Unruhen in BangladeschRegierungschefin tritt nach tödlichen Protesten zurück und flieht ins Ausland
Die Ereignisse in Bangladesch überschlagen sich. Demonstranten stürmten den Amtssitz, die Regierungschefin verliess das Land per Helikopter.
Die Ministerpräsidentin von Bangladesch, Sheikh Hasina, ist nach 15 Jahren im Amt angesichts anhaltender Demonstrationen zurückgetreten. Das bestätigten Militär und Aussenministerium am Montag. Offenbar hatten Tausende Demonstranten trotz einer vom Militär verhängten Ausgangssperre Hasinas offizielle Residenz gestürmt. Militärchef General Waker-uz-Zaman kündigte an, er werde mit dem Präsidenten über die Bildung einer Übergangsregierung beraten. Das Militär werde sich aber zurückziehen.
Kurz nachdem die Regierungschefin mit ihrer Schwester einen Militärhubschrauber bestiegen hatte, wandte sich der Militärchef an die Menschen in Bangladesch. Er erklärte, das Militär werde eine Untersuchung der Polizeieinsätze gegen Demonstranten einleiten, die die Empörung gegen die Regierung angeheizt hatten. Zudem bat er die Bürger um Zeit für die Wiederherstellung des Friedens.
«Wir werden alle Tötungen untersuchen und die Verantwortlichen bestrafen», sagte er. «Ich habe angeordnet, dass die Armee und die Polizei keine Schüsse abgeben werden.» Jetzt hätten aber auch die Studierenden die Pflicht, ruhig zu bleiben und die Streitkräfte zu unterstützen.
Hasina traf am Montag in einer indischen Stadt an der Grenze zu Bangladesch ein, wie aus Militärkreisen verlautete. Es war nicht klar, wohin sie als Nächstes reisen würde.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Über 300 Tote in den vergangenen Wochen
Zuvor hatte es Berichten zufolge bei neuerlichen Protesten Dutzende Tote gegeben. Die Tageszeitung «Prothom Alo» meldete am Sonntag einen Anstieg der Totenzahl auf fast 95, darunter 14 Polizisten. Der Sender Channel 24 berichtete von mindestens 85 Todesfällen durch Gewalt. Insgesamt wurden fast 300 Todesopfer und mindestens 11’000 Festnahmen in den vergangenen Wochen gemeldet.
Die Proteste gegen Hasina hatte Ende Juni friedlich mit der Forderung von Studenten begonnen, ein Quotensystem für staatliche Stellen abzuschaffen, das Anhänger von Hasinas Awami-Liga bevorzuge. Nach Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei sowie regierungsfreundlichen Aktivisten an der Universität von Dhaka kam es jedoch zu Gewalt. Die Versuche der Regierung, die Demonstrationen mit Gewalt, Ausgangssperren und Internetabschaltungen zu unterdrücken, schlugen fehl, was zu weiterer Empörung führte.
Aufruf zum Rücktritt Hasinas
Das Oberste Gericht schränkte die kontroverse Quotenregelung zwar vor kurzem stark ein, doch die Proteste gingen weiter. Die Demonstranten fordern jetzt Rechenschaft für die Todesfälle bei den Kundgebungen, die sie auf exzessive Gewaltanwendung der Polizei zurückführen. Ausserdem verlangten sie den Rücktritt von Ministerpräsidentin Hasina.
Die Organisatoren der Proteste riefen am Wochenende zur «Nichtkooperation» auf. Die Leute sollten keine Steuern oder Energierechnungen zahlen und nicht zum Dienst erscheinen, lautete ihr Appell. Büros, Banken und Fabriken waren am Sonntag letztlich zwar geöffnet, doch hatten Pendler in Dhaka und in anderen Städten Probleme, zur Arbeit zu kommen.
In einer Reaktion auf die Unruhen erklärte die Regierung den Montag, Dienstag und Mittwoch zu Feiertagen. Gerichte wurden auf unbestimmte Zeit geschlossen, Mobilfunkdienste gekappt. Facebook und Messaging-Dienste wie Whatsapp waren nicht erreichbar. Der Staatssekretär für Information und Medien, Mohammed Ali Arafat, erklärte, mit dem Schritt solle die Gewalt eingedämmt werden. Am Montag waren Internetverbindungen wieder verfügbar.
Die 76-jährige Hasina wurde erst im Januar wiedergewählt und trat eine vierte Amtszeit an. Allerdings wurde die Wahl von den grössten Oppositionsgruppen boykottiert. Tausende Oppositionsmitglieder wurden vor der Wahl inhaftiert. Ihre politischen Gegner hatten ihr bereits in der Vergangenheit vorgeworfen, immer autokratischer zu regieren, und sie als Bedrohung für die Demokratie des Landes bezeichnet.
AFP/pash
Fehler gefunden?Jetzt melden.