Auf dem Weg nach MarokkoAbenteuerliche Reise für Schweizer Jungkrokodile
Zur Wiederansiedlung in Afrika hat ein Lausanner Aquarium 16 Westafrikanische Krokodile gezüchtet. Nach technischen Problemen beim Transport sind diese inzwischen wohlauf in Agadir eingetroffen.
Seit Samstag befinden sich die Krokodile in einem Rehabilitationsgehege im Freien, um sich an die hohen Temperaturen und die Sonneneinstrahlung in ihrer neuen Heimat zu gewöhnen, wie der Direktor des Lausanner Aquariums Aquatis, Michel Ansermet, in einem Telefongespräch aus Marokko der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Den Tieren gehe es ausgezeichnet.
Eigentlich hätte die Reise für die Krokodile bereits am Mittwochabend stattfinden sollen. Als der Zoologe sich bereits in Genf im Flugzeug befunden habe, seien die Kisten mit den 16 Reptilien wieder aus dem Frachtraum herausgeholt worden. Der Grund sei ein technischer Defekt in der Heizung gewesen. Dadurch hätte für die Tiere die Gefahr eines Hitzeschocks bestanden. Der Transport wäre für sie bei einer Temperatur von 5 Grad durchgeführt worden. In Marokko bei der Ankunft dagegen sei es über 30 Grad warm gewesen. Deshalb sei der Transport abgebrochen worden, sagte Ansermet weiter.
Ein privater Frachter habe sich des Problems angenommen und ihn und die Krokodile doch noch an den Bestimmungsort gebracht.
Am Freitagmorgen früh um 3 Uhr landete Ansermet mit den Krokodilen in Agadir. Die Tiere wurden mit Mikrochips ausgestattet, insbesondere im Hinblick auf die Zollabfertigung, und reisten in stabilen Einzelabteilen. «Alles verlief sehr gut, in völliger Ruhe», sagte Ansermet. Die wechselwarmen Tiere sind zwischen 42 Zentimeter und 1,06 Meter lang. 2 von ihnen schlüpften 2019, weitere 14 im Jahr 2022.
Nach ihrer Ankunft wurden die Reptilien in einem eigens dafür angelegten Becken des Crocoparc in Agadir untergebracht. «Die Jungkrokodile werden dort ihre Wachstumsphase abschliessen, bis sie rund 1,30 bis 1,40 Meter lang sind. Sie gewöhnen sich an die Temperaturen des Landes und müssen lernen, sich zurechtzufinden», erklärte der Zoologe.
Einige Exemplare werden für die Zucht von weiterem Nachwuchs im Park verbleiben. «In einem Jahr werden wir die anderen in die Wildnis entlassen, und zwar im Süden Marokkos in sogenannten Gueltas. So nennt man Wasserlöcher in der Sahara», so Ansermet. Der Standort wurde für die Bedürfnisse der Tiere eingerichtet. Dabei seien auch die Interessen der lokalen Bevölkerung im Rahmen des neuen Protokolls der Weltnaturschutzunion berücksichtigt worden.
Nur noch wenige Tausend Exemplare weltweit
«Diese Wiederansiedlung ist die erste für diese Art in Afrika und die zweite weltweit. Der Kölner Zoo hat 2023 Philippinenkrokodile auf diesem Archipel wieder angesiedelt», so der Experte. Die Wiederansiedlung ist das Ergebnis einer zehnjährigen Arbeit. Ansermet sprach von «einem grossen Moment, einer verrückten Sache». Allein an den Reisepapieren habe man sechs Monate gearbeitet. Das Westafrikanische Krokodil hat laut Ansermet einen friedlichen Charakter und ist weniger aggressiv als seine Artgenossen aus dem Nil.
Seit etwa 60 Jahren ist die Art in Marokko ausgestorben. Weltweit gibt es geschätzt wohl nur noch 3500 bis 5000 dieser stark vom Aussterben bedrohten Tiere. In gewissen westafrikanischen Kulturen wie etwa in Gambia gelten die Tiere als heilig – daher die französische Artbezeichnung Crocodile sacré (heiliges Krokodil).
Aquatis ist europaweit für das Erhaltungszuchtprogramm der Westafrikanischen Krokodile zuständig. «Marokko hat sich bereits als Abnehmer für das nächste Gelege gemeldet. Wir stehen auch in Kontakt mit der Côte d’Ivoire und Burkina Faso, die an der Wiederansiedlung dieser Reptilien auf ihrem Gebiet interessiert sind», sagte Ansermet.
«Im Aquatis halten wir das Elternpaar Cléo (44) und Farouche (45). Sie pflanzen sich etwa alle zwei Jahre fort. Zwei Jungtiere gehen übrigens demnächst in einen Zoo in England, um die Population der Westafrikanischen Krokodile in Europa zu vergrössern», erklärte der Aquatis-Direktor.
SDA/Thomas Wernli
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