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Das war das Sechseläuten 2022
Oh nein, fast 38 Minuten! Es gibt einen schlechten Sommer

Nach 36 Minuten fing das Podest Feuer, und die Anwesenden wussten nun: Es knallt richtig laut, wenn es denn endlich knallt. Dann ging es Schlag auf Schlag, Knall auf Knall: Erst verlor der Böögg die Pfeife, dann den Arm und den Besen. Kurz darauf flog der Hut in weitem Bogen weg, brennende Papierfetzen stoben in den Himmel. Schwalben verliessen kreischend den Tatort.

Endlich hat er Feuer gefangen!

Dann brannte der ganze Böögg lichterloh. Und nach genau 37 Minuten und 59 Sekunden flog der Kopf nach hinten weg. Selten war es so sonnenklar, wann die Zeit stoppt. Kein Zweifel: Das war der Böller, im Hals des Schneemanns.

Nur dreimal brauchte der Böögg länger

Die meisten im Publikum hatten sich verschätzt. 12 bis 17 Minuten wurden herumgeboten. Zwei junge Frauen hofften allerdings, dass der Böögg sich etwas Zeit lässt, da ihre beiden 17-jährigen Freundinnen das erste Mal mit den Pferden den Umritt bestritten. «Wenn es dann schon klöpft, werden sie sicher nervös.» Die Pferde oder die Reiterinnen? «Beide.»

Sie schafften es ohne Knall und ohne Probleme. Im Unterschied zu einem älteren Reiter nach ihnen, der den Sattelgurt nicht straff genug angezogen hatte und vom Pferd purzelte. Er trottete zu Fuss aus dem Ring. Da waren schon 33 Minuten vergangen.

Pechvogel, aber zum Glück liegt Sägemehl!

Der Scheiterhaufen rauchte zwar, aber so richtig vorwärts wollte es nicht gehen. Doch dann kam ein leichter Wind auf, die obere Schicht des Holzstosses fing Feuer, es folgte der erste richtige Knall, beim Podest.

Nun verbrannte der Böögg schnell und schön – doch schleckt es keine Geiss weg: Es wird ihm zufolge ein schlechter Sommer. In der überlieferten Geschichte des Sechseläutens dauerte es nur dreimal länger, bis der Böögg den Kopf verlor. 

Bald ist es so weit. Die Flammen züngeln endlich hoch. 

Meteo Schweiz hat sich mit dieser Böögg-Prognose auseinandergesetzt. Dazu verglich die Wetterbehörde dessen Leidenszeit mit der mittleren Sommertemperatur. Das Resultat der Untersuchung: «Eine Vorhersagequalität des Böögg ist nicht nachweisbar.» Er habe zwar den Hitzesommer 2003 korrekt vorausgesagt, doch handle es sich dabei «offensichtlich um einen Zufallstreffer». So habe er in den letzten drei heissen Sommern, 2015, 2018 und 2019 keine zutreffende Prognose geliefert. 

Die Stellungnahme des Böögg: «Wer glaubt schon Studien?» Dann explodierte sein Kopf. 

Endlich ist der Kopf ab. 

Viele Ehrengäste aus Uri

Bevor alle Augen auf den Böögg gerichtet waren, zogen rund 130 Ehrengäste die Blicke auf sich, sofern man sie in dem kunterbunten Zug der Zünfte ausmachen konnte. Viele dieser Promis kamen aus der Innerschweiz, vorab aus dem Kanton Uri, der dieses Jahr zu Gast war. Endlich, denn eigentlich war dieser Besuch bereits für das Sechseläuten 2020 geplant.

Dann kam Corona. Und 2021 wurden die Gäste zu Gastgebern, indem sie den Böögg zu sich in die Schöllenen luden. Das Motto, unter dem der Auftritt Uris auf dem Lindenhof lief, war entsprechend glaubwürdig: «Wahre Freunde».  

Unter den roten, grünen und blauen Kostümen der Zunft zur Schiffleuten fielen zwei Personen besonders auf: Armeechef und Korpskommandant Thomas Süssli und Frau Oberstleutnant Corina Gantenbein. Sie trugen Militäruniform als «Kostüm». Und wie sicher fühlen sich die beiden an einem Anlass, an dem ein Schneemann in die Luft gesprengt wird? «Sehr sicher», sagen sie. Denn sie seien es sich schliesslich gewöhnt, dass es «chlöpfe».


 Armeechef und Korpskommandant Thomas Süssli und Frau Oberstleutnant Corina Gantenbein trugen Uniformen statt Kostüme.

Ihnen voran wurde von achtzehn Personen einer der etwa zehn Meter langen Hechte getragen, die für das Winzerfest Fête des Vignerons 2019 hergestellt wurden.

Die Urner Skilegende Bernhard Russi lief mit der Zunft zur Saffran und trug deren Dreispitzhut und Cape. Der 73-Jährige zeigte sich ganz «unpatriotisch» begeistert: «Hier ist das Sechseläuten 100 Prozent schöner als in der Schöllenenschlucht», sagte er. 

Skilegende Bernhard Russi fand es auf der Bahnhofstrasse schöner als in der Schöllenen.

Peter Grünenfelder, Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse, konnte gemeinsam mit Nationalrätin und Partnerin Christa Markwalder durch Zürichs Innenstadt ziehen. Sie waren Gäste der Zunft Riesbach. Auf die Frage, welche Idee er als Sprengkandidat bei den Regierungsratswahlen für Zürich habe, antwortete Grünenfelder: «Eine Steuersenkung von 8 Prozent, auch 10 Prozent würden drinliegen.»

Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP) genoss das Bad in der Menge sichtlich.

Bundesrat und aktueller Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP) war mit der Gesellschaft zur Constaffel unterwegs. An seiner Seite: schwarz gekleidete Sicherheitsmänner. Charmant sagte der Tessiner an die Adresse der Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher: «Besten Dank, dass Sie Ihre wunderschöne Stadt für dieses Fest zur Verfügung stellen.»

Diesen Dank nimmt die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) bestimmt gern entgegen, wenn er ihr dann zu Ohren kommt. Sie gehörte zu den meistfotografierten Gästen und auch zu jenen, die überdurchschnittlich viele Blumen erhielten. 

Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) war die Blumenkönigin.

Als der Rauch sich verzog und die Menschenmenge sich auflöste, fuhren beim Paradeplatz schon die Reinigungswagen der Stadt auf. Und der ältere Mann in weissen Kniesocken, der eben noch voll ins Bild passte, fiel voll aus dem Rahmen.

Das sind alle bekannten Zeiten seit 1952