GP von GrossbritannienFürchterlicher Unfall in der Formel 1 – und Ferrari verbockt es wieder
Zhou Guanyu sorgt in Silverstone für bange Minuten. Carlos Sainz feiert seinen ersten Sieg, und doch hat die Scuderia wieder vieles falsch gemacht. Derweil leidet Max Verstappen.
Was haben sie bei Ferrari eigentlich gegen diesen Charles Leclerc? Da rollt der Alpine von Esteban Ocon 15 Runden vor dem Ende auf der Piste von Silverstone aus, kommt der Safety-Car zum Einsatz – und reagieren die Italiener, indem sie nicht ihrem Titelaspiranten die weichen Reifen aufziehen. Sondern dessen Teamkollegen Carlos Sainz. Als der Sicherheitswagen verschwunden ist, kommt der Spanier ohne Probleme vorbei und feiert in seinem 150. Grand Prix seinen ersten Sieg.
Das Spektakel nimmt dann erst recht seinen Lauf, dahinter kommt es zum Fünfkampf zwischen Leclerc, Sergio Pérez, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Lando Norris. Immer wieder ändern die Positionen, kämpft Leclerc mit seinen harten Reifen mit allem, was sein Auto hergibt. Vor allem das Duell gegen Hamilton ist packend. Das bessere Ende hat Hamilton, der sich noch hinter Pérez auf Rang 3 einreiht, Leclerc muss sich mit Platz 4 begnügen.
Erst ist Sainz der Buhmann
Es ist ein wilder Schluss eines Rennens, das so viel bereithält für die über hunderttausend Zuschauer auf den Tribünen – und aus dem Sainz als grosse Figur hervorgeht.
Erst einmal aber ist er der Buhmann. Sainz muss sich in der Anfangsphase vorkommen, als würde er extra langsam fahren an der Spitze des Feldes. Immer wieder hört er von seinem Team, er solle doch etwas Tempo machen. «Push, push», dreimal, viermal hört er das, bis Sainz in den Funk raunt: «Sag mir das nicht noch einmal.»
Der 27-Jährige, erstmals von der Poleposition losgefahren, wird früh im Rennen gejagt – von Leclerc. Doch einfach will es das Ferrari-Team dem Monegassen schon da nicht machen, lässt es Sainz schon schnuppern an seinem ersten Triumph in der Formel 1, während Leclerc dahinter zunehmend unruhig wird. In Runde 20 haben die Italiener ein Einsehen, beordern Sainz an die Box zum Reifenwechsel und ermöglichen Leclerc freie Fahrt.
Plötzlich Hamilton im Rückspiegel
Doch mit dem, was dann geschieht, dürfte dieser kaum gerechnet haben. Lewis Hamilton, siebenfacher Weltmeister und in diesem Jahr bislang chancenlos mit seinem Mercedes, taucht bald im Rückspiegel auf. Und führt in Runde 26 erstmals diese Saison ein Rennen an, weil Leclerc neue Pneus geholt hat. Als Leclerc später wieder hinter Sainz auftaucht und von diesem aufgehalten wird, dauert es erneut lange, bis Ferrari reagiert und er vorbeidarf am Spanier. Schneller geht es in Runde 40, als Ocon seinen Alpine abstellen muss. Allerdings denken die Italiener wieder mehr an Sainz und dessen ersten Sieg als an den möglichen WM-Titel von Leclerc.
Dass es überhaupt zu diesem Kampf an der Spitze kommen konnte, hat auch mit Max Verstappen zu tun, der die WM souverän anführt – aber nicht zum ersten Mal einen miesen Arbeitstag erlebt. Erst zieht der Niederländer in Runde 10 noch vorbei an Sainz, der unter Druck über die Wiese geruckelt ist, und ist Leader dieses Grand Prix. Dann scheinen seine Reifen platt zu sein. Er fährt an die Garage, doch das Problem ist hinterher nicht behoben. In Runde 24 sucht er noch einmal die Box auf, wechselt auf die härtesten Reifen, auch wird der Frontflügel leicht verstellt. Die Folge: Verstappen hat kaum Halt auf dem Asphalt. Am Funk tut er seinen Unmut kund, für einmal hat der 24-Jährige nichts mit dem Sieg zu tun und wird Siebter. Es ist ein Rückschlag im Kampf um die Krone des Motorsports.
Die bangen Minuten
Doch eigentlich sind das an diesem Sonntag alles nur Randnotizen.
Denn zu Beginn dieses Rennens geht es um mehr als um den Sieg, erlebt die Formel 1 erst einmal einen Schreckmoment und bange Minuten. Zhou Guanyu, Fahrer des Schweizer Teams Alfa Romeo, schlittert in der ersten Kurve über den Asphalt, rein ins Kiesbett mit horrendem Tempo – und das alles auf dem Dach oder besser gesagt auf dem Halo, diesem Sicherheitsbügel, der die Köpfe der Piloten seit 2018 schützt. So ist das auch an diesem Sonntag beim Chinesen.
Doch dass die Regie dann minutenlang darauf verzichtet, Wiederholungen des Zwischenfalls zu zeigen, lässt nichts Gutes erahnen. So kommt die Erlösung erst spät, der Rennstall meldet rund 15 Minuten nach dem heftigen Abflug, dass Zhou einigermassen glimpflich davongekommen sei und untersucht werde, «er ist bei Bewusstsein».
Später ist dann auf den Bildern zu sehen, wie George Russell, dieses Grosstalent bei Mercedes, kurz nach dem Start leicht nach links zieht, wo Pierre Gasly in seinem Alpha Tauri fährt. Russell hängt ein, schiesst nach links und in das Auto von Zhou. Dieses dreht es um, und es schlittert ohne Bremswirkung und mit einigen Pirouetten Richtung Kiesbett, dann auf die Absperrung zu, überschlägt sich ein paar Meter vor dieser, fliegt über sie hinweg und kommt erst dahinter zu liegen.
Es sind Bilder, die es kaum mehr gibt in der modernen Formel 1. Entsprechend gross ist der Schock. Erst eine halbe Stunde später meldet Beat Zehnder, Teammanager von Alfa Romeo, via Funk, dass er aus dem Medical Center den Bescheid bekommen habe, Zhou sei okay. Und ein paar Minuten darauf: «Keine Brüche.» Die Nachrichten gehen an Valtteri Bottas, Teamkollege von Zhou. Auch er sieht das Ziel nicht, weil sein Wagen 32 Runden vor Schluss den Dienst verweigert.
Russell, der Auslöser des spektakulären Unfalls, hüpfte gleich aus seinem Auto, um nach Zhou zu sehen. Später sagt er: «Es freut mich, zu hören, dass es ihm gut geht. Das hat ja alle erschreckt, das war auch nicht schön für die Zuschauer.» Beim Neustart kann der 24-Jährige dann nicht mehr mittun, weil sein Auto mit dem Abschleppwagen wegtransportiert wurde. «Schade, eigentlich waren nur die Reifen beschädigt. Aber an diesem Tag gibt es Wichtigeres.»
Wolff und die Kettensäge
Es gab ja Leute, die sich masslos darüber aufregten, als darüber diskutiert wurde, ob dieser Bügel eingeführt werden soll. Unansehnlich sei er, unnütz auch. «Gebt mir eine Kettensäge, um das Ding abzuschneiden», polterte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Nicht nur er dürfte an diesem Sonntag ziemlich froh darüber gewesen sein, dass seine Stimme nicht erhört wurde. Weiter hinten kommt es beim Start auch noch zwischen Sebastian Vettel, Yuki Tsunoda, Alex Albon und Esteban Ocon zu einem Massencrash. Teile verteilen sich auf der Fahrbahn, Räder, Reifen, Karbonfetzen.
Es gibt die Rote Flagge und den Neustart um 16.56 Uhr. Auf der Poleposition steht da erneut Carlos Sainz, wie schon beim ersten Versuch. Obwohl Verstappen in seinem Red Bull am Spanier vorbeigeschossen war. Doch weil im Reglement steht, dass bei einem Neustart der letztmögliche Zeitpunkt zählt, an dem die Reihenfolge des Feldes noch definiert werden kann, entschied der Weltverband FIA, den Start als solchen Zeitpunkt zu nehmen. Ärgerlich ist das auch für Hamilton, ist er doch mit einem Blitzstart von Rang 5 auf Platz 3 nach vorne gerast. Beim neuerlichen Versuch gelingt ihm das nicht mehr, muss er sich gar noch von Landsmann Lando Norris im McLaren überholen lassen, kommt aber kurz später wieder an ihm vorbei und wird noch Dritter. Auf Kosten Leclercs.
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