Nach Gotthard-SperrungAuf der A3 fahren jetzt doppelt so viele Sattelschlepper
Der Verkehr hat seit der Gotthard-Sperrung zugenommen. Seither halten mehr Durchreisende an der Raststätte in Wädenswil. Nicht alle nehmen den Umweg gelassen.
Die kleine Autobahnraststätte Herrlisberg oberhalb von Wädenswil lassen die meisten Reisenden an sich vorbeiziehen. Auf dem Platz an der A3 gibt es nur eine Tankstelle, ein Migrolino und das kleine Cindy's Diner, eines der letzten der Schweiz, das ist alles.
Doch seit letztem Wochenende herrscht hier mehr Betrieb. Grund dafür ist die Schliessung des Gotthardtunnels. So manche Autofahrerin und mancher Transporteur weicht via A3 auf die San-Bernardino-Route aus.
Einer von ihnen ist Michele Pasotto, der am Mittwoch in Herrlisberg seine Mittagspause einlegte. Der Tessiner Lastwagenchauffeur ärgert sich, dass er einen Umweg nehmen muss. Er fahre die Strecke täglich. Er transportiere Chemie vom Tessin nach Basel, erzählt er. Nun sei er pro Weg zwei Stunden länger unterwegs.
Die längere Reisezeit und die höheren Abgaben für die zusätzlichen Kilometer bezahlten ihm niemand, sagt Michele Pasotto, der den Sattelschlepper nicht nur fährt, sondern auch besitzt. «Aber was will man machen?,» fragt er achselzuckend, «È così.» So ist es nun halt mal.
2507 Sattelschlepper
Es gibt zahlreiche Camionneure wie Michele Pasotto, die nun die A3 benutzen. Das zeigen die Daten einer Messstelle an der Autobahn in Wädenswil, die das Bundesamt für Strassen (Astra) auf Anfrage zur Verfügung gestellt hat. Am letzten Montag, dem Tag nach der Gotthard-Sperrung, registrierte die Messstelle demnach 2179 Sattelschlepper, am Dienstag waren es sogar 2507.
Zum Vergleich: An denselben Wochentagen vor einer Woche verkehrten hier 1147 respektive 1225 dieser grossen Lastwagen. In anderen Worten: Zurzeit ist am Zürichsee fast doppelt so viel Schwerverkehr unterwegs wie vor einer Woche.
Auch auf der Hirzel-Passstrasse macht sich dies bemerkbar. Die Messstelle im Hirzel meldete am Dienstag 562 Sattelschlepper; eine Woche davor waren es 335.
Die Zahl dieser Grosstransporter, die im Fachjargon Sattelzug genannt werden, hat am stärksten zugenommen. Die Verkehrsmenge ist über alle Fahrzeugtypen hinweg im direkten Tagesvergleich insgesamt ebenfalls leicht gestiegen, aber deutlich weniger markant. Zurzeit sind rund 66'000 Fahrzeuge pro Tag auf der A3 unterwegs.
Touristen nehmen es gelassen
Auf der Wädenswiler Raststätte machen nun auch Touristen halt, die sonst durch die Zentralschweiz gereist wären. Etwa das Ehepaar Ella und Johan Soeters, das von Holland an den Lago Maggiore fährt. Sie sind um 4 Uhr in der Früh gestartet und durchqueren die Schweiz das erste Mal.
Der Umweg störe sie überhaupt nicht, sagt Ella Soeters. Sie geniesse auf der A3 die schöne Aussicht auf den Zürichsee und die Berge. «Es ist nur schade, dass es ausgerechnet heute regnet.»
Robert und Angela Hall kommen aus England und fahren mit ihrem Wagen nach Italien in die Ferien. Das Satellitenprogramm auf seinem Handy zeige ihm die möglichen Ausweichrouten auf, sagt Robert Hall.
Sie wollten das Beste aus der Situation machen und überlegten sich, eine Passfahrt über den Gotthard zu wagen. «Aber wir haben befürchtet, dass es dort zu viel Schwerverkehr haben könnte.» Deshalb entschied sich das Ehepaar für die San-Bernardino-Route.
Mit Humor und Gelassenheit gehen Brigitte Loockx und Bruno Coudre mit der Verkehrssituation um. «Wir haben Ferien und viel Zeit», sagt Brigitte Loockx. Sie seien schon oft nach Italien gefahren, immer durch den Gotthard. Nun lerne sie einen anderen Teil der Schweiz kennen. «Ich liebe diese Landschaft», sagt sie.
Die beiden Belgier nehmen es überhaupt gemütlich auf ihrem Weg in die Italien-Ferien. Sie hätten wie schon in den Vorjahren im Elsass übernachtet, sagt Brigitte Loockx. Dass der Gotthardtunnel gesperrt ist, lasen sie schon zu Hause in der Zeitung. Die Informationstafeln entlang der Route hätten sehr geholfen. Dass sie einen Umweg fahren müssen, «ist nicht das Ende der Welt».
Das Astra hat inzwischen angekündigt, dass der Gotthardtunnel am Freitagabend, 15. September, wieder geöffnet wird.
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