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30 Jahre Pride
Nach dem Umzug: Grossandrang auf die Landiwiese

Bunt, laut, schrill: Die Pride rollte durch Zürich.

Regenbogenfahnen überall: In einem bunten Umzug zogen am Nachmittag Tausende queere Menschen sowie Sympathisantinnen und Unterstützer vom Helvetiaplatz durch die Stadt. Sie feierten ihre Lebensart und demonstrierten gleichzeitig für die Anerkennung nonbinärer Geschlechtsidentitäten und unüblicher Formen von Beziehungen.

Über 100 Gruppierungen und Firmen haben am 30-Jahr-Jubiläum der Pride teilgenommen. Nach rund drei Stunden kam der Umzug auf der Landiwiese an, wo Bars, Essensstände und Livemusik auf die Menschen warten.

Alles, was Sie sonst zur Pride wissen müssen, finden Sie hier.

Bilanz der Polizei: Neun Personen festgenommen

Die Demonstrationen im Rahmen der Zurich Pride verliefen grundsätzlich friedlich, wie die Stadtpolizei Zürich gegen Abend mitteilte. Allerdings wurden neun Personen vorübergehend festgenommen. Sechs Schweizer und ein Deutscher im Alter zwischen 19 und 33 Jahren aus der rechtsextremen Szene, die unter anderem mit einem Motorboot im Seebecken unterwegs waren, wurden für weitere Abklärungen in eine Polizeiwache gebracht. Sie hatten homophobe Transparente dabei und brachten mit einer Drohne homophobe Flyer in Umlauf.

Ein 39-jähriger Afghane und ein 23-jähriger Eritreer, die sich gegenüber den Demonstrationsteilnehmenden störend verhielten, wurden ebenfalls vorübergehend festgenommen, wie die Polizei mitteilte. Drei weitere Personen wurden weggewiesen. (SDA)

Der Ansturm ist vorbei, das Fest kann beginnen

Umzugsteilnehmende ruhen sich am Rand der Landiwiese aus. Doch der Andrang ist gross.

Nach einer halben Stunde beruhigt sich die Lage langsam. Der grosse Ansturm ist vorbei, die Menschen haben sich verteilt. Wer ein Plätzchen findet, lässt sich am Rand der Landiwiese nieder.

Doch viel Ruhe gibt es nicht, das Gelände ist vor allem zu den Bühnen und Bars hin gut gefüllt. Die Feier soll noch bis tief in die Nacht weitergehen.

Wir verabschieden uns damit von der Pride und danken fürs Mitlesen.

Landiwiese am Limit

Die Pride geht nun bis in die Nacht hinein weiter mit Bars, Ständen und Musik. Allerdings ist der Andrang grösser als erwartet. Auf dem Weg zur Landiwiese herrscht Verkehrschaos. Die Polizei probiert mehrmals, die Leute dazu zu bringen, nicht über die Parkplätze zu laufen, sondern auf dem Trottoir oder auf der (für den Umzug gesperrten) Strasse.

Am Eingang zum Gelände hat sich ein Stau gebildet. Etliche Personen berichten davon, dass sie keine Internetverbindung mehr haben, da die Antennen überlastet sind. Was das Chaos noch verstärkt: Viele fahren jetzt von der Landiwiese nach Dübendorf, um Troye Sivan, ein australischer Sänger, der besonders in der queeren Szene bekannt ist, live zu sehen. Zuletzt war er vor sechs Jahren in Zürich. Einige sind frustriert, dass er genau an diesem Wochenende nach Zürich kommt. «Ich habe zwar ein Ticket, aber ich weiss nicht, ob ich gehe. Es isch eifach z viel», sagt jemand.

Der Umzug ist zu Ende

Der Umzug ist zu Ende, die Wagen werden abgebaut. Die Menge strömt auf die Landiwiese. Leider ist es zum Baden zu kalt, einige Personen tauchen ihre Füsse ins Wasser. Die Stimmung ist anfangs ausgelassen und entspannt, die meisten sitzen in Gruppen auf dem Rasen und hören Musik.

Der Umzug sei super gewesen, sagt eine Teilnehmerin. Besonders die Vielfalt an Gruppierungen und Personen mit ganz unterschiedlichen Anliegen hätten ihr sehr gefallen. Und das Wetter «war wie der 6er im Lotto»: Kein Regen, leichte Brise, Sonnenschein: «Was will man mehr?»

Viele Zuschauerinnen und Zuschauer

Der Umzug zieht viele Zuschauerinnen und Zuschauer an. «Ich möchte Solidarität zeigen, aber Demos überfordern mich», sagt eine Person, die eine Regenbogenflagge trägt. Andere sitzen mit Kindern und Hunden auf dem Boden und essen Zvieri. Ein Mann verkauft währenddessen handgemachte Armbänder. Es laufe gut für ihn, sagt er.

Die Armee ist auch da – oder zumindest ein Teil davon

Die QueerOfficers.

Der Verein QueerOfficers ist, samt originalem Militär-Wagen aus den 40er-Jahren, auch vor Ort. Es sei wichtig, zu zeigen, dass es auch queere Personen in der Armee gibt, da immer noch viel Angst herrsche, sagt ein Mitglied. «Homosexualität ist innerhalb der Armee fast nie ein Problem. Und wenn es ein Problem ist, ist es uns ein grosses Anliegen, dieses zu lösen.» Er habe auch schon von non-binären Menschen gehört, die Teil der Armee sind.

Die Reporterin auf dem Wagen

Reporterin Sepinud Poorghadiri wird auf einen Wagen gezogen.

Die Reporterin hat es mittlerweile auf einen der Wagen geschafft. Die Stimmung sei ansteckend und gleiche einer sommerlichen Fete, schreibt sie. Der Wagen von l’Oréal wolle «Liebe und Schönheit in all ihren Formen feiern», sagt eine Mitarbeiterin. Alle Mitarbeitenden zeigen sich in pinken Outfits.

Der Mann mit den Flügeln

Beat Näf trägt riesige Flügel.

Eines der auffälligsten Outfits trägt Beat Näf. Er sei nicht Teil einer Gruppierung, möchte aber als Privatperson auf die Wichtigkeit von Jesus für viele queere Personen aufmerksam machen. «Viele Leute in der Community wurden von der Religion sehr verletzt.» Er möchte zwischen Religion und Jesus differenzieren. «Jesus verurteilt nicht.»

Von Menschen und «Hunden»

Zwei Poppies und ihr Meister.

Teil des Umzugs sind auch in Leder gekleidete Männer, die sogenannten Puppies. Das müsse nicht zwingend queer sein, sagen sie, ist es aber in ihrem Fall. Zu zweit bilden sie ein Rudel, das vom jeweiligen «Besitzer» geführt wird. Sie jaulen und heulen, was das Zeug hält.

Die Vorurteile gegen Polyamore

Das Polykül wollte mit ihrer Flagge und ihrem Teilnehmen am Umzug auf die Existenz polyamor lebenden Personen aufmerksam machen. Hier zu sehen sind einige Beziehungspersonen, die Teil des Polyküls sind, sowie deren Freundinnen und Freunde.

Obwohl die diesjährige Pride im Zeichen der Beziehungsvielfalt steht, und die rechtliche Absicherung sowie Anerkennung der Polyamorie explizit Teil der Forderungen sind, sieht man nur wenige Polyamorie-Flaggen. Und offenbar ist auch kein Poly-Verein dabei.

Eine der Polyamorie-Flaggen wird von einem sogenannten Polykül getragen, also einer Gruppe Personen, die alle miteinander in einer Beziehung sind. «Das ist meine Freundin, das ist mein Freund, das ist die Freundin meiner Freundin», sagt Johnny, die mitläuft.

«Ich glaube, das liegt auch daran, dass wir innerhalb der Community mit Vorurteilen kämpfen müssen. Viele sagen, wir seien gar nicht queer, da auch Hetero-Personen in polyamorösen Beziehungen sind. Aber wir verstehen uns meistens schon als queer und deswegen sind wir auch hier.»

«Anticapitalisti» rufen die «Queers for Palestine»

Die «Queers for Palestine» bilden einen Block von vielleicht dreissig Personen im Umzug. Die Stimmung bei ihnen hat eher was von einem Streik. Viele tragen die schwarz-weissen Keffieh-Tücher. «Anti, anti, anticapitalista!», schreien sie durch Megaphone. «Die Schweiz finanziert einen Genozid», rufen andere.

Eine Teilnehmerin sagt, sie hätten bisher keinerlei negative Reaktionen oder Widerstand von anderen erlebt. Weiter vorne seien im Umzug ein paar Personen mit der Israel-Flagge unterwegs, aber einen Zwischenfall gab es bisher keinen, sagt sie.

Störaktion von Rechtsextremen

Die rechtsextreme Gruppe «Junge Tat» hat eine Störaktion durchgeführt. Per Drohnen hat sie Flyers über die Teilnehmenden fallengelassen, auf denen sie zu «Remigration» aufrief. Der Vorfall der Rechtsextremisten, hervorgegangen aus der Winterthurer «Eisenjugend», dauerte knapp eine Viertelstunde.

Bunt und schrill muss es sein

Lady Gaga statt Fussball

Die Schweiz hat soeben das 1:0 erzielt gegen Ungarn. An der Pride ist das kein Thema, niemand bekommt vom Tor etwas mit. Lady Gaga dröhnt über allem.

Kommerzialisierung – oder Solidarität mit queeren Mitarbeitenden?

Starbucks-Mitarbeiterinnen laufen aus Solidarität mit…

Mit im Umzug sind auch Gruppen aus Firmen, etwa Starbucks. Eine Teilnehmerin vom Starbucks-Block sagt, dass sie es, trotz Kritik an der Kommerzialisierung, wichtig findet, dass grössere Unternehmen dabei sind. «Wir helfen, Sichtbarkeit zu schaffen. Und queere Leute arbeiten ja auch bei grossen Firmen.»

Ähnlich äussert sich jemand aus dem BMW/Mini-Cooper-Block: «Wir sind für unsere queeren Mitarbeitenden auf der Strasse.»

Vor allem im vorderen Drittel des Umzugs sind fast mehr Firmen als Vereine präsent (auch wenn zu allervorderst auf dem Wagen der «Milchjugend» der Schriftzug prangt: «Unsere Pride könnt ihr nicht kaufen») Takeda Pharma AG hat sogar einen Flashmob einstudiert.

…ebenso wie Angestellte von BMW/Mini Cooper.

Quasi der Kontrapunkt zur kritisierten Kommerzialisierung ist der Christopher-Street-Day Zurich, der nächstes Wochenende stattfindet. Die antikapitalistische Bewegung CSD Zürich möchte den queer-politischen Aktivismus in den Vordergrund rücken. Wer sich also auf die Anfänge der LGBTQ-Bewegung zurückbesinnen möchte, kann am 22. Juni um 16 Uhr an der bewilligten Demonstration des CSD teilnehmen.

Dass die Kritik am Kommerz an der Pride dieses Jahr lauter zu hören ist als auch schon, hat wohl auch mit dem Jubiläum zu tun: Viele denken zurück an die Anfänge der Pride vor 30 Jahren.

Der Umzug zieht los – Kritik am Kommerz

Die ersten Wagen machen sich mit Trommelwirbel und Musik auf den Weg Richtung Stauffacher.

Ganz vorn dabei: die Milchjugend. Die Organisation kritisiert die zunehmende Kommerzialisierung der Pride. «Unsere Pride könnt ihr nicht kaufen», steht auf einem Transparent. Auf einem anderen heisst es: «Know your history».

Ohne Wagen, wie früher

Wie vor 30 Jahren: Das Transparent der Lesbenorganisation Schweiz.

Die Wagen stehen bereit für den Umzug, gleich geht es los. Einige grosse Gruppierungen sind dieses Jahr aber ohne Wagen am Start. So die Lesbenorganisation Schweiz (LOS). Das sei ein bewusster Entscheid gewesen, sagt Co-Präsidentin Muriel Waeger. «Wir feiern das 30-jährige Jubiläum der Pride. Entsprechend laufen wir heute so mit, wie wir das vor 30 Jahren gemacht haben.» Sie hätten dasselbe Transparent nachgemalt, mit welchem die Lesbenorganisation Schweiz vor 30 Jahren mitgelaufen ist.

«Anerkennung für nonbinäre Menschen»

Pünktlich zum Beginn des Umzugs klart der Himmel über dem Helvetiaplatz auf.

Auf dem Helvetiaplatz haben sich bereits mehrere hunderte Menschen angesammelt. Das Wetter spielt nach der verregneten Nacht mit, es klart langsam auf. «Richtigs Demo-Wetter», sagt jemand aus der Menge.

Mit Flaggen und Bannern in allen Farben des Regenbogens erkennt man sie schon vom Weitem. Gerade spricht Benjamin Hermann vom Organisationskommittee der Zurich Pride. «Wir setzen uns dafür ein, dass nonbinäre Menschen in unserer Gesellschaft anerkannt werden.» Die Menge johlt.

Danach spricht Lio Brändle, eine Person, die sich als nichtbinär identifiziert, vom Kollektiv «We Exist». «Es braucht einen dritten Geschlechtseintrag. Es wird Zeit, dass Personen, deren Geschlechtsidentität nicht in das enge binäre Modell passt, Teil der Gesellschaft sind. Wir müssen unsere Vielfalt feiern, laut sein und den Platz einnehmen. Wir existieren. We exist!»

Michelle Halbheer sagt, das Recht auf eine eigene Geschlechtsidentität sei kein Luxus, sondern «lebensnotwendig».

Michelle Halbeer, trans Frau und Co-Präsidentin der Zürcher Mitte, hält ebenfalls eine Ansprache «Liebe Kritikerinnen, hört auf, unser Recht, unsere Geschlechtsidentität so auszuleben, wie wir möchten, einzuschränken. Das Recht ist für viele von uns kein Luxus, sondern lebensnotwendig.» Jede Person in der Community profitiere, wenn ein Teil eine Fortschritt erziele. «Unsere Vielfalt stärkt uns.»

Dass die Umsetzung dieser Forderung kompliziert sein könnte, zeigt ein Blick ins Bundeshaus. Erfolg bringe wohl nur die Methode «still und leise», sagen linke Parlamentarierinnen.

Wie alles begonnen hat

Wer hätte das gedacht, als in den 1970er-Jahren zum ersten Mal queere Menschen – damals praktisch nur Schwule und Lesben – für ihre Rechte auf die Strasse gingen?

Was einst unter dem Namen Christopher Street Day als Gedenktag an gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen der New Yorker Polizei und Homosexuellen begonnen hat, ist heute ein riesiges, buntes Festival für queere Menschen.

Politische Botschaften sind an der Pride aber bis heute präsent. Das Motto dieses Jahr heisst «Frei in jeder Beziehung – seit 30 Jahren». Die Botschaft wird allerdings von Nemos Sieg am ESC und der Forderung nach einem dritten Geschlecht überlagert.