So waren die Swiss Music Awards Nik Hartmann rackert sich ab – Loredana schwänzt die Show
Die 14. Ausgabe der SMA bot Chancen für einen Aufbruch. Doch der gelingt nicht. Zum Schluss der Show setzt Loco Escrito einen Rekord – und sorgt für einen kleinen Eklat.
Nik Hartmann ist wieder «bi de Lüt». Nach seinem Wechsel von SRF zu CH Media im Sommer 2020 moderierte der 48-jährige TV-Profi wieder eine grosse Liveshow, als Gastgeber der 14. Ausgabe der Swiss Music Awards. Deren Vergabe wurde dieses Jahr zum ersten Mal von 3+ übertragen. Und Hartmann wurde dabei ganz schön gefordert, wie sich schnell herausstellen sollte.
Nach zwei Jahren im KKL Luzern ist die Show für dieses Jahr wieder auf Stadiongrösse hochgefahren gefahren worden. 3+ mietete sich (wohl mit grosszügigem Corona-Rabatt) ins Zürcher Hallenstadion ein. Gleich zur Begrüssung macht Hartmann die Ansprüche klar: «Wir bringen euch beste Unterhaltung. Es könnten die emotionalsten Swiss Music Awards werden.»
«Guete Abig zäme», ruft Noah Verguth, als wäre da ein Publikum. Man vernimmt ein Hallen im leeren Stadion.
Doch da, wo sonst tausende Gäste Platz hätten: Ein dunkles Nichts. Der Applaus kommt vom Band – und geht auch ein paar mal vergessen. Es wird früh klar: Die Bedingungen sind hart für eine grosse Liveshow. Da ist kein Publikum, keine Szene, die sich selbst beklatschen und feiern kann, und kaum Emotionen, die sich einfangen lassen.
Die Macherinnen und Macher gehen damit pragmatisch und transparent um: Mehrfach wird das leere Stadion gezeigt und erklärt, warum die musikalischen Auftritte vorab aufgezeichnet wurden. Es wäre logistisch nicht möglich gewesen, sieben Showacts coronakonform aneinander vorbeizubringen und dabei auch die Hygiene-Standards zu erfüllen.
Die ersten Minuten der Show gehören der Musik. Pegasus bestreiten mit einem Medley den Anfang. «Guete Abig zäme», ruft Sänger Noah Verguth, als wäre da ein Publikum. Man vernimmt ein Hallen im leeren Stadion.
Moderator Nik Hartmann schleicht sich dann regelrecht in die Sendung: Als Pegasus ihren Hit «Victoria Line» spielen, gesellt er sich als Banjospieler auf die Bühne.
Zu Beginn hat die Show viel Tempo. Nach 18 Minuten sind bereits die ersten zwei Awards vergeben, die Nominierten und Preisgekrönten werden jeweils per Videocall zugeschaltet. Hartmann ist souverän – was auch sonst. Er moderiert mehrsprachig, behält zwischen Live-Momenten, Einspielern und Videoschaltungen den Überblick und lässt sich von der sterilen Atmosphäre im Stadion nicht nervös machen.
Neben Nik Hartmann sind einzig zwei der drei Nominierten für Best Hit live vor Ort: Loco Escrito, der zum grossen Gewinner des Abends wird, sowie Deutschrap-Aufsteiger Monet192. Die beiden sitzen in schicken Anzügen mit Hartmanns Sidekick Kiko auf alten Sofas in einer Herrenrunde.
Die grosse Abwesende in dieser Sitzecke ist Loredana. Auch sie hätte mit ihrem Song «Nicht verdient» den Betonklotz für den Best Hit gewinnen können. Doch die Luzerner Rapperin schlug die Einladung aus, obwohl sie zurzeit in der Schweiz ist (am Nachmittag postete sie auf Instagram noch Videos von einem Ausflug mit ihrer zweijährigen Tochter).
Kiko, dessen Rolle den ganzen Abend über etwas unklar bleibt, fängt die Absenz auf: Er streckt sein Handy mit einem Foto von Loredana in die Kamera. So sei sie immer auch ein bisschen dabei.
Die SMA 2021 sind eine Halb-Live-Show. Das hat Potenzial. So kommen die vorab aufgezeichneten Auftritte von Lo & Leduc, Beatrice Egli oder Zian fast schon in Videoclip-Qualität daher. Und 3+ wagte auch neue Ansätze: Schweizer Radiomoderatorinnen und -Moderatoren traten über den Abend verteilt in einem Song-Quiz gegeneinander an. Solche Formate bringen Abwechslung in die oft langfädigen Awardshows.
Nach dem schwungvollen Start zieht sich die Sendung bald einmal, letztlich kommen die SMA 2021 auf über zweieinhalb Stunden Laufzeit (mit Werbepausen). Wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer das bis zum Ende durchgestanden haben, wird sich noch zeigen müssen.
Die Schwierigkeiten des Abends zeigten sich dann in einer Szene exemplarisch: Der südafrikanische Künstler Master KG performte mit einer Sängerin seinen Charts-Dauerbrenner «Jerusalema». Die Sache ist voraufgezeichnet und wird eingeblendet, während im Hallenstadion fünf Mitglieder der Zuger Kantonspolizei die weltberühmte Choreografie zum Song tanzen. Das Hin-und-her-Schalten zwischen Südafrika und Zürich geht nicht so recht auf, Stimmung kommt keine auf.
Loco Escrito sagt einmal im Verlauf des Abends, bereits etwas müde und mit Mitgefühl an Nik Hartmann gerichtet: «Wenn so gar kein Ambiente da ist, ist das wirklich herausfordernd.» Monet192 schiebt später vom Sofa nebenan nach: «Es ist echt langweilig, tut mir leid.»
Es werden auch alte Fehler wiederholt, an der das Format schon in früheren Ausgaben krankte. Die Laudatios und die Dankesreden schweifen immer noch aus – so nimmt die verdiente Ehrung von Patent Ochsner im Mitteilteil der Sendung sehr viel Zeit in Anspruch. Und phasenweise ist die Überpräsenz von Männern auf der Bühne und in den zugeschalteten Videokacheln erdrückend.
Die Swiss Music Awards ehren die erfolgreichsten Acts, Alben und Songs der Schweiz, das Reglement sieht vor, dass nur nominiert wird, wer gut verkauft. Wegen dieser kommerziellen Ausrichtung sind die SMA in der Musikszene nicht nur gut angesehen. Der grosse, lebendige Indie-Teil der Schweizer Musikszene kommt in dieser Hochglanz-Show kaum ins Rampenlicht. Auch daran ändert die neuste Ausgabe nichts.
Dass noch mehr Vielfalt in der Musik-Schweiz zu erleben ist, deutet die Ehrung des besten Acts aus der Romandie immerhin an. Die kurzen Einspieler mit Songs von Arma Jackson, Flèche Love und Phanee de Pool machen Lust auf mehr.
Doch auch die Grossen sind dieses Jahr nicht so richtig dabei. Neben Loredana lassen sich von den Nominierten auch der international erfolgreiche Rapper Pronto entschuldigen, genauso wie Dieter Meier und Boris Blank von Yello. Sie haben keine Lust, sich für ein paar Minuten von zuhause aus zuzuschalten. Was sagt das über die Awardshow aus?
Da steht auch Nik Hartmann für ein paar unangenehme Momente rat- und wortlos daneben.
Und so wird Nik Hartmann zum Schluss noch einmal richtig gefordert, als schon alles einigermassen gut überstanden schien. Loco Escrito zeigt sich bei der Übergabe des Preises für den besten Song als schlechter Gewinner: Er bemängelt die Laudatio von Lara Stoll als «zu wenig positiv», sie hätte «zu wenig Pep» gehabt, das müsse nächstes Jahr anders laufen.
Der zweifach ausgezeichnete Musiker redet sich ins Zeug und lässt sich kaum mehr vom Mikrofon trennen. Da steht auch Nik Hartmann für ein paar unangenehme Momente rat- und wortlos daneben, bis er den Einstieg wieder findet.
Die Übertragung endet mit einem kleinen Feuerwerk, das Nik Hartmann mit einem grossen roten Buzzer auslöst. 3+ hat gross angerichtet und Neues probiert. Falls 2022 die Pandemie ausgestanden sein sollte, gibt es für die Swiss Music Awards die nächste Chance, noch ein paar Dinge anders zu machen.
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