Untergang der Credit SuisseMuss Tidjane Thiam seinen Bonus zurückgeben?
Über 62 Millionen Franken hat der ehemalige Konzernchef bei der Bank kassiert. Dabei war er einer der Architekten des Untergangs. Karin Keller-Sutter hat fünf gute Gründe, seinen Bonus zurückzufordern.

Die Verfügung von Karin Keller-Sutter ist knallhart. Die Credit Suisse muss prüfen, ob die Millionen, die den Konzernleitungsmitgliedern seit 2019 ausbezahlt wurden, zurückgefordert werden können. Das hat die Finanzministerin am Dienstag angeordnet.
Am meisten wäre beim ehemaligen Finanzchef David Mathers zu holen, der mit Tricks die Bilanz aufhübschte – und bei Tidjane Thiam. Er war der letzte Konzernchef, der richtig gross Geld verdient, aber wesentlich zum Untergang der Credit Suisse beigetragen hat. Er selber wies im November jede Schuld von sich, aber es gibt mindestens fünf Gründe, warum Keller-Sutter darauf pochen kann, dass er sein Geld zurückgibt.
Der Grundstein des Untergangs
Als Thiam 2015 seinen Job antrat, lagen ihm alle zu Füssen: die Medien, die Anleger und nicht zuletzt das Zürcher Establishment. Sie alle sahen in ihm eine Art Barack Obama der Credit Suisse, der der zweitgrössten Schweizer Bank zu neuem Glanz verhelfen würde. Sogar der lange Zeit mächtigste Mann der Schweizer Wirtschaft, Rainer E. Gut, bis vor kurzem Ehrenpräsident der Bank, war persönlich anwesend bei der Pressekonferenz, an der Thiam vorgestellt wurde.
Das galt als Ritterschlag der noblen Zürcher Gesellschaft. Urs Rohner persönlich verschaffte ihm 2015 eine Villa in Herrliberg, die später in der Spionageaffäre wegen eines Nachbarschaftsstreits um zwei Bäume berühmt werden sollte. Rohner war es auch, der Thiam ans Sechseläuten mitnahm. Thiam kündigte kurz darauf in der «Weltwoche» an, dass er den Schweizer Pass erwerben wolle.
Auch geschäftlich tönte zuerst alles vielversprechend. So kündigte Thiam im Herbst 2015 an, die Bank werde dank des von ihm gestarteten Umbaus binnen fünf Jahren jährlich 10 Milliarden Franken verdienen. Und er versprach nicht weniger, als den Schweizern ihre Kreditanstalt zurückzugeben: Das Schweizer Geschäft der Credit Suisse sollte gesondert an die Börse gebracht werden.
Aus all den Versprechen wurde nichts. Schlimmer noch, sie waren später massgeblich mitverantwortlich für den Untergang der Bank.
Geschönte Zahlen
In der Realität begann Thiams Amtszeit mit Verlusten von fast fünf Milliarden Franken in den ersten beiden Jahren. Er schrieb den für Übernahmen bezahlten Aufpreis der Investmentbank – den sogenannten Goodwill – weitgehend ab und tätigte Rückstellungen für Rechtsfälle in Milliardenhöhe. Das war zwar durchaus sinnvoll, drückte aber nicht auf den Bonus, weil die Bank den «bereinigten Gewinn» erfand.
Thiam verdiente zweistellige Millionenbeträge und bekam gleich zu Beginn über 14 Millionen Franken für das Aktienpaket, auf das er beim früheren Arbeitgeber Anrecht gehabt hatte.
Über 62 Millionen Franken verdiente Thiam in seinen knapp fünf Jahren bei der Credit Suisse. Mehr als zehn davon waren es allein 2019, seinem letzten Jahr als Konzernchef. Damals pervertierte die Bank die Art, wie sie die Boni berechnete. Offiziell betonte sie, dass sie den echten Gewinnbeitrag des Managements belohnen wolle, ohne Sondergewinne oder Sonderverluste aus Firmenverkäufen, teuren Rechtshändeln oder Abschreibungen, die nichts mit dem aktuellen Management zu tun hatten.
In der Realität war alles anders. 2019 war an sich kein schlechtes Jahr, doch vom Konzerngewinn von gut 4,7 Milliarden Franken stammten 825 Millionen allein aus dem Verkauf eines Anteils an der Schweizer Börse und vor allem vom Verkauf der Fondsplattform Investlab an die spanische Allfonds-Gruppe.
Das brachte Thiam einen zusätzlichen Bonus ein. Doch entstanden aus dem Verkauf der Investlab zwei Jahre später mehrmals Verluste von Hunderten Millionen.
Verheerender Imageschaden
Obwohl Thiam wegen des im höchsten Mass imageschädigenden Skandals rund um die Beschattung des abtrünnigen Credit-Suisse-Managers Iqbal Khan gehen musste, beschied ihm die Bank im Geschäftsbericht, er sei «mit gutem Beispiel vorangegangen, was das persönliche Engagement für die Verhaltens- und Ethikstandards der Gruppe betrifft». Und er habe in seiner Zeit als Konzernchef «unter den Geschäftsleitungsmitgliedern Teamgeist und Zusammenarbeit gefördert, die sich in der ganzen Organisation verbreitet haben».
Thiam wurde zum Schweigen verpflichtet, dafür konnte er als unbescholtener Manager – als sogenannter Good Leaver – gehen und bekam noch bis Ende August 2020 seinen Lohn. Die SonntagsZeitung schrieb damals, es habe im Verwaltungsrat deswegen Streit gegeben, was die Credit Suisse in einer Gegendarstellung bestritt. Ungeklärt ist bis heute, wie viel Urs Rohner von der Beschattungsaffäre wusste.
Die Saat der Milliardenverluste
Noch fast wichtiger als der ungerechtfertigt hohe Bonus ist aber, dass Thiam die Saat des Untergangs gelegt hat. Sowohl der Milliardenverlust mit dem zahlungsunfähigen Finanzkonstrukt Greensill als auch der 5-Milliarden-Franken-Verlust wegen ungedeckter Kredite an den Fonds Archegos nahmen ihren Anfang unter Thiam.
2019 liess die Credit Suisse kritische Fragen der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht gleich von Greensill selber beantworten. Die Aufsichtsbehörde kam denn auch im vergangenen Jahr zum Schluss, «dass die Credit-Suisse-Gruppe im Kontext der Geschäftsbeziehung zu Lex Greensill während Jahren die aufsichtsrechtliche Pflicht schwer verletzt hat».
Der Untersuchungsbericht zu Archegos steht immer noch aus. Allein die beiden Skandale müssten eigentlich reichen, dass Thiam einen Teil seines Bonus zurückgeben muss.
Der verheerende Konstruktionsfehler
Der Plan, die Kreditanstalt wieder an die Börse zu bringen, führte zu einem Konstruktionsfehler der Credit-Suisse-Gruppe. Und zwar verbuchte die Bank im Gegensatz zur UBS die Gelder der reichen Privatkunden nicht in jenem Firmenteil, der im Fall eines Konkurses gerettet worden wäre, so wie es im «Too big to fail»-Gesetz eigentlich vorgesehen war.
Das war nach allgemeiner Erkenntnis einer der Hauptgründe, warum vor allem in Asien im vergangenen Herbst und dann wieder im März über 120 Milliarden Franken Kundengelder abgezogen wurden. Das führte letztlich zum Untergang der Credit Suisse.
Schema der Credit Suisse Holding

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