Zhou Guanyu beim Formel-1-GP in SilverstoneOhne dieses Teil wäre er wohl tot
Er war verhasst, verschrien als «hässlich» und «unästhetisch», er zerstöre «den Mythos Formel 1». Nun rettet der Halo das Leben von Zhou Guanyu. Es ist nicht das erste.
Es braucht manchmal die ganz drastischen Bilder, um auch den letzten Kritiker verstummen zu lassen. Zhou Guanyu lieferte diese in Silverstone.
Kopfüber und mit über 200 km/h schlitterte der junge Chinese in seinem Alfa Romeo über den Asphalt, drehte sich dabei im Kreis, die Funken sprühten, dann hob das Auto kurz vor der Streckenbegrenzung ab, drehte sich in der Luft und donnerte in den Sicherheitszaun, wo es zu liegen kam.
Zhou war kurz nach dem Start von George Russells Mercedes getroffen worden, der am Alpha Tauri von Pierre Gasly eingehängt hatte. Russell hüpfte aus seinem Auto, schaute nach Zhou, bange Minuten folgten. Letztlich kam der Pilot des Schweizer Teams mit dem Schrecken davon. Es ist ein weiterer eindrücklicher Beweis dafür, was diese Autos mittlerweile an Kräften aushalten.
Zhou wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte: Bei den Helfern an der Strecke, beim medizinischen Team, «die mit ihrer schnellen Reaktion fantastisch waren». Beim Weltverband FIA bedankte er sich auch noch und bei der Formel 1 «für die Arbeit, die sie geleistet haben und weiterhin leisten, um die Sicherheit unserer Autos zu verbessern». Und: «Der Halo hat mich heute gerettet.» WM-Leader Max Verstappen sagt: «Ohne Halo wäre er nicht mehr unter uns.»
Der Kopf sonst nur vom Helm geschützt
Der Halo, zu Deutsch Heiligenschein, ist der Bügel aus Titan, der seit 2018 vor den Cockpits der Piloten thront, um die Köpfe vor allem vor herumfliegenden Teilen zu schützen. Wäre Zhou etwas früher geboren und schon 2017 in der Formel 1 gefahren – er wäre kaum mehr am Leben. Nur von seinem Helm geschützt, wäre er über die Piste gerutscht und in den Zaun gekracht, nun war der Funken sprühende Halo dazwischen. Beat Zehnder, Teammanager bei Alfa Romeo, sagt: «Die Entscheidung, die Formel-1-Autos 2018 mit dem Kopfschutz auszurüsten, war goldrichtig.»
«Jeder Fahrer muss wissen, dass es eine Gefahr gibt. Wie zu meiner Zeit. Und dann muss er entscheiden: Zähle ich zu den Menschen, die das auf sich nehmen, oder nicht?»
Die Entscheidungsträger der FIA und Formel 1 taten das damals gegen ziemlich viel und prominenten Widerstand. Lewis Hamilton schrieb in den sozialen Medien: «Bitte nicht!» Der mittlerweile siebenfache Weltmeister sprach von der «hässlichsten Modifikation in der Formel-1-Geschichte». Toto Wolff, Hamiltons Chef bei Mercedes, verlangte nach einer Kettensäge, «um das Ding abzuschneiden». Niki Lauda, damals Aufsichtsratvorsitzender bei den Deutschen, redete im Interview mit dieser Zeitung von «diesem depperten Halo». Von «Sicherheitswahn» sprach der dreifache Weltmeister, der 1976 auf dem Nürburgring beinahe verbrannt wäre in seinem Rennwagen. «Das Restrisiko ist jetzt schon null. Null!», enervierte sich der Österreicher, der 2019 in Zürich verstarb. «Und jetzt soll auch noch dieses Ding kommen. Die Menschen, die bewusst ein Risiko eingehen, braucht es dann erst recht nicht mehr in der Formel 1. Ist es dann noch die Serie, in der die besten Typen mit den schnellsten Autos fahren? Für mich ist der Halo ein Rückschritt. Jeder Fahrer muss wissen, dass es eine Gefahr gibt. Wie zu meiner Zeit. Und dann muss er entscheiden: Zähle ich zu den Menschen, die das auf sich nehmen, oder nicht?» Lauda sah gar den «Mythos Formel 1» in Gefahr.
Zudem sei der Halo «hässlich» und «unästhetisch», schimpften die Gegner. Fünf Jahre später ist von solchen Voten nichts mehr zu hören, klopfen den Verantwortlichen von damals alle auf die Schultern, weil der Bügel schon viel Leid verhindert hat. Das erste Mal schon kurz nach dessen Einführung.
Leclerc hätte es schon 2018 erwischt
Charles Leclerc wäre heute kaum Fahrer bei Ferrari ohne ihn. 2018 in Belgien krachte Nico Hülkenberg in der ersten Runde mit seinem Renault derart heftig in das Heck von Fernando Alonsos McLaren, dass dieser abhob und im Flug den Sauber von Leclerc streifte. Die Spuren am Heiligenschein waren hinterher deutlich zu sehen. Der zweifache Weltmeister Mika Häkkinen kommentierte: «Kein ‹Halo›, und Leclerc wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit verletzt worden. Vielleicht wäre er sogar tot.» Und Unfallverursacher Hülkenberg, einer der lautstärksten Kritiker, sagte kleinlaut: «Tja, ich bin noch immer kein Fan. Aber ich muss auch die Fakten anerkennen und sagen: Es bringt tatsächlich etwas.»
Als es 2019 in Spa-Francorchamps in der Formel 2 zum fürchterlichen Unfalltod von Anthoine Hubert kam, wäre wohl auch Sauber-Junior Juan Manuel Correa zumindest noch schwerer verletzt worden ohne Halo, schlitterte er doch wie am Sonntag Zhou kopfüber über den Asphalt. Und als im vergangenen Jahr in Monza der Red Bull von Max Verstappen auf den Mercedes von Lewis Hamilton gerollt war, dankte der Brite «Gott für den Halo, der wohl letztlich mich und meinen Nacken gerettet hat».
Wie sagte der ehemalige Rennfahrer Alexander Wurz während der Debatte zu dieser Zeitung so schön? «Keiner der Kritiker ist je mit 300 km/h verunfallt. Wenn jetzt ein vorausfahrender Pilot ein Rad verliert, dann kann der hinten dank des Halo am Abend vielleicht seine Familie wiedersehen.» So wie Zhou nach diesem Sonntag.
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