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Eishockey-Star Niederreiter
Er lässt die Schweiz sogar von Gold träumen

Nino Niederreiter nimmt erstmals seit vier Jahren wieder an einer Weltmeisterschaft teil. Viele Teamkollegen kannte der NHL-Stürmer gar nicht.

Locker, entspannt oder ganz einfach «patgific», wie es im Rätoromanischen heisst. Der Begriff umschreibt das Bündner Lebensgefühl und passt perfekt zu Nino Niederreiter. Obwohl der Churer und seine Teamkollegen an der Weltmeisterschaft in Riga alles andere als optimale Bedingungen vorfinden, bleibt der dynamische Angreifer die Ruhe selbst.

In voller Eishockey-Montur werden die Spieler jeweils in einem Linienbus und mit Polizeieskorte eine Viertelstunde durch die Stadt chauffiert, um in einer Trainingshalle ihre Übungseinheit abhalten zu können. Wer hinterher noch Interviews geben muss, wird von Trainer Patrick Fischer vorzeitig vom Eis geschickt. Zeit bleibt kaum. Denn draussen wartet bereits wieder die Eskorte, welche die schweissgetränkten Spieler zurück in die Arena begleitet. Da befinden sich die Garderoben, und erst da kann geduscht werden. Niederreiter nimmt es gelassen.

Vor vier Jahren nahm der NHL-Profi in der Slowakei letztmals an einer Weltmeisterschaft teil. Trotz eines kräftezehrenden Halbfinals und insgesamt 97 Spielen mit Carolina reiste er für zwei Partien nach Bratislava. Auch in diesem Jahr stand eine Teilnahme ausser Frage, nachdem der 30-Jährige mit Winnipeg im fünften Viertelfinal-Duell gegen die Vegas Golden Knights gescheitert ist. «Man möchte so lange wie möglich im Playoff stehen, richtet seinen Fokus auf den Gewinn des Stanley Cups. Doch sobald man ausscheidet, denkt man an die Nationalmannschaft», sagt Niederreiter.

Er fühlt sich mit seiner Heimat verbunden, spricht von einer Ehre, die Schweiz vertreten zu können. Auch wenn er auf die letzten Spiele der Euro Hockey Tour Anfang Mai in Göteborg und Brünn verzichtete und mit seiner Freundin noch ein Wellness-Wochenende in Mailand genoss. «Es war eine harte Saison. Ich brauchte ein paar Tage, um sie verarbeiten zu können, abzuschalten und um die Freude am Eishockey wiederzufinden», so Niederreiter. Hinter ihm liegen ereignisreiche Monate.

Nach dem Trade flossen Tränen

Trotz 18 Toren in 56 Spielen wurde Niederreiter Ende Februar von Nashville nach Winnipeg getradet. Erfahren hat es der Erstrundendraft von 2010 im Bus nach einem Abschlusstraining. Ein Mitspracherecht besass er nicht. Fünf Stunden blieben, um die Wohnung zu räumen. Sein Vertrag, der ihm jährlich 4 Millionen Dollar einbringt, wurde einfach übernommen. Im Tausch erhielt Nashville von den Kanadiern einen Zweitrunden-Pick für den NHL-Draft 2024. Das traf Niederreiter, der sich erst im vergangenen Sommer für die Predators entschieden hat und sich abermals an ein neues Team gewöhnen musste.

«Ich darf weiterhin in der NHL spielen. Und Winnipeg ist eine gute Organisation», sagt der Bündner. «Was sich verändert hat, sind das Team und die Freundschaften.» Gemeint ist in erster Linie Nashville-Captain Roman Josi, der sich intern für Niederreiter starkgemacht und verhindert hat, dass der Stürmer vor einem Jahr in Anaheim unterschrieb. «Wir sind eng befreundet und hatten eine tolle Zeit. Das war es, was am meisten schmerzte», sagt Niederreiter. Bei den Kumpeln sollen sogar Tränen geflossen sein.

Auch in den vergangenen Wochen, als Josi trotz der Folgen einer Gehirnerschütterung alles unternommen hat, um doch noch nach Riga reisen zu können, standen die beiden in regem Kontakt. «Er wollte unbedingt kommen», sagt Niederreiter. «Doch letztlich hat die Gesundheit Priorität.»  

Seinen Wechsel in die Stadt der Country-Musik bereut Niederreiter nicht. «Es war immer mein Traum, mit Josi in einem Team zu spielen. Zudem durfte ich im vergangenen Herbst in der Schweiz ein Testspiel gegen den SCB bestreiten. Meine Grosseltern und Patenkinder sassen auf der Tribüne. All das wäre mir verwehrt geblieben, hätte ich nicht in Nashville unterschrieben.»

Niederreiter wieder an der Seite Corvis

Winnipeg, die Hauptstadt der kanadischen Provinz Manitoba, geniesst in Spielerkreisen einen zweifelhaften Ruf. Die Winter in der 750’000-Einwohner-Metropole sind bitterkalt, schneereich und windig. Während fünf Monaten liegen die Durchschnittstemperaturen unterhalb des Gefrierpunktes. Minus 17,8 Grad beträgt sie im Januar. Niederreiter gibt sich diplomatisch, sagt: «Ich war oft unterwegs, habe gefühlt erst zwölf Nächte in Winnipeg verbracht. Ich kenne die Stadt zu wenig, um sie fair beurteilen zu können.» Die Fans seien eishockeyverrückt, voller Leidenschaft. Niederreiter zieht Vergleiche mit Montreal.

Nino Niederreiter traf gegen Aufsteiger Slowenien per Ablenker zum 3:0. Am Ende gewannen die Schweizer das Auftaktspiel gleich 7:0.

Voller Leidenschaft steckt auch der Stürmer. Viele seiner Schweizer Teamkollegen habe er vor der WM nur vom Namen her gekannt. Es mache Spass und sei spannend, sie nun kennen zu lernen, sagt der Mann, der amerikanische Schokolade hasst und sich vor Spinnen fürchtet. Wie schon 2018 in Dänemark – damals war das Duo erstmals nach 13 Jahren wieder im gleichen Team vereint – stürmt Niederreiter in Riga an der Seite seines Jugendfreundes Enzo Corvi. Die beiden wuchsen gemeinsam auf, durchliefen die Nachwuchsstufen des EHC Chur. Jenes Vereins also, dem Niederreiter heute als sportlicher Berater und Botschafter vorsteht.

Anders als in Kopenhagen teilen sich Corvi und Niederreiter das Zimmer dieses Mal nicht. «Enzo ist seit Beginn des Trainingscamps dabei und mit Andres Ambühl in einem Zimmer. Normalerweise wechselt man nicht mehr», klärt Niederreiter auf. «Weil Denis Malgin und ich später dazugestossen sind, teilen wir uns ein Zimmer.»

Für den 897-fachen NHL-Stürmer ist es die siebte WM-Teilnahme. Erstmals dabei war er 2010 mit erst 17 Jahren. Es war das Jahr der berüchtigten 0:1-Niederlage im Viertelfinal gegen Deutschland, als sich nach Spielschluss bei den Schweizern der Frust entlud, Timo Helbling sich den deutschen Assistenztrainer Ernst Höfner vorknöpfte und es zu einer Massenschlägerei mit insgesamt 121 Strafminuten kam – 80 davon gegen die Schweiz. Heute blickt Niederreiter mit einem Schmunzeln zurück.

Der Traum vom WM-Gold

«Dass Nino seit 2019 nicht mehr dabei war, zeigt, wie stark er in Übersee spielt», hält Nationaltrainer Patrick Fischer fest. Der 47-Jährige hat den Bündner erstmals überhaupt zum Captain ernannt. «Es ist mega, weilt er hier. Nino ist ein unglaubliches Powerhaus und ein Glücksbringer. Ist er dabei, kommt es meistens gut.» 2013 und 2018 stürmte die Schweiz mit Niederreiter zu WM-Silber. «Das ist zwar besonders», sagt der Angreifer. «Dennoch macht es diese Weltmeisterschaften nicht spezieller als alle anderen. Nach jeder WM kannst du Erlebnisse herauspicken, die einzigartig waren. Auch das aktuelle Team wird es in dieser Form nicht mehr geben.»

Bei den Moskitos in Chur wurde Niederreiter einst aus dem Spiel genommen, weil er zu stark war und die Trainer den anderen Kids auch eine Chance geben wollten. Nun hofft die Schweiz auf die Stärke Niederreiters, träumt von einer Medaille, vorzugsweise der goldenen. «Ich hoffe, dass ich das als Spieler noch erleben darf», meinte Niederreiter nach dem verlorenen Final im Penaltyschiessen gegen Schweden vor fünf Jahren. Nun bietet sich in Lettland und Finnland die nächste Gelegenheit.

Mit Nino Niederreiter gewann die Schweiz 2013 in Stockholm und 2018 in Kopenhagen WM-Silber. Gibt es auch in Riga eine Medaille?