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Literaturnobelpreis-Trägerin Toni Morrison ist tot

Toni Morrison anlässlich einer Lesung in New York. (AP/Keystone/Bebeto Matthews/27. Februar 2013)
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Als erster Afroamerikanerin wurde Toni Morrison der Nobelpreis für Literatur verliehen. Zu den bedeutendsten literarischen Stimmen der USA gehörte sie da schon lange. Jetzt ist Morrison im Alter von 88 Jahren gestorben. Ihre Mission sah sie bis zuletzt als nicht erfüllt an.

Rund ein halbes Jahrhundert lang hat Toni Morrison den Rassismus in den USA angeklagt. 1993 brachte ihr das den Literaturnobelpreis ein - als erster Afroamerikanerin überhaupt.

Morrison wurde zu einer der weltweit wichtigsten Schriftstellerinnen der Geschichte der USA und zum «Gewissen Amerikas». Ihre Werke verkauften sich millionenfach. Am Montagabend starb Morrison im Alter von 88 Jahren, wie ihr Sprecher Paul Bogaards der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag bestätigte. Die Nobelstiftung würdigte sie als «eine der stärksten und einflussreichsten literarischen Kräfte unserer Zeit».

Auch zahlreiche Kollegen und Fans verliehen ihrer Trauer über den Tod der Schriftstellerin öffentlich Ausdruck. «Danke, Toni Morrison, für die Schönheit, die du in unserer Welt enthüllt hast», schrieb Apple-Chef Tim Cook bei Twitter. «Ruhe in Frieden.» Die TV-Produzentin Shonda Rhimes («Grey's Anatomy») schrieb, Morrison sei ihr Vorbild gewesen. «Sie hat mich verstehen lassen, dass der Beruf der Autorin ein ehrenwerter ist. In meiner Kindheit wollte ich immer nur wie sie werden. Ein gemeinsames Abendessen werde ich nie vergessen.»

«Ein nationaler Schatz»

Der frühere US-Präsident Barack Obama veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das ihn gemeinsam mit der Autorin im Weissen Haus zeigt. «Toni Morrison war ein nationaler Schatz und auf Buchseiten wie in echt eine faszinierende Geschichtenerzählerin. Ihre Texte waren eine wunderschöne und bedeutende Herausforderung an unser Gewissen und unsere moralische Vorstellungskraft.(...)»

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Morrisons langjähriger Herausgeber Robert Gottlieb vom Verlag Knopf schreib: «Sie war eine grossartige Frau und eine grossartige Autorin, und ich weiss nicht, welche von beiden ich mehr vermissen werde.» Verlagschef Sonny Mehta erklärte, wenige US-Autoren hätten «mit mehr Menschlichkeit oder mehr Liebe zur Sprache geschrieben als Toni». Ihre Erzählungen und Romane gehörten zu den absoluten Standard-Werken der US-Literatur, «aber noch viel wichtiger - sie werden bis heute von den Lesern geliebt».

Mahnungen mit drastischen Worten

Ihre Mission sah Morrison bis zuletzt nicht als erfüllt an. Für ihre Mahnungen fand sie teils drastische Worte. «Ich will sehen, wie ein schwarzer Polizist einen unbewaffneten weissen Teenager in den Rücken schiesst. Und ich will sehen, wie ein weisser Mann verurteilt wird, der eine schwarze Frau vergewaltigt hat. Und wenn man mich dann fragt: »Ist es vorbei?«, dann sage ich: »Ja«.»

Die wortgewaltige Autorin, die im Alter mit gesundheitlichen Problemen kämpfte und im Rollstuhl sass, schrieb bis zuletzt. 2017 erschien ihr Roman «Gott, hilf dem Kind» auf Deutsch, 2018 ihre Essays «Die Herkunft der anderen: Über Rasse, Rassismus und Literatur».

«Beim Schreiben bin ich frei von Schmerzen», sagte die grosse, selbstbewusste Frau mit den dichten grauen Haaren einmal dem Radiosender NPR. «Das ist der Ort, an dem ich lebe, an dem ich die Kontrolle habe, wo niemand mir sagt, was ich machen soll, wo meine Kreativität fruchtbar ist und ich am allerbesten bin.»

Ihre Schreibweise verglich sie gerne mit der Kunst eines Gourmetkochs. «Ich schreibe so, dass der Leser meine Worte lustvoll geniessen kann, kostet, dann pausiert und schliesslich weiter schwelgt.»

Was es hiess, als Schwarze aufzuwachsen

Alles begann 1970 mit dem Roman «Sehr blaue Augen», in dem sie beschrieb, was es hiess, als Schwarze aufzuwachsen. Es war das Buch, das sie immer habe lesen wollen, das es aber noch nicht gab, wie Morrison gerne erzählte. Also stand die geschiedene alleinerziehende Mutter zweier kleiner Söhne jeden Morgen um vier Uhr auf und schrieb es. Danach ging sie zu ihrem Job als Lektorin in einem grossen Verlagshaus. «Sehr blaue Augen» wurde ein von Kritikern gefeierter Erfolg.

Es folgten weitere Erfolgsromane wie «Sula», «Solomons Lied», «Teerbaby», der Sklavenroman «Menschenkind», «Jazz» und das 500-Seiten-Werk «Paradies», das viele Kritiker als Morrisons bestes ansehen.

1993 erhielt Morrison den Literaturnobelpreis. Er wurde ihr verliehen, weil sie in ihren Romanen, «die sich durch visionäre Kraft und poetischen Import auszeichnen, einen wesentlichen Aspekt der amerikanischen Realität zum Leben erweckt», wie die Schwedische Akademie zur Begründung schrieb.

Nebenbei lehrte die 1931 in der Kleinstadt Lorain im US-Bundesstaat Ohio als Chloe Wofford geborene Autorin jahrelang an der Eliteuniversität Princeton kreatives Schreiben.

2010 starb einer ihrer beiden Söhne an Krebs, ein Schicksalsschlag, mit dem Morrison lange kämpfte. «So etwas kann man nicht hinter sich bringen. Nicht mit einem Kind. Ein Kind soll einen begraben.»

afp/sda/fal