan-Community wird zum Sündenbock gestempelt»

2019 besuchten jeden Tag 10’000 Personen das Alba-Festival.
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Über 20’000 Besucherinnen und Besucher wurden zum Alba-Festival am kommenden Wochenende auf dem Hardturmareal erwartet. Aufgetreten wären Musiker und Musikerinnen wie Dhurata Dora und Elvana Gjata – in der albanischen Community sind sie Stars, ihre Videos werden auf Youtube millionenfach angesehen.

Nun, nur zwei Tage vorher, hat der Zürcher Regierungsrat den Veranstaltern die Bewilligung entzogen. Er bedauere diesen Schritt, teilte der Regierungsrat am Donnerstagnachmittag mit. In Anbetracht der Umstände sehe er aber keine Alternative zur Absage der Grossveranstaltung.

Tiefe Impfquote in albanischer Community

Zwei Gründe nennt die Regierung. Erstens sei die epidemiologische Situation besorgniserregend. Die Belastung des Gesundheitswesens habe zugenommen und nähere sich der kritischen Grenze. Eine Grossveranstaltung wie das Alba-Festival führe zu einer zusätzlichen Belastung der Spitäler, die man vermeiden wolle.

Aussergewöhnlich ist der zweite Grund: Das Alba-Festival richte sich primär an eine «stark betroffene Community». Ferienrückkehrer aus dem Balkan haben sich überdurchschnittlich oft mit Corona infiziert. Entsprechend haben auf den Intensivpflegestationen überdurchschnittlich viele Patienten einen Bezug zum Balkan.

Der Regierungsrat schliesst daraus, «dass die Impfquote in dieser Bevölkerungsgruppe zu tief ist, um in der derzeitigen epidemiologischen Lage eine solche Grossveranstaltung verantworten zu können». Die Regierung erachte es als ihre Fürsorgepflicht, dem erhöhten Ansteckungsrisiko in dieser Bevölkerungsgruppe entgegenzuwirken und diese zu schützen.

Am Alba-Festival 2019 war der Doppeladler präsent.

Veranstalter will Entscheid juristisch prüfen

Die Verfügung wurde den Veranstaltern nach einer mündlichen Vorinformation am Donnerstagnachmittag zugestellt. Der Entscheid wäre innert 30 Tage vor dem Verwaltungsgericht anfechtbar.

Die Veranstalter teilten in einer kurzen Stellungnahme mit, dass sie die Absage zur Kenntnis genommen hätten und die Lage juristisch überprüften. Organisator Adem Morina wollte sich am Abend auf Anfrage nicht weiter äussern und verwies auf eine für Freitag geplante Medienkonferenz.

Festivalpässe kosteten 150 Franken, wie Käufer entschädigt werden, ist unklar. Auf öffentliche Gelder können die Veranstalter jedenfalls nicht hoffen: Gemäss Regierungssprecher Andreas Melchior sieht die Covid-19-Verordnung für solche Fälle keinen Anspruch auf Schadenersatz vor. Gesuchsteller würden darauf aufmerksam gemacht, dass die Bewilligung entzogen werden könne und in diesem Fall keine Ansprüche gegenüber dem Staat entstünden.

Grosse Enttäuschung unter Albanern

In der albanischen Community sei die Enttäuschung über die plötzliche Absage des Festivals riesig, erklärt Përparim Avdili, Stadtzürcher FDP-Gemeinderat. Das Aus für das Festival sei sehr ärgerlich, sagt der Politiker mit Wurzeln auf dem Balkan. «Das ist krass für die Organisatoren.»

Diese hätten alles unternommen, um einen Grossanlass mit Covid-Schutzmassnahmen auf die Beine zu stellen inklusive Zelt für Impfungen. Bitter sei das Aus auch für die vielen jungen Leute, die endlich wieder einmal bei einem Festival gute Musik und die Freiheit geniessen wollten. Viele von ihnen hätten sich im Hinblick auf diesen Grossanlass impfen lassen und müssten jetzt feststellen: Es reicht immer noch nicht.

Stigmatisierung einer Bevölkerungsgruppe?

Andererseits sei er auch nicht sehr überrascht vom Entscheid des Regierungsrats, sagt Avdili weiter. Die drohende Überlastung der Spitäler sei ein nachvollziehbarer Grund. Was ihn störe, sei die Begründung und der explizite Bezug zur Balkan-Community, die so zu einer Art Sündenbock gestempelt werde.

Unnötig findet Avdili das. «Die Regierung hätte es dabei bewenden lassen können, auf die angespannte Situation in den Spitälern hinzuweisen, ohne einen solchen Bezug zur Balkan-Community herzustellen.»

Damit werde der Stigmatisierung der albanischstämmigen Bevölkerung weiter Vorschub geleistet. Die Stimmung dort sei wegen der Impffrage ohnehin schon angespannt, diese Begründung trage wenig dazu bei, die Stimmung zu verbessern. Und vor allem: «Wenn nun ähnliche Veranstaltungen in dieser Grössenordnung im Kanton bewilligt werden, dann ginge das in Richtung Diskriminierung», sagt der FDP-Politiker.

«Ganz sicher nicht diskriminierend»

Es handle sich ganz sicher um keinen rassistischen oder diskriminierenden Entscheid, sagt Regierungssprecher Melchior. Er sei nicht aufgrund der Herkunft der Besucher gefällt worden, sondern aufgrund der epidemiologischen Faktoren – «diese könnten genauso gut auf eine andere Community zutreffen».

Grossveranstaltungen sind seit dem 26. Juni grundsätzlich wieder möglich. Seither ist nun erstmals im Kanton Zürich eine Bewilligung aufgrund der epidemiologischen Lage widerrufen worden. Seit Ende Juni seien rund 100 Bewilligungen ausgestellt worden, sagt Melchior, oft für Anlässe mit 1000 bis 3000 Besucherinnen und Besuchern.

6000 Schwingerfreunde in Kilchberg

Eine so grosse Veranstaltung wie das Alba-Festival, mit sich frei bewegenden Menschenmassen, sei aber ein Einzelfall. Beim anstehenden Leichtathletikmeeting «Weltklasse Zürich» beispielsweise werden ebenfalls 20’000 Menschen erwartet – «aber mit festen Sitzplätzen und damit unter ganz anderen Voraussetzungen», sagt Melchior.

Und wie steht es um den Kilchberger Schwinget von Ende September, werden die Behörden die Impfquote unter den bis zu 6000 Schwingerfreunden thematisieren? Man gebe keine Auskunft zu einzelnen Veranstaltungen, so der Regierungssprecher. Grundsätzlich seien im Moment keine weiteren Anlässe geplant, bei denen die kritischen Faktoren auf diese Weise zusammenkommen würden wie beim Alba-Festival. «Stand heute sind alle weiteren bereits bewilligten Veranstaltungen auch durchführbar.»

Dass Veranstalter künftig aber mit derart kurzfristigen Absagen rechnen müssen, kann Melchior nicht ausschliessen. «Selbstverständlich versuchen wir, frühzeitig zu kommunizieren. Alles andere wäre unfair.»