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45 Millionen für Schweizergarde
Die Leibwache des Papstes baut eine Kaserne – auf Schweizer Kosten

Leibwächter des Papstes – und beliebtes Fotomotiv: Die Schweizergarde im Vatikan.
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Es geht um Geld – aber auch um sehr viel mehr an diesem Abstimmungssonntag im Kanton Luzern: um Werte, Religion und Religionsfreiheit. 

«Wer steinreich ist und trotzdem auf Betteltour geht, verhöhnt uns», sagt Lisa Arnold, Geschäftsführerin der Freidenker-Vereinigung, zum Auftakt der Abstimmungskampagne. «Jetzt haben wir die Möglichkeit, diesen Mist zu versenken.»

Der «Mist», das ist eine 400’000-Franken-Spende des Kantons Luzern an die päpstliche Schweizergarde. Sie will damit im Vatikan eine neue Kaserne bauen.

Referendum der Freidenker

Von Angela Lüthold, Präsidentin der SVP Kanton Luzern, tönte es so zurück: «Wer die Spende ablehnt, lehnt auch urschweizerische Werte ab.» Denn, so sagte es ihr Kantonsratskollege Ferdinand Zehnder von der Mitte: «Die Schweizergarde steht für Kompetenzen, für die wir weltweit bewundert werden: Reputation, Glaubwürdigkeit und Solidarität.»

Das Geld für die päpstliche Garde war vom Luzerner Kantonsrat zwar schon mit grossem Mehr beschlossen worden. Aber die Freidenkerinnen und Freidenker sammelten – unterstützt von Grünen, SP und Jungparteien – in Rekordzeit doppelt so viele Unterschriften, wie nötig sind, um den Beschluss an die Urne zu bringen. Am 25. September wird abgestimmt. Die Freidenker-Bewegung engagiert sich für die Anliegen der Religionslosen und für die Trennung von Kirche und Staat.

Nicht umstritten ist dabei, dass die über 100 Jahre alte heutige Kaserne ausgedient hat. An der Pressekonferenz des Pro-Komitees sprach der aus Rom angereiste Gardist Patrick Dubach von Schimmel, maroden Sanitäranlagen, schlechter Isolation. «Wir Schweizergardisten sind ein einfaches Leben gewohnt», sagte Dubach, «aber selbst wir müssen sagen: Die Kaserne entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen.»

Beengte Verhältnisse: Zweierschlag in der alten Schweizergarde-Kaserne.

Eine Studie im Auftrag der Garde ergab, dass nur ein Neubau infrage kommt. Die neue Kaserne wird über 114 Einzelzimmer für Hellebardiere, 11 Studios für Unteroffiziere und 26 Wohnungen für Familien verfügen. Alle Gardisten und ihre Familien können so unter einem Dach untergebracht werden. Die Kosten: 45 Millionen Franken.

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Der geplante Neubau von aussen.
Neu soll jeder Gardist ohne Familie ein Einzelzimmer erhalten. Gardisten mit Familie steht eine Wohnung zur Verfügung.

Warum aber zahlt nicht der Vatikan für den Neubau? «Es trifft zwar zu, dass der Vatikan über einen enormen Reichtum an wertvollen Kulturgütern, Kirchen und weiteren Vermögenswerten verfügt», sagt der Sprecher der Kasernenstiftung. Aber der Erhalt dieser Schätze koste riesige Summen, die laufenden Einnahmen des Vatikans seien relativ bescheiden. «Traditionell werden deshalb Immobilienprojekte auf dem Boden der Vatikanstadt durch Spenden finanziert.»

Leuthard und Metzler sammeln Spenden

Um diese Spenden zusammenzubringen, hat sich eine prominent besetzte Stiftung formiert: Dabei sind, unter anderen, der ehemalige Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth sowie die Alt-Bundesrätinnen Ruth Metzler und Doris Leuthard sowie die Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot, alle drei von der Mitte-Partei. Laut dem Stiftungssprecher sind bislang von katholischen Behörden, Privaten und Stiftungen 28,1 Millionen Franken zusammengekommen.

Darüber hinaus aber zahlen alle Schweizerinnen und Schweizer mit, ganz egal, welcher Religion sie angehören – wenn überhaupt. Denn die gut vernetzte Stiftung hat erfolgreich für Staatsbeiträge lobbyiert. Sie argumentiert so: Es handle sich nicht um Spenden zugunsten einer religiösen Institution. Die päpstliche Garde sei vielmehr ein «Aushängeschild für die Schweiz». Sie sei für Touristen eine Attraktion wie der Schweizer Pavillon bei einer Weltausstellung.

Der Bundesrat liess sich überzeugen. Schon vor zwei Jahren versprach er einen grosszügigen Beitrag. Das ging allerdings nicht ohne Misstöne ab: Offenbar wollte eine Bundesratsmehrheit der Garde zuerst 8 Millionen überweisen – ungefähr einen Franken pro Kopf der Bevölkerung. Dabei ging vergessen, dass für solche Geschenke aus der Bundeskasse die Limite bei 5 Millionen liegt. Das war dann schliesslich der Beitrag, den die Landesregierung beisteuerte.


Auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren hatte ein Ohr für die Stiftung: Sie empfahl den Kantonen, je eine Spende in der Höhe von ebenfalls einem Franken pro Einwohnerin und Einwohner für den Neubau zu überweisen.

«Ich gönne den Gardisten die neue Kaserne, aber nicht auf Kosten von Leuten, die mit dem Katholizismus nichts am Hut haben.»

Andreas Kyriacou, Freidenker-Präsident

Inzwischen sind 17 Kantone dem Wunsch der Kasernenstiftung nachgekommen. Die Spanne reicht dabei vom Wallis mit knapp 3 Franken pro Kopf bis zum knausrigeren Obwalden mit 13 Rappen. Insgesamt sind von den Kantonen bisher 4,1 Millionen Franken zusammengekommen.

In den meisten Fällen genügte für die Spende ein einfacher Regierungsbeschluss, der geräuschlos über die Bühne ging. Das änderte sich, als die Freidenker sich einzuschalten begannen. In einzelnen Parlamenten kam es zu Diskussionen. Aber nur in Luzern gab es einen referendumsfähigen Beschluss, der jetzt zum Stresstest einer Volksabstimmung wird.

 «Ich gönne den Gardisten die neue Kaserne, aber nicht auf Kosten von Leuten, die mit dem Katholizismus nichts am Hut haben», sagt Freidenker-Präsident Andreas Kyriacou.