Fristenstillstand bei WahlenRegierungsrat bringt Gemeinden mit Wahlstopp in die Bredouille
Unterschriften für Initiativen sammeln: verboten. Kandidaten für Wahlen suchen: verboten. Die jüngste Entscheidung des Regierungsrats sorgt für Kritik.
Als würde das öffentliche Leben momentan nicht schon genug stillstehen, hat der Zürcher Regierungsrat nun auch das politische Leben in den Gemeinden fast vollständig zum Erliegen gebracht. Zwar dürfen Gemeindeparlamente unter Auflagen noch tagen, doch bei kantonalen und kommunalen Volksbegehren und Wahlen hat der Regierungsrat «Fristenstillstand» beschlossen.
Das heisst konkret: Die Wahlverfahren werden auf den Stand vom 21. März zurückgesetzt – egal, ob dann kurz zuvor die Kandidatensuche begonnen hat oder ob noch diese Woche just die Frist für eine stille Wahl zustande gekommen wäre. Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) sagt, die harten Massnahmen seien nötig, um am obersten Ziel – der Gesundheit der Bevölkerung – festzuhalten. «Man muss jetzt nicht ohne Not fünfzehn Unterschriften für ein Mandat sammeln gehen.» Und auch die Behördentätigkeit selber müsse in Zeiten von Homeoffice nicht zusätzlich belastet werden. Man habe eine kantonsweit einheitliche Regelung getroffen, um Klarheit zu schaffen, sagt Fehr – das sei notwendig, auch wenn es in einzelnen Gemeinden zu Kritik führe.
Der Fristenstillstand dürfte kantonsweit Dutzende Gemeinden betreffen – nicht nur, weil auch die angesetzten Urnengänge für Wahlen am 17. Mai wie etwa jene für die Schulpflege in Hombrechtikon abgesagt wurden. Drei Beispiele am Zürichsee zeigen exemplarisch, welche Folgen der Wahlstillstand hat:
Uetikon: Ein Wahlvorschlag, der keiner ist
Finanzvorstand Hans Gantner (FDP) ist Anfang März von Uetikon nach Egg gezogen. Der 74-Jährige hat deshalb seinen Rücktritt erklärt. Seit dem 20. März läuft die Frist für die Nachfolgesuche – mit Erfolg, wie Gemeindepräsident Urs Mettler (parteilos) sagt. Am Donnerstag ging nämlich der erste Wahlvorschlag bei der Gemeinde ein, ein zweiter wäre laut Mettler wohl in Kürze eingetroffen. Das alles ist nun Makulatur. Sehr zum Ärger von Mettler: «Dass man momentan keine Wahlen durchführen kann, ist klar.» Die Fristen hätte man aber aus seiner Sicht dennoch weiterlaufen lassen können: «Trotz Corona ist es kein Problem, die nötigen fünfzehn Unterschriften für eine Kandidatur zu sammeln.» Der Schritt des Regierungsrates ist für ihn ein unnötiger Eingriff in die Gemeindeautonomie.
Oberrieden: Kurz vor dem Ziel gestoppt
Bis und mit diesen Freitag wäre in Oberrieden die gesetzliche zweite Frist für die Ersatzwahl eines Schulpflegers gelaufen. Während der ersten Frist hatte sich nur FDP-Mann Michael Hess als Kandidat gemeldet. In der zweiten siebentägigen Frist hätten sich bis zum Freitag noch Nachmeldungen ergeben können – diese wären nun ungültig. Doch auch in Oberrieden gilt: Die Wahltermine werden neu publiziert werden müssen, wie es bei der Gemeindeverwaltung heisst. Weil die Verordnung des Regierungsrates rückwirkend gilt, läuft nach der Corona-Pandemie noch einmal während kurzer Zeit die ordentliche erste Frist für Wahlvorschläge weiter. Trotz Wahlsperre hört man im Dorf schon jetzt: Gut möglich, dass Michael Hess dann nicht mehr allein kandidiert.
Richterswil: Wann gewählt wird, ist ungewiss
In Richterswil verzögert sich die Wahl eines neuen Schulpräsidenten, weil die Gemeinde gar nicht erst mit der Kandidatensuche beginnen darf. Zwar hat Markus Oertle (SP) seinen Rücktritt längst bekannt gegeben, doch um die Wahlen wie geplant am 21. Juni durchführen zu können, fehlt nun schlicht die Zeit. Allein die Frist, in der sich Kandidaten melden können, dauert vierzig Tage. Gemeindeschreiber Roger Nauer hat befürchtet, dass die Wahl verschoben werden muss: «Der Bundesrat hat klargemacht, dass die freie Meinungsbildung unter den aktuellen Umständen nicht möglich ist.» So könnten sich etwa Parteien gar nicht richtig auf Kandidatensuche machen. «Ideal wäre gewesen, wenn der Nachfolger von Markus Oertle sein Amt auf Beginn des Schuljahres hätte antreten können», meint Nauer. Das sei nun nicht möglich. Die frühsten Wahltermine, die infrage kämen, wären Ende August oder im September.
«Gemeinden müssen auf die Zähne beissen»
Dass sich die Gemeinden teilweise ärgern, kann auch die Regierungsrätin nachvollziehen. Besonders dann, wenn in Behörden im Einzelfall auch Mehrbelastungen entstehen. Aber: «Gerade Unternehmen haben mit der jetzigen Situation mehr zu beissen», sagt Fehr mit Blick auf die schwierige wirtschaftliche Situation. «Im Einzelfall müssen die Gemeinden halt jetzt auch auf die Zähne beissen.»
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