Basketballstar Giannis AntetokounmpoNoch heute verschmieren Neonazis sein Bild mit Hakenkreuzen
Er wuchs als Staatenloser auf, war Strassenverkäufer in Athen und schlief aus Angst vor Rassisten in der Turnhalle. In den USA wird er als Sensation gefeiert.
In den USA lieben sie es, Sportstars Spitznamen zu geben. Einige sind zwangsläufig. Wer so durch die Arenen fliegt wie einst Michael Jordan, muss einfach «Air Jordan» genannt werden. Beliebt sind auch solche, die sich reimen. Giannis Antetokounmpo zum Beispiel ist «The Greek Freak», was auf seine unglaubliche Athletik zurückzuführen ist – und darauf, dass den Zungenbrecher-Nachnamen des Griechen keiner aussprechen kann.
Dass der 26-Jährige von den Milwaukee Bucks ein Freak auf dem Basketballparkett ist, bewies Antetokounmpo im vierten Spiel der NBA-Finals gegen die Phoenix Suns einmal mehr. Gästespieler Deandre Ayton hatte 76 Sekunden vor Spielende den Ball in der Luft gefangen und wollte ihn aus Nahdistanz zum 101:101 in den Korb stopfen. Doch Antetokounmpo blockte den Versuch spektakulär mit den Fingerspitzen. «Was für ein Block», schrie der TV-Kommentator.
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«Du machst einfach das, was du machen musst, um das Spiel zu gewinnen», kommentierte Antetokounmpo gelassen. Milwaukee hat durch den 109:103-Sieg zum 2:2-Gesamtstand ausgeglichen. Die Finalserie, in der Meister wird, wer zuerst vier Spiele gewinnt, ist wieder offen. Und die grandiose Geschichte des Giannis Antetokounmpo könnte somit demnächst ihre Krönung haben – mit dem Meistertitel der Bucks. Das fünfte Spiel findet am Samstagabend statt.
Seine Geschichte beginnt in Sepolia, einem der ärmsten Stadtteile Athens. Die Eltern Charles und Veronica Antetokounmpo sind 1991 aus Nigeria nach Griechenland gekommen. Doch wie so viele afrikanische Einwanderer besitzen sie keine offiziellen Papiere – und sind somit in einem Strudel, der es nahezu unmöglich macht, etwas aufzubauen. Keine Papiere, keine Jobs, ohne Arbeit kaum Geld. So leben die Eltern mit ihren vier Söhnen in einer Zweizimmerwohnung. Die Kinder müssen sich mitunter ein Bett teilen. «Es war nicht einfach», erinnert sich Antetokounmpo in der US-Fernsehsendung «60 Minutes».
Zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Thanasis verkauft Giannis auf den Strassen Sonnenbrillen, Uhren, CDs, DVDs. Für die Familie ist das so verdiente Geld eine dringend benötigte Basis für monatliche Miete und tägliches Abendessen. Die Eltern haben Giannis und Thanasis bewusst griechische Vornamen gegeben – in der Hoffnung, dies würde ihnen die Integration erleichtern. Doch Kinder aus Afrika haben es schwer in Griechenland. Wer dort geboren ist, ist noch lange kein griechischer Staatsbürger. Erst 2013 bekommt Antetokounmpo seinen Pass. Mit 18 Jahren. Bis dahin gilt er als staatenlos, illegal – und muss mit der ständigen Angst leben, womöglich abgeschoben zu werden. Nach Nigeria, in die Heimat der Eltern, in der er noch nie gewesen ist.
Der Vergleich mit Mozart
Zur Geschichte des Giannis Antetokounmpo gehört auch Spiros Velliniatis. Der Basketballtrainer sucht vor allem in Athener Stadtteilen mit hohem Migrationsanteil nach Talenten – und trifft 2008 Giannis und Thanasis. Die jungen Teenager sind in ihrer sportlichen Findungsphase. «Versuchts doch mal mit Basketball», sagt Velliniatis. Seine grösste Sorge: Giannis ist zwar gross, aber zu dünn. «Wenn Mozart vor dir steht und nichts zu essen hat, was machst du dann?», wird Velliniatis einmal in der «New York Times» zitiert. «Du gibst ihm keine Violine, sondern Brot.»
Mit 13 Jahren fängt Giannis bei Filathlitikos an, einem Club im Athener Vorort Zografou. Er wird argwöhnisch beäugt von den Eltern seiner vorrangig weissen Mitspieler. Manchmal, so wird berichtet, habe er bis Mitternacht trainiert und anschliessend auf einer Matte in der Halle geschlafen – aus Angst, in der Dunkelheit nach Hause zu gehen. Er weiss, dass die Strassen in Zografou für einen mit seiner Hautfarbe gefährlich sein können. Neonazis kommen gezielt hierher, um Immigranten zu verprügeln.
Als 16-Jähriger ist Antetokounmpo der beste Nachwuchsspieler des Landes, spielt im Männerteam von Filathlitikos. Zweite Liga. Zusammen mit Thanasis. Sie verdienen knapp 500 Euro im Monat. Das ist mehr, als die Einkünfte als Strassenverkäufer hergeben – aber immer noch zu wenig für vernünftige Basketballschuhe. Es gibt Spiele, sagt Giannis, da habe er sich mit Thanasis ein Paar teilen müssen.
Vertrag über 228 Millionen Dollar
Mittlerweile hat der Grieche seine eigene Schuhmarke. Der Sportartikelhersteller Nike hat «Zoom Freak 1» herausgebracht, Antetokounmpo verdient damit 10 Millionen Dollar pro Jahr. Geld dürfte nie wieder ein Problem für ihn und seine Familie sein. Im Dezember verlängerte er in Milwaukee vorzeitig um fünf Jahre, wird bis 2026 insgesamt 228 Millionen Dollar einstreichen. Es ist der dickste Kontrakt der NBA-Geschichte.
In Griechenland sind sie jetzt stolz auf ihren globalen Vorzeige-Hellenen. Vergessen die Jahre, als er nur eines dieser Immigrantenkinder war, das diskriminiert und nie richtig akzeptiert wurde. Allerdings gibt es vereinzelt immer noch rassistische Anfeindungen. Im Vorjahr ist ein Graffitibild von ihm im Grossraum Athen mit einem Hakenkreuz sowie den Buchstaben «SS» beschmiert worden.
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Antetokounmpo reagiert kaum auf derartige Vorfälle. Er will Rassisten keine unnötige Aufmerksamkeit schenken. Nur so viel: Seine Brüder und er seien griechisch-nigerianisch. Und falls jemandem das nicht passe, sei das eben dessen Problem.
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