Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Orchester trennen sich von Schweizer Dirigenten

1 / 6
«Was er gemacht hatte, war falsch»: Eine Frau über Charles Dutoit. (Archivbild)
Wird in Paris ein Werk des französischen Romantikers Louis-Hector Berlioz dirigieren: Charles Dutoit. (Archivbild)
Mehrere Frauen werfen ihm sexuelle Übergriffe vor: Dirigent Charles Dutoit. (Archivbild)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Vier klassische Musikerinnen haben dem international renommierten Dirigenten Charles Dutoit sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Diese hätten zwischen 1985 und 2010 stattgefunden, wobei es ihnen gelungen sei, der Situation zu entkommen, sagten sie der Nachrichtenagentur AP. Sie hätten damals nichts gesagt, weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis gewesen seien; zwei der Musikerinnen wollen noch immer ihren Namen nicht genannt wissen, weil sie fürchten, dann keine Engagements mehr zu bekommen.

Der 81-jährige, in der Schweiz geborene Dutoit ist ein erfolgreicher Dirigent mit einer langen Laufbahn als Kunstdirektor und Erster Dirigent des Londoner Royal Philharmonic Orchestra. Er ist auch Ehrendirigent und Dirigent Emeritus des NHK Symphonie Orchestra in Tokio und arbeitete als Gastdirigent mit anderen berühmten Orchestern zusammen. Für Nachfragen der AP war er zunächst nicht erreichbar; das Royal Philharmonic teilte mit, es habe die Fragen der AP per E-Mail an ihn weitergeleitet.

Orchester wenden sich ab

Die Symphonieorchester von San Francisco und Boston haben die Zusammenarbeit mit Charles Dutoit nach Vorwürfen eingestellt. Die «ernsthafte Natur» der Anschuldigungen habe zu der Entscheidung geführt, teilte das Ensemble von San Francisco am Donnerstag mit. Es fühle sich einer Null-Toleranz-Politik verpflichtet. Ähnlich hatte sich zuvor das Symphonieorchester von Boston geäussert, die Vorwürfe seien «extrem beunruhigend».

Bei den Künstlerinnen handelt es sich um drei Sopranistinnen und eine Instrumentalistin. Zwei Sängerinnen, die 61-jährige Sylvia McNair und die 52-jährige Paula Rasmussen, waren bereit, namentlich mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. «Er hat mich gegen die Wand gedrückt, meine Hand an seine Hose gelegt und mir seine Zunge in den Mund gesteckt», sagte Rasmussen. Das sei in der Garderobe der LA Opera im September 1991 passiert.

«Er presste sein Knie zwischen meine Beine»

Die zweifache Grammy-Gewinnerin McNair sagte, Dutoit habe nach einer Probe 1985 in einem Hotel in Minnesota bei ihr versucht, «seinen Willen zu bekommen». «Sobald wir im Fahrstuhl waren, stiess mich Charles Dutoit an die Wand, presste sein Knie zwischen meine Beine und drückt sich mit seinem ganzen Körper gegen mich», sagte sie.

Eine Sopranistin, die ihren Namen nicht genannt wissen wollte, sagte, sie habe Dutoits Verhalten «nicht kommen sehen». Sie habe es als Chance ihres Lebens gesehen, mit dem berühmtem Dirigenten zu arbeiten. Bei einer Autofahrt habe er sie überall begrapscht. Bei der nächsten Probe sei er wieder zudringlich geworden.

Eine vierte Frau, eine Instrumentalistin, schilderte ähnliche Szenen aus dem Jahr 2006. Dutoit hat nach den der AP vorliegenden Aussagen versucht, alleine mit den Frauen zu sein und sie dann sexuell zu bedrängen – und nicht damit aufzuhören, wenn diese «Nein» sagten.

«Abseits der Bühne ist er ein Raubtier»

McNair sagte, sie fühle sich von Dutoits Verhalten vor 32 Jahren ihr gegenüber nicht traumatisiert. «Aber was er gemacht hatte, war falsch», sagte sie. Sie und die anderen sagten, die Berichte von anderen sexuell bedrängten Frauen in der Film- und Kunstszene hätten sie ermutigt, jetzt ihr Schweigen zu brechen. Vorher habe niemand zuhören wollen, sagt Rassmussen. Die Sängerin, die anonym bleiben wollte, sagte: «Als Musiker ist er in Ordnung, aber abseits der Bühne ist er ein Raubtier.»

In Interviews mit der AP haben mehr als ein Dutzend Künstlerinnen und Künstler von einer Kultur sexuellen Fehlverhalten in der klassischen Musikszene gesprochen. Das sei bei Personen in Machtpositionen bedingungslos hingenommen worden.

AP/chk