Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mordfall am Thunersee
Staatsanwältin fordert lebenslänglich, Verteidiger Freispruch

Der Angeklagte hört stoisch den Ausführungen der Anwälte zu.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

«Er hatte Lust, jemandem beim Leiden und Sterben zuzusehen.» Für die Staatsanwältin gibt es keine Zweifel. Der 39-jährige Mann hat vor knapp drei Jahren seine Bekannte kaltblütig umgebracht. Er hat sie an einen abgelegenen Ort im Baselbiet gelockt. Mit der Absicht, seine sexuellen Gewaltfantasien mit ihr auszuleben. «Als er merkt, dass sie nicht mitmachen will, schlägt er sie nieder.» Wahrscheinlich mit einem Hammer.

Er fesselt die verletzte Frau, später legt er einen Kabelbinder um ihren Hals und zieht zu. Danach versenkt er die Leiche – beschwert mit einem Baustellensockel – im Thunersee, «wie in einem schlechten Mafia-Film». Laut rechtsmedizinischem Gutachten ist die 31-jährige Frau noch bei Bewusstsein, als sie erdrosselt wird. «Sie hat sich gewehrt», sagt die Staatsanwältin. «Sie muss gemerkt haben, dass es kein gutes Ende nimmt. Die Qualen und Angst, die sie erleiden musste, sind unvorstellbar.»

Hat er ihr beim Sterben zugesehen?

Für die Staatsanwältin ist erwiesen, dass der Mann, der ihr Plädoyer ruhig, aber mit einem gelegentlichen Kopfschütteln quittiert, aus purer Mordlust gehandelt hat. «Er hat der Frau den Kabelbinder um den Hals gelegt und vorne zugezogen, dass er ihr beim Sterben ins Gesicht sehen konnte.» Das Ganze habe ihn wahrscheinlich erregt. «Dabei fühlte er sich mächtig», mutmasst die Staatsanwältin. «Er ist gefühlskalt, grausam und äusserst gewalttätig vorgegangen.»

Beim Tauchplatz Enteneck zwischen Gunten und Merligen wurde die tote Frau geborgen.

Von der Version des Mannes, alles sei nur ein unglücklicher Unfall gewesen, will sie nichts wissen. Die Kopfverletzungen der Frau hätte sie sich nie und nimmer bei einem Sturz zugezogen. «Er ist auch nicht in Panik geraten, wie er behauptet.» Vielmehr ist er strukturiert vorgegangen. So hat er die Frau in seinen VW-Transporter verfrachtet, sich bei einem Zwischenstopp bei sich zu Hause einen Drink genehmigt, Musik gehört und im Internet nach geeigneten Orten gesucht, um die Leiche zu entsorgen. «So etwas tut man nicht, wenn man durcheinander ist. Das ist abgebrüht.»

Die Auswahl des Opfers ist laut Staatsanwältin nicht zufällig geschehen. Er kannte sie von früher. Die beiden hatten ab und zu Sex, wohnten zeitweise sogar zusammen. Sie sei «eine Kollegin mit Sonderleistungen» gewesen, sagt er einmal bei einer Einvernahme. «Sie war zu vielem bereit. Das wusste er», so die Staatsanwältin. Das kam ihm gerade recht, wollte er doch seine zunehmenden Gewaltfantasien nicht nur mit Videos stillen, sondern real ausleben.

«Es gibt ein klares Mosaikbild, auch wenn einzelne Teile fehlen», sagt die Staatsanwältin in ihrem Parteivortrag am Dienstag. Nicht auffindbar ist etwa der Hammer und auch das Motiv des Mannes ist unklar. Für sie gibt es trotzdem nur eine Konsequenz: Schuldspruch wegen Mordes. Sie verlangt für die grausame Tat eine lebenslange Freiheitsstrafe, kombiniert mit einer ambulanten Therapie.

Bis jetzt hat sich der Mann jedoch wenig motiviert gezeigt, sich behandeln zu lassen. Das ist auch der Staatsanwältin nicht entgangen. Ebenso wenig wie die Prognose des Gutachters, der den Mann als schwierig therapierbar taxiert. Eine Verwahrung fordert sie aber nicht. «Sie kann später immer noch verfügt werden, wenn die Therapie nichts nützen sollte.»

War es doch ein Sturz?

Dann ist die Reihe am Pflichtverteidiger. Er ist sich bewusst, dass seine Rolle im vorliegenden Fall schwierig ist. Deshalb sagt er einführend: «Ich bin verantwortlich für einen fairen Prozess.» Dann arbeitet er die Anklageschrift ab – drückt den Finger auf jeden für ihn wunden Punkt.

Er bemängelt die Tatsache, dass keine Waffe gefunden wurde, mit welcher die Frau niedergeschlagen worden ist. Ein unglücklicher Sturz der Frau auf ein Steinkreuz, das am Ort des Geschehens steht, ist f¨ür ihn durchaus möglich. Sein Mandant habe die Frau danach irrtümlicherweise für tot gehalten. «Von diesem Moment an hat er nicht mehr rational gehandelt.»

Für den Anwalt ist durchaus denkbar, dass die Frau gar nicht mehr zu sich gekommen ist. Da es in der fraglichen Nacht Mitte Januar 2021 sehr kalt war, «kann die Bewusstlosigkeit der Frau durchaus länger gedauert haben». Ein Fragezeichen macht der Verteidiger auch beim Motiv. So könne der Gutachter nicht mit allerletzter Sicherheit sagen, dass die Tat sexuell motiviert war. «Der Konsum von Gewalt-Pornografie heisst nicht einfach, dass die Person gestört ist.»

Der Verteidiger fordert einen Freispruch vom schwersten Vorwurf, dem des Mordes. Für die restlichen Delikte – Störung des Totenfriedens, Pornografie und Gewaltdarstellungen – sieht er eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten als angemessen. Das ist deutlich weniger als die Zeit, die der Angeklagte bereits hinter Gittern sitzt. Sein Mandant sei deshalb unverzüglich zu entlassen, sagt der Verteidiger.

Das Regionalgericht Oberland verkündet das Urteil voraussichtlich am Freitagnachmittag.