Harziger Start für ImpfzentrenMeilen will Bevölkerung impfen – Horgen könnte leer ausgehen
Die Gemeinden und Spitäler kritisieren den Aufbau von Corona-Impfzentren durch den Kanton als Hauruckübung. Sie halten die Vorgaben für nicht praktikabel.
Ab April soll sich die breite Bevölkerung gegen Corona impfen lassen können. Dafür plant die kantonale Gesundheitsdirektion vier Impfzentren, in welchen täglich 1000 bis 4000 gesunde 20- bis 64-Jährige die Injektion erhalten. Für diese Impfzentren sucht sie nun Betreiber. Ende Jahr schrieb sie den Auftrag aus und informierte unter anderem Gemeinden und Spitäler. Angebote können bis Freitag, 15. Januar, eingereicht werden.
Für diese kurze Frist haben betroffene Gemeindepräsidenten – gelinde gesagt – nur ein Kopfschütteln übrig. Sie haben erst Anfang Januar die Ausschreibung gesehen. So blieben ihnen rund zehn Tage, um abzuklären, wo und wie sie ein Impfzentrum errichten könnten.
Zeit zu knapp
Markus Ernst (FDP), Gemeindepräsident von Küsnacht, bemängelt: «Der Kanton weiss seit sechs Monaten, dass die Bevölkerung geimpft werden kann, und hat uns im Dunkeln gelassen. Nun sollen wir innert weniger Tage eine Lösung präsentieren.»
Es ist aber nicht nur die kurze Frist, die Markus Ernst, Präsident der Gemeindekonferenz des Bezirks Meilen, stört, auch die Grundidee des Kantons hält er für wenig sinnvoll. Der Bezirk Meilen soll mit den Bezirken Uster, Hinwil, Pfäffikon und Winterthur eine Impfregion bilden. «Ich glaube nicht, dass dieses Setting für die gewünschte hohe Impfquote förderlich ist und viele Einwohner aus dem Bezirk Meilen zwei Mal für die Impfung nach Winterthur fahren würden», sagt Ernst.
Mit dieser Kritik ist er nicht allein. Martin Arnold (SVP), Gemeindepräsident von Oberrieden und Gesundheitsreferent im Verband der Gemeindepräsidien im Kanton Zürich, hält ebenfalls wenig vom Vorgehen und den Vorgaben des Kantons. In dieser kurzen Zeit sei es nicht möglich, einen Standort und den Betrieb seriös zu evaluieren und eine zuverlässige Offerte einzureichen, sagt er.
Finanzielles Risiko bleibt
Arnold kritisiert das finanzielle Risiko, welches die Betreiber zu tragen haben. Die Impfzentren werden mit einem Pauschalbetrag von 14.50 pro Impfung abgegolten. «Was ist, wenn sich nicht 1000 Personen pro Tag im Zentrum impfen lassen, auf das es ausgelegt wäre?», fragt er und gibt die Antwort gleich selber: «Dann würden die Gemeinden und Spitäler auf den Kosten sitzen bleiben.»
Martin Arnold hält fest: «Das See-Spital und das Spital Affoltern können dieses Risiko nicht tragen, und den Gemeinden fehlt eine gesetzliche Grundlage.» Deshalb seien die Gemeinden der Bezirke Horgen und Affoltern sowie das See-Spital und das Spital Affoltern zum Schluss gekommen, keine Offerte für ein Impfzentrum einzureichen.
Das See-Spital ergänzt, es könne die Anforderungen, welche die Gesundheitsdirektion stelle, aktuell nicht organisieren und umsetzen. Zu diesen Anforderungen gehört ein ganzer Katalog, angefangen beim Personal, das impft, bis zur Infrastruktur, inklusive Wartebereich und Notfallzimmer. Noch unklar ist gemäss Ausschreibung, wie sich die Impfwilligen anmelden können. Auch diesbezüglich werden die Betreiber möglicherweise in die Pflicht genommen.
Impfzentrum in Turnhalle
Der Bezirk Meilen will trotz schwieriger Voraussetzungen ein Impfzentrum stemmen. Er geht aber in Absprache mit der Region Winterthur und Uster einen eigenen Weg. Statt ein einziges Impfzentrum in der Grossregion Winterthur-Oberland-See soll es drei geben. «Das Spital Männedorf reicht – in Kooperation mit den Gemeinden – ein Angebot ein», sagt Markus Ernst.
Wie Markus Ernst bekannt gibt, ist das rechtsufrige Impfzentrum in einer Turnhalle in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Meilen geplant. Die Kapazität des Meilemer Impfzentrums werde auf die Nachfrage ausgelegt, also gut 1000 Personen täglich. Bei Belastungsspitzen an Wochenenden soll es zusätzliche Kapazität ermöglichen.
Er sagt: «Ich hoffe fest, dass die Gesundheitsdirektion bei der Vergabe die Interessen der Gemeinde und damit der Einwohnerinnen und Einwohner berücksichtigt.» Laut Ausschreibung vergibt sie die Aufträge spätestens am 22. Januar.
Unterstützung zugesichert
Bleibt die Bevölkerung im Bezirk Horgen auf der Strecke? Das ist nicht das Ziel der linksufrigen Politiker und des See-Spitals. «Wir bieten selbstverständlich unsere Unterstützung an, wenn jemand ein Impfzentrum betreiben will», hält Martin Arnold fest. Dies hätten die Gemeinden und die Spitäler der Gesundheitsdirektion mitgeteilt.
Infrage kommen für Martin Arnold kleinere, aber zentral gelegene Impfzentren, beispielsweise in Horgen oder Thalwil. Der Kanton müsste den Bezirk Horgen aber explizit dazu auffordern. «Es wäre lösbar», sagt Arnold, «doch es hängt vom finanziellen Risiko ab.»
Das See-Spital stellt ebenfalls Hilfe in Aussicht. «Wir leisten sicher einen Beitrag, damit die regionale Bevölkerung schnellstmöglich geimpft werden kann», teilt die Medienverantwortliche des See-Spitals, Melanie Roche, mit. Das Spital könne Unterstützung mit medizinischem Personal bieten. Es könnte impfen und die geimpften Personen überwachen. «Im Detail sind sicher auch weitere Unterstützungen möglich», sagt sie. Das See-Spital habe selbstverständlich grosses Interesse daran, in einem Impfzentrum aktiv mitzuwirken. Eine adäquate Variante wäre eine dezentrale Impfung durch Hausärzte und Spital. Es gebe aber noch viele offene Fragen bezüglich Lagerung und Verteilung der Impfstoffe.
Wo ein solches Impfzentrum entstehen könnte und wer es beitreiben würde, ist aber offen. Die Gesundheitsdirektion gibt dazu keine Auskunft. Zurzeit sind auch keine Pläne bekannt, in dem seit kurzem leer stehenden Paracelsus-Spital in Richterswil, das aus finanziellen Gründen den stationären Bereich aufgeben musste, ein Impfzentrum aufzubauen. Die NSN Medical, welche das Paracelsus-Spital betrieben hatte, habe sich diese Möglichkeit überlegt, aber wieder verworfen, wie CEO Jürgen Robe sagt.
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