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Armin Steinmann geht in Pension
Nach 80’000 Strafbefehlen ist Schluss

Nach 16 Jahren räumt Armin Steinmann Ende Juni sein Büro im Statthalteramt hinter dem Bahnhof Horgen.
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Eine Fensterfront mit Blick auf den Horgner Bushof, ein aufgeräumtes Pult und ein grauer Sitzungstisch mit vier Stühlen: Unaufgeregter könnte ein Büro kaum sein. Der Schein der Langeweile trügt jedoch. Es ist das Reich von Statthalter und Bezirksratspräsident Armin Steinmann. In den letzten 16 Jahren unterschrieb er hier rund 80’000 Strafbefehle und Ordnungsbussen, beaufsichtigte die Kommunalpolizei und schaute den Gemeindebehörden auf die Finger, rückte mit der Feuerwehr bei unzähligen Einsätzen aus oder tröstete aufgebrachte Eltern nach einem Kesb-Entscheid.

Dieser Tage packt er vor allem Umzugskisten, während eine Schreddermaschine in der Ecke seine alten Notizen verdaut. Die braucht der 65-Jährige nicht mehr. Ende Juni legt der Adliswiler sein Amt als Statthalter des Bezirks Horgen und damit auch als Bezirksratspräsident nieder. «16 Jahre sind genug», sagt er. Die Frage, ob er sich auf seine Pension freut, erübrigt sich. Die Schutzmaske mag sein Grinsen verdecken – verbergen kann sie es nicht.

Ein Drittel mehr Anzeigen

In den letzten 16 Jahren begleitete Armin Steinmann einen grossen Wandel der Gemeinden. Während seiner Amtszeit ist der Bezirk Horgen um über 20’000 Einwohner gewachsen – was fast der Einwohnerzahl von Adliswil entspricht. Eine Tatsache, die sich auch auf seine Arbeit auswirkte.

In seinen Anfängen wanderten jährlich um die 4000 Anzeigen über den Schreibtisch. Heute sind es über 6500. Das hat nach Steinmanns Wahrnehmung nicht nur damit zu tun, dass beispielsweise häusliche Gewalt im niederschwelligen Bereich, aber auch Verstösse im Strassenverkehr an sich zugenommen haben, sondern auch damit, dass mehr Anzeigen erstattet werden.

Da pocht man auf Individualisierung, aber Verantwortung übernehmen will man nicht.

Armin Steinmann, abtretender Statthalter und Bezirksratspräsident

«Ich stelle auch eine abnehmende Zahlungsmoral bei Strafbefehlen fest», sagt er. Steinmann kramt einen Ordner hervor mit Seiten voller Tabellen und Auswertungen. Sie zeigen: Das Statthalteramt Horgen schreibt jedes Jahr rund 500’000 Franken an Gebühren ab. Die Busse selbst kann durch Gefängnis oder Arbeitsdienst abgegolten werden, die Gebühr hingegen muss auf dem Betreibungsweg eingefordert werden. Es ist Geld, das den Steuerzahlenden zugute käme.

Darunter seien mehrheitlich junge Menschen im mittleren Lohnsegment, die eine Verkehrsbusse erhalten. Eine Entwicklung, die Steinmann sichtlich ärgert. «Da pocht man auf Individualisierung, aber Verantwortung übernehmen will man nicht.» In solchen Fällen riet er den Jungen jeweils, ein Wochenende mal auf den Ausgang zu verzichten. «Dann wäre das gebügelt.»

5 Bundesordner für Schönenberg

«Ganz schlimm» treffe der Mehraufwand die Bezirksratskanzlei. Das hat vor allem mit der Rekursfreude von Privatpersonen zu tun. Regelmässig im Fokus: die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Hinzu kämen unzählige sogenannte Lex-Koller-Geschäfte – also die Überprüfung von Grundstückskäufen betreffend Finanzierung durch Personen im Ausland.

Die medienwirksamen politischen Diskurse kommen noch obendrauf. Er öffnet einen Korpus, es kommen fünf Bundesordner zum Vorschein, schnörkelig angeschrieben mit «Schönenberg». Darin befinden sich Unterlagen zur Situation im Gemeinderat Schönenberg vor der Fusion. «Das sind nur die wichtigsten Dokumente – für die Beantwortung von Medienanfragen», sagt Steinmann.

Der Konflikt der Horgner Behörden fülle unterdessen genauso viele Ordner. «Das bindet unheimlich Ressourcen», sagt er. Es seien wenige grosse Geschäfte, mit immer wieder neuen langwierigen Verfahrensschritten. Letztere würden die Prozesse in die Länge ziehen. Die Dauer der Verfahren war eine Kritik, die Steinmann in den letzten zwei Jahren vermehrt zu hören bekam und die er stets zurückwies.

Kritik an der Tagesordnung

Wie Armin Steinmann seine Arbeit einschätzt? «Ich gehe mit einem guten Gefühl. Ein Urteil überlasse ich aber anderen – und da gibt es wohl alle Sichtweisen.»

Gesagt, getan. Martin Berger hatte in den vergangenen Jahren als Gemeindepräsident von Kilchberg in verschiedensten Belangen mit Steinmann zu tun. Zum Abschluss schlägt er lobende Töne an: «Er hat mich bei vielen Fragen kompetent unterstützt, was ich sehr geschätzt habe.» Oberriedens Gemeindepräsident Martin Arnold meint: «Armin Steinmann nahm seine Arbeit sehr genau.» Das habe er vor allem bei den Gemeindevisitationen bemerkt. «Manchmal wurden Bereiche geprüft, die wir als eher nicht so wichtig erachteten.» Aber auch das gehöre zur Aufgabe des Bezirksratspräsidenten.

So versöhnlich klang und klingt es nicht immer. So wollten denn nicht alle der angefragten Gemeindepräsidenten eine Stellungnahme abgeben. Ob bei den beiden Fusionen, im Horgner Schulstreit, bei den abgewiesenen Rücktrittsgesuchen der Horgner Gemeinderäte oder beim Entscheid, dass Thalwil sein Resultat zur Urnenabstimmung über den Hafen Farbsteig nicht bekannt geben darf: Kritik stand für Steinmann schon fast an der Tagesordnung.

Ob ihn das nicht ärgert? Er antwortet mit seiner Lebensphilosophie: «Ärgern darf man sich ab und zu, aber ja nie aufregen.» Ob das immer geklappt hat? «Nicht ganz. Dann wenn es persönlich wird, hört bei mir der Spass auf.» Oft sei dies nicht vorgekommen. Ein Beispiel vergisst er aber nicht mehr. Ein Verkehrssünder griff Steinmann persönlich an, rief ihn zu Hause an, drohte und beschimpfte ihn.

Die Sache mit der Macht

Solche Vorfälle gehörten zwar nicht zu seinem Alltag – dass sich die Kritik oft an seiner Person entlud, stört ihn aber heute noch. «Als Bezirksratspräsident habe ich – und das ist mitunter eine Last – auch die Funktion des Mediensprechers.» Das lässt laut Steinmann manche interpretieren, ein Bezirksratspräsident habe eine besondere Machtposition.

«Ich hatte absolut keine Macht. Zumindest nicht mehr als die anderen beiden Bezirksräte auch», verteidigt er. Jeder Beschluss des Bezirksrats könne weitergezogen werden. Oder wie Steinmann es formuliert: «Man kann uns überall zwicken.» Komme hinzu, dass sich der Bezirksrat in solchen Verfahren nicht wehren kann. «Da wir die Vorinstanz und keine Partei in den Verfahren sind, sind wir den Entscheiden der Gerichte ausgeliefert.»

Ich habe schon so oft auf die Mütze gekriegt – man gewöhnt sich dran.

Armin Steinmann

So war es letztlich auch in einem Fall, der Steinmann eigentlich positiv in Erinnerung bleibt. Vor Jahren wurden in einer Wädenswiler Siedlung bei Nacht und Nebel Bäume gefällt, damit die Bauherrin Wohnungen mit Seesicht anbieten konnte. Steinmann griff ein und machte als einer der Ersten im Übertretungsstrafbereich die Gewinnabschöpfung geltend.

Eine Tatsache, die er nicht ohne Stolz erzählt. Die nächste Gerichtsinstanz stutzte ihn dann zwar zurück. Daraus macht er sich heute nicht mehr viel. «Ich habe schon so oft auf die Mütze gekriegt – man gewöhnt sich dran.» Er habe sich dann jeweils gesagt: «Je höher das Gericht, desto politischer der Entscheid.»

Vom Polizisten zum Statthalter

Während des Gesprächs kramt Armin Steinmann sein Handy hervor. Darauf sind Bilder einer abgebrannten Scheune in Schönenberg. In den frühen Morgenstunden rückte er aus, um den Einsatz der Feuerwehr zu beaufsichtigen. Eine Arbeit, die Steinmann gefiel, sei er doch «besonders blaulichtaffin». Das erstaunt wenig, wenn man seinen Werdegang anschaut. Der ursprünglich gelernte Elektromechaniker machte mit Mitte zwanzig die Polizeischule und patrouillierte zehn Jahre als Streifen- und Verkehrspolizist in der Stadt Zürich.

Armin Steinmann politisierte bis 2019 im Zürcher Kantonsrat für die SVP-Fraktion. 

Später wechselte er in die Unfallprävention, absolvierte Studiengänge in Psychologie und Soziologie, war Projektleiter bei der Stadt Zürich und später Abteilungsleiter in Uster und schloss den Master in Public Management ab. Als ehemaliger Grosser Gemeinderat in Adliswil und Kantonsrat der SVP tanzte er auch lange auf dem politischen Parkett.

Anders als viele Bezirksräte ist Steinmann also kein Jurist. Eine Tatsache, die er oft zu hören bekam. «Für das Amt muss man mehr als Jurist sein», antwortete er jeweils. Führungsmanagement, Kenntnisse im Rechnungswesen und Organisationswesen seien genauso wichtig. Um das Basiswissen im juristischen Bereich komme man aber nicht.

Finnland, Alphorn, Enkel

Den Platz in Steinmanns Büro wird nun der Hirzler Markus Braun einnehmen. Ein paar Tage hat ihn Steinmann eingearbeitet. Ansonsten steht für den abtretenden Statthalter in den letzten Tagen Aufräumen und Abschiednehmen auf dem Programm. Schwingt vielleicht doch ein wenig Wehmut mit? «Vielleicht ein bisschen, wenn es um die Mitarbeitenden geht.»

Nach seiner Pensionierung möchte sich Armin Steinmann auch des Öfteren seinem Alphorn widmen.

Kaum hat er sein Büro für immer verlassen, wird er in «seine zweite Heimat», sein Haus in Finnland, gehen. Alleine zu Fuss durch Lappland wandern – das ist ein Wunsch, den sich Steinmann bald erfüllen möchte. In Adliswil wird man den ehemaligen Ausdauersportler beim Nordic Walking sehen – oder mit seinem Trio beim Alphornspielen. Vielem möchte sich Steinmann nun widmen – seinen Enkeln, seiner Gesundheit. Und wie wärs mit einem Comeback in der Adliswiler Politik? «Dem ganz sicher nicht.»

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