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Russischer Aussenminister auf Bali
«When do you stop the war?» – Lawrow-Wirbel am G-20-Treffen

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«When do you stop the war?» («Wann beenden Sie den Krieg?»), will ein deutscher Journalist von dem Russen angesichts des Angriffs auf die Ukraine wissen, als Sergei Lawrow am Freitag von Gastgeberin Retno Marsudi auf der indonesischen Urlaubsinsel begrüsst wird. Lawrow antwortet nicht. Der Journalist wird von Sicherheitsleuten hinaus komplimentiert.

Auch die tropischen Blumen und die sanfte, für Bali so typische Gamelan-Musik, die die Begrüssungen umrahmen, können das Konfliktpotenzial kaum übertünchen. Im Grossen Ballsaal des Luxus-Resorts direkt am Strand von Nusa Dua muss sich Lawrow hinter verschlossenen Türen schwere Vorwürfe des Westens wegen der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Invasion anhören.

Schöne Worte, denen harte Fakten folgen

Die Auftaktsitzung dreht sich um die Stärkung des Multilateralismus – also der internationalen Konfliktlösung. Die G7, die Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte – wirft Russland immer wieder vor, diese weltweite Zusammenarbeit zu torpedieren. Neben Deutschland und den USA gehören der Gruppe Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada und die Europäische Union (EU) an.

Der russische Aussenminister Sergei Lawrow hat das G-20-Treffen auf der indonesischen Ferieninsel Bali vorzeitig verlassen.

Auch die indonesische Gastgeberin Retno Marsudi – der weltgrösste Inselstaat hat derzeit den G20-Vorsitz – appelliert zu Beginn des Treffens eindringlich an Lawrow: «Unsere Verantwortung ist es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.» Brücken müssten gebaut werden, nicht Mauern. Schöne Worte, denen harte Fakten folgen.

Einfach abreisen, statt zuhören

Denn direkt nach seiner Rede vor den Kolleginnen und Kollegen gibt Lawrow seine ganz eigene Antwort auf Kritik und Mahnungen. Er verlässt den Sitzungssaal, entzieht sich so auch der Replik der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock – Deutschland hat dieses Jahr den Vorsitz der G7-Gruppe inne. Kurz darauf teilt Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa mit, der Minister werde das G20-Treffen vorzeitig verlassen. «Lawrow führt noch bilaterale Gespräche, danach wendet er sich an die Presse und reist ab», erklärt sie. Der erwartete Eklat ist da.

Lawrow sass im G-20-Sitzungssaal zwischen Vertretern aus Saudi-Arabien und Mexiko.

Am offiziellen Essen und den für den Nachmittag geplanten Beratungen zur Nahrungs- und Energiesicherheit nimmt Lawrow nicht mehr teil. Auch dort hätte er sich wohl schwere Vorwürfe von vielen Kolleginnen und Kollegen anhören müssen. Lawrow beschuldigt den Westen hingegen, den Übergang zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine zu verhindern – und deutet damit den Grund seiner Abreise an. Wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld anstrebten, «dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen», sagt er. Das klingt düster für die kommenden Monate.

Baerbock hatte nach einer Absprache unter den G7-Staaten schon am Vorabend angekündigt, sie werde Lawrow als amtierende Vorsitzende der Gruppe ihre Kritik direkt ins Gesicht sagen. Und «sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen Bruch des internationalen Völkerrechts nicht akzeptieren».

Anders als beim Treffen der G20-Finanzminister im April in Washington wollten die Mitglieder der G7-Gruppe führender demokratischer Wirtschaftsmächte diesmal nicht den Konferenzsaal verlassen, das hatte Baerbock schon frühzeitig klar gemacht. Russland dürfe nicht die Bühne überlassen werden, erklärte sie vor dem Treffen. In der US-Hauptstadt hatten die Finanzministerinnen der USA und Kanadas, Janet Yellen und Chrystia Freeland, den Raum verlassen, als der russische Ressortchef Anton Siluanow das Wort ergriff.

Händeschütteln mit Amtskollegen aus China und der Türkei

Lawrow war vor Baerbock auf Bali angekommen – und hatte sich am Donnerstag bilateral mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi und dem türkischen Aussenminister Mevlüt Cavusoglu getroffen. Seht her, die von der G7-Runde der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte forcierte internationale Isolation Russlands funktioniert nicht, sollte wohl das Signal dieser Begegnungen heissen.

Treffen mit dem türkischen Aussenminister Mevlut Cavusoglu.

Am Freitag kam dann auch Baerbock zu einem bilateralen Gespräch mit Wang Yi zusammen. Zu wichtig ist China bei der Lösung von globalen Problemen wie der Klimakrise. Auch vor diesem Hintergrund dürfte das Treffen Baerbocks mit ihrem chinesischen Kollegen ein Signal für die Zukunft gewesen sein. Zwar war die Ministerin wegen der Corona-Pandemie noch immer nicht zum Antrittsbesuch in Peking. Man telefoniere aber häufig, ist von deutscher Seite zu hören.

Ein bilaterales Treffen mit Lawrow kam für Baerbock von Anfang an nicht in Frage. Auf keinen Fall wollte die Aussenministerin ihm wohl Gelegenheit geben, eine solche Zusammenkunft für Kriegspropaganda auszuschlachten – oder den Russen am Ende mit einem solchen Treffen auch noch aufwerten. Auch die indonesische G20-Präsidentschaft zeigte, dass man angesichts des russischen Krieges in der Ukraine kein «Business as usual» machen wolle. So wurde auf das übliche Familienfoto verzichtet, auch eine Abschlusserklärung sollte es anders als sonst nicht geben.

Testlauf für G-20-Gipfel, an dem Putin teilnehmen will

Was die vorzeitige Abreise Lawrows für den G20-Gipfel am 15. und 16. November bedeutet, blieb zunächst unklar. Die Anwesenheit des russischen Aussenministers auf Bali galt als Probelauf für eine mögliche Teilnahme von Kremlchef Wladimir Putin am Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf Bali. Eine persönliche Teilnahme Putins am Gipfel ist auch nach Lawrows Paukenschlag möglich.

In Moskau gingen Kommentatoren davon aus, dass Putin die Reise antreten werde, wenn er sich im November angesichts des Kriegsgeschehens weiter politisch gestärkt sehe im Vergleich zu US-Präsident Joe Biden. Parallel zum G20-Treffen warnte der 69-Jährige in Moskau, dass Russland in der Ukraine noch nicht einmal richtig losgelegt habe.

SDA/cpm