Der Wortschatz von PopstarsPatti Smith schlägt Billie Eilish
Die junge Songwriterin habe das grösste Vokabular unter den Pop-Künstlern unserer Tage, sagt eine Studie. Über den wunderbaren Unfug solcher Listen.
Der Mensch vermisst gern. Das Abzählen, Kartografieren, Excel-Listen-Erstellen scheint ihm ein Grundbedürfnis zu sein, und man kann das ja auch gar nicht hoch genug schätzen. Nur weil das Theodor-Fontane-Archiv das akribisch analysiert hat, wissen wir heute zum Beispiel, dass Fontanes meistgebrauchtes Substantiv in seinen Romanen «Frau» lautet.
Gerade hat der Mensch mal wieder Wörter gezählt. Diesmal in Pop-Texten von früher und heute, weshalb das Portal Wordtips nun stolz Erkenntnisse dazu präsentiert, welche Sängerinnen und Sänger das grösste Vokabular haben. Wer eher an Ergebnissen interessiert ist als an Gründen: Punk-Poetin Patti Smith gewinnt. Billie Eilish führt bei den Jungen.
Die Methode dahinter ging allerdings so: Man zog für die Idole von einst die Liste der «100 Greatest Singers of All Time» heran, die der «Rolling Stone» im Jahr 2008 aktualisiert hat (Platz 100: Mary J. Blige, Platz 1: Aretha Franklin), und für die junge Vergleichsgruppe die Künstlerinnen und Künstler, die bei Spotify am meisten gehört werden. Die Texte holte man von der auf Lyrics spezialisierten Seite Genius. Dann liess man einen Algorithmus erfassen, wie viele verschiedene Wörter sich unter den insgesamt benutzten fanden.
Shakira benutzt ihr Vokabular für Texte wie: «Lucky that my breasts are small and humble».
Bei Patti Smith waren das demnach 2669 von 12'291, was einen Wert von 217 pro 1000 ergibt. Platz zwei: Joni Mitchell, mit 199. Bob Dylan ist mit 130 nur knapp über dem Durchschnitt von 124. Billie Eilish kommt auf 169, Platz zwei bei den Jungen gewinnt Harry Styles (159). Letzter Platz: Trey Songz (66).
Um das im Extrem zu veranschaulichen: Rechnete man den Refrain des deutschen Lyrik-Prachtwerks «Da Da Da» isoliert zum Gesamtschaffen hoch, brächte Stephan Remmler es auf einen Wert von 1 pro 1000. «Aha»!
Das ist als Erkenntnis nicht völlig banal, aber ein bisschen dann auch schon.
Schliesslich kann man wohl festhalten, dass die Quantität, also die schiere Anzahl, Menge oder Häufung möglichst vieler verschiedener Wörter, Begriffe, Phrasen, Ausdrücke, Wendungen oder Neologismen, also Wortneuschöpfungen, die Qualität, sprich Niveau, Kunstfertigkeit, Tiefe, Genialität, Famosität, Perfunserativität, Weltgewandtheit oder auch nur Lesbarkeit von Texten nicht zwangsläufig exorbitant oder auch nur signifikant erhöht und damit auch nicht notwendig einer direkten oder wenigstens indirekten «Weltverbesserungsleidenschaft» (Fontane) entspringt. Anders gesagt: Weniger kann mehr sein.
Oder auch: Shakira mag mit einem Wert von 151 vor Dylan landen. Sie benutzt ihr Vokabular trotzdem für solche Texte: «Lucky that my breasts are small and humble / So you don't confuse them with mountains».
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