US-Bundesstaat IdahoPolizisten schiessen neunmal auf autistischen Jugendlichen
Ein 17-Jähriger hielt ein Messer in der Hand. Statt die Situation zu deeskalieren, feuern Beamte mehrfach auf den autistischen Teenager. Ein Video des Einsatzes wirft Fragen auf.

Polizisten in Pocatello im US-Bundesstaat Idaho haben auf einen autistischen Teenager geschossen und diesen schwer verwundet. Ein Zeugenvideo von dem Vorfall am Samstag sorgte für Empörung: Es zeigt den Jungen, der von seiner Familie als nonverbal, autistisch und geistig behindert beschrieben wird, wie er sich den Beamten mit einem Messer näherte. Nur Sekunden später eröffneten die Polizisten das Feuer und verletzten den Jugendlichen schwer.
Der 17-Jährige, der auch an Zerebralparese leidet, befand sich am Dienstag in kritischem Zustand im Krankenhaus, wie seine Tante der AP mitteilte. Neun Kugeln seien aus seinem Körper entfernt und ein Bein amputiert worden. Die Ärzte planten Tests zu seiner Gehirnaktivität: «Wir wissen nicht, ob er wieder aufwachen wird», sagte sie.
Der Besitzer einer nahegelegenen Autowerkstatt, der das Video aufgenommen hat, sagte der AP, er habe einen Streit bemerkt. Sein 19-jähriger Sohn habe deshalb die Polizei gerufen. In dem Anruf sprach der 19-Jährige zunächst von einem Mann, den er für betrunken hielt – der 17-jährige Junge – und der einen weiteren Mann und eine Frau in einem Garten mit einem Messer verfolgte, bis er schliesslich hinfiel.
Polizei soll geschossen haben, ohne Fragen zu stellen
Als die Polizei eintraf, sei der 17-Jährige immer noch auf dem Boden gelegen, schilderte der Zeuge, der das Video machte, der AP. Die vier Polizisten hätten ihre Waffen gezogen und ihn aufgefordert, das Messer fallen zu lassen. Stattdessen sei der Junge aufgestanden und mit dem Messer in der Hand einen Schritt auf die Beamten zugegangen, die sofort mehrfach geschossen hätten.
«Sie fragten nicht ein einziges Mal: ‹Wie ist die Situation, wie können wir helfen?›», sagte der Zeuge. «Es war wirklich traumatisch für mich, das zu sehen, für mich und meinen Sohn, dabei zu sein.» Nach Angaben der Tante des Jungen habe dessen Schwester den Polizisten sogar noch zugeschrien, dass sie nicht schiessen sollten.
Nach der Veröffentlichung des Videos versammelten sich Dutzende Bewohner der Stadt am Sonntag vor dem Polizeirevier, wie die Nachrichtenseite «eastidahonews.com» berichtete. Die Polizei äusserte sich zunächst nicht dazu, ob sie über den Zustand des Jungen informiert war oder warum die Beamten 12 Sekunden nach dem Verlassen ihres Streifenwagens das Feuer eröffneten und keine offensichtlichen Bemühungen unternahmen, die Situation zu deeskalieren oder weniger tödliche Waffen einzusetzen.
Polizei will «Klarheit schaffen»
In einem Video-Statement, das am Montag auf der Facebook-Seite der Polizei von Pocatello veröffentlicht wurde, sagte Polizeichef Roger Schei, er wolle «Klarheit schaffen, die Informationen weitergeben, die wir zu diesem Zeitpunkt haben, und einige Missverständnisse ausräumen, die aufgekommen sind». Die Polizei sei sich des Videos bewusst, das im Internet kursiert, es zeige aber nur einen Blickwinkel. «In Situationen wie dieser müssen die Beamten innerhalb von Sekunden Entscheidungen treffen», sagte Schei.
DPA/euc
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