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Meinung

Kommentar zu Locarno-Plakat
Was soll dieser Locarno-Leopard, Annie Leibovitz?

Druckfrisch aus dem Photoshop: Das neue Plakat des Filmfestivals stammt von Starfotografin Annie Leibovitz.
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Das Filmfestival von Locarno wartet 2024 nicht mit einem kunstvoll gestalteten Plakat einer Grafikerin oder eines Grafikers auf, wie es das traditionell tut, sondern lockt mit plattem Photoshop-Naturalismus aus dem Hause Annie Leibovitz. Wie mit einem Zauberstab hat die Fotografin, die für ihre Porträts von Filmstars und Prominenten bekannt ist, einen Leoparden an die Ufer des Lago Maggiore gebeamt. Die Steigung der Berghänge im Hintergrund findet eine Entsprechung auf dem Rückgrat der Raubkatze, die aufmerksam schauend stehen geblieben ist. Zwischen ihren Beinen funkelt das Wasser in dämmrigem Licht.

Was hat das wohl gekostet, Maja Hoffmann? Die Kunstmäzenin wurde letztes Jahr zur Präsidentin des Filmfestivals gewählt. Sie bedankt sich in dem am Dienstag versandten Pressecommuniqué in perfektem Werbedeutsch bei Leibovitz für deren «einzigartigen visuellen Stil» und dafür, dass sie der Idee des Festivals «Gestalt verliehen hat». Wir sehen allerdings auf dieser Fotomontage weder Leibovitz’ Stil noch eine Idee, die Gestalt annimmt.

Das Plakat wurde von Paolo Jannuzzi und Richard Smith gestaltet, einer Werbeagentur, die in Lugano und London ihre Niederlassungen hat.

Es ist kaum anzunehmen, dass das Plakat bloss ein Liebesdienst der Starfotografin ist, die schon mehrmals vor dem finanziellen Ruin stand. Leibovitz hat seit langem ein gutes Einvernehmen mit der grosszügigen Mäzenin, die ihr 2017 mit ihrer Luma-Foundation in Arles die frühen Jahrgänge ihres Fotoarchivs abgekauft hat und eine Ausstellung samt Katalog finanzierte. Die Plakatkosten dieses Direktauftrags – in früheren Jahren wurde jeweils ein Wettbewerb ausgerichtet – sollen sich im üblichen Rahmen bewegen, heisst es seitens des Festivals.

Ein Jahr zuvor wurde Leibowitz auch von der UBS, die seit Jahr und Tag zu den Grosssponsoren des Filmfestivals Locarno gehört, aus der finanziellen Misere geholfen. Die Bank finanzierte ihr eine Wanderausstellung mit ihren zum Teil wirklich grossartigen «Women»-Fotos. Und kaufte bei ihr eine teure Werbekampagne. Schliesslich stand Leibovitz 2019 vor einem New Yorker Gericht, weil sie Schulden in der Grössenordnung von 24 Millionen Dollar nicht zurückzahlen konnte.

Das Plakat wurde von Luciano Baragiola, einem Grafiker aus Zürich, gestaltet.

Es ist sicher eine vornehme Geste, dass das Tessiner Festival und dessen Präsidentin Not leidenden Starkünstlern aus Übersee hilft. Aber Kulturförderung wünschen wir uns anders. Besonders, wenn es um eine zur Tradition gewordene Plakatkultur geht, die mit ihrer gelb-schwarzen Bildsprache wesentlich zur Corporate Identity des Festivals Locarno beigetragen hat: Den Grafikerinnen und Grafikern, die bisher mit wirklich originellen Ideen Kraft, Dynamik und Ästhetik des Festival-Leoparden aufs Plakat gebannt haben, erweist Locarno mit diesem jüngsten Plakat jedenfalls keinen Dienst.

Das Plakat stammt von dem britischen Duo Sarah und Ciaren Dante.