Grünes Band BernMit dem E-Bike rund um die Hauptstadt
Stadt, Agglomeration, Dörfer, Weiler, Gehöfte, Landschaften, Flüsse, Seen: Die Veloroute 888 rund um die Bundesstadt bietet spannende Aussichten und Einblicke.
Man kommt sich vor wie ein Rowdy, wenn man sich mit dem Velo mitten durch das Gewimmel im Berner Bahnhof schlängelt. Anders geht es nicht: Die Ausgabe der E-Bikes von Rentabike erfolgt im Bahnreisezentrum der SBB.
Um zum Ausgangspunkt der Veloroute 888 beim Flughafen Bern-Belp zu gelangen, muss man, ist man einmal draussen auf dem Bahnhofplatz, zudem die halbe Stadt durchqueren. Aber man bemerkt bald, wie fahrradfreundlich die Bundesstadt tatsächlich ist: Velostreifen überall, notfalls, zum Beispiel am belebten Bubenbergplatz, quer übers Trottoir, was wiederum nicht alle Fussgänger erfreut.
Beim Flughafen, der mitten in den Feldern des Belpmooses liegt, ist es schon ganz ländlich. Ein Ferienflieger steht am Pistenrand; knatternd landet ein einsamer Sportflieger. Ansonsten wirkt der Flughafen verlassen. Kehrt man ihm den Rücken, hat man hingegen die Belper Giessen vor sich, laut WWF eine Auenlandschaft von nationaler Bedeutung: vom Grundwasser gespeiste und deshalb kristallklare Nebenläufe der Aare. Von hier aus führt die Rundroute entweder nach Norden: nach Kehrsatz, dann südlich vom Gurten durch das Köniztal nach Köniz und weiter. Oder aber nach Süden bis hinunter zur Hunzikenbrücke über die Aare, einem belebten Verkehrsknotenpunkt, auf dem sich Radfahrer etwas bedrängt fühlen.
Unverbauter Grüngürtel
Man ruft sich kurz in Erinnerung, wieso die 59 Kilometer lange Rundstrecke zwei Namen trägt: Bei Swissmobil heisst sie Route 888; so ist sie ausgeschildert, ziemlich perfekt übrigens. Es ist fast nicht möglich, sich zu verfahren. Die Route 888 ist ein Nebenast der nationalen Veloroute 8 vom Grimselpass entlang der Aare bis zu ihrer Einmündung in den Rhein bei Koblenz.
«Grünes Band Bern» hingegen heisst die Velorundfahrt, weil sie ihre Ursprünge 2007 in der Raumplanung der Gemeinden Köniz hat. Dort wurde festgelegt, dass ein Grüngürtel langfristig das urbane Zentrum der (mit 42‘000 Einwohnern viertgrössten) Gemeinde des Kantons von ihren ländlichen Zonen abgrenzen soll. Bis 2011 nahmen alle Berner Agglomerationsgemeinden die Idee des «Grünen Bandes» in das Verkehrs- und Siedlungskonzept auf.
Der Rad-Rundkurs ist ein indirekter Sprössling dieses Planungsprozesses und wird jetzt von der Tourismusorganisation Bern Welcome vermarktet. Die Projektleiterin von Bern Welcome lässt unser Grüppchen viele Male anhalten. Denn entlang der Route finden sich immer wieder markierte Erlebnisorte, wo Bänke aus rohen Baumstämmen zum Verweilen laden und grüne Tafeln in Deutsch und Französisch über Natur, Geografie und Landwirtschaft informieren.
Wir sind inzwischen durch eine Einfamilienhaussiedlung in Rubigen gefahren, Agglomeration, wie sie im Büchlein steht, und nehmen den Aufstieg nach Allmendingen unter die Räder: ein nicht enden wollender, stetig ansteigender Abschnitt der Kantonsstrasse. Biker mit normalen Rädern kommen hier ins Schwitzen und Schnaufen; die Elektromotoren unserer «Flyer» nehmen uns den grössten Teil der Mühe ab. E-Biker seien das eigentliche Zielpublikum, heisst es bei Bern Welcome, und sie dürfen durchaus auch gesetzteren Alters sein.
Geniesser als Zielpublikum
Denn man soll entlang der Strecke nicht nur radeln. Man soll sich Zeit nehmen, soll verweilen, sich verpflegen, lokal einkaufen. Zum Beispiel im kleinen Dorfladen an der Hauptstrasse in Allmendingen, wo unter anderem diverse Käse aus Käsereien der Region angeboten werden. Oder, weiter auf der Route, im ehemaligen Bahnhöfli von Deisswil. Hier bietet das Kaffeehaus Stettler exklusive Kaffeemischungen an. Fabienne Stettler, welche die Firma zusammen mit ihrem Vater Jean-Pierre führt, serviert uns im Garten ihres kleinen Cafés einen köstlichen Espresso samt Nussgipfel.
So gestärkt, fahren wir hinauf nach Flugbrunnen oberhalb von Bolligen. Annemarie und Walter Stettler (nicht verwandt mit dem Kaffeehaus) bauen auf ihrem Hof vor allem Obst an, das sie auf dem Berner Märit verkaufen. Vierzig Sorten Äpfel gibt es bei Stettlers unter anderem, darunter viele, die alt und traditionell sind und nicht ins standardisierte Sortiment der Supermarktketten passen. Eine Degustation fördert erstaunliche Unterschiede zutage: süss, säuerlich, knackig, fruchtig, saftig.
Inzwischen haben wir ein Drittel der Strecke zurückgelegt, und zum ersten Mal, vom Weiler Habstetten hoch über Bolligen, bietet sich ein Weitblick über die Stadt Bern, umgeben von einem Gürtel gesichtsloser Aussenquartiere. Und bei der Fahrt durch Felder und Wälder hinunter zum Grauholz werden wir plötzlich von der Zivilisation in ihrer brutalsten Form eingeholt: Wir überqueren die sechsspurige, dicht befahrene Autobahn über eine Brücke bei der Raststätte.
Unser nächster Halt ist wieder ganz der Landwirtschaft gewidmet: Am Rand der Gemeinde Zollikofen werden im Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrum Inforama angehende Bäuerinnen und Bauern ausgebildet. Durch weiträumige Felder und Wälder geht es danach auf einer sanften auf- und absteigenden Route in Richtung Wohlen und von dort steil hinunter zum gleichnamigen Stausee, der verschwitzte Radler zum Bad ladet.
En route zur Radwanderdestination
Eine der nächsten Stationen nach dem Wohlensee wäre ein Weiler mit dem ungewöhnlichen Namen «Chäs u Brot». Der Name stammt angeblich aus dem Jahr 1339, als sich Berner Truppen hier verpflegten, bevor sie in die Schlacht bei Laupen zogen. Doch wir beenden am See unsere Rundfahrt; der Rest der Strecke ist für ein nächstes Mal vorgesehen. Durch den weiträumigen Bremgartenwald und das Länggassquartier geht es zurück zum Bahnhof, wo wir wieder unsere Velos durch die Masse der Reisenden schieben.
Geht es nach Bern Welcome, soll Bern zu einer führenden Radwanderdestination der Schweiz werden. Mit der Route 888 ist der erste Schritt gemacht und noch dieses Jahr sollen zwei weitere Radwanderrouten folgen.
Weitere Informationen: gruenesband.ch
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