Parlamentswahl in der PandemieKroatiens Premier verspielt Erfolge im Kampf gegen Corona
Kroatien hat die Corona-Krise bisher vergleichsweise gut gemeistert – doch ausgerechnet vor der Wahl am Sonntag geht die Kurve wieder hoch.

Es sieht zunehmend danach aus, als ob Kroatiens Premierminister seine eigene Wahlkampftaktik zur Gefahr werden könnte. Schliesslich setzt seine Partei, die konservative Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), bei der Werbung um die Wählergunst auf die bisherigen Erfolge der Regierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Tatsächlich hat Andrej Plenkovic da einiges vorzuweisen: Die Regierung in Zagreb hatte bereits Ende Februar Ausgangssperren verhängt, Grenzkontrollen verschärft und Einreisende zur Quarantäne verpflichtet – und so verhindert, dass die Welle der Infektionen sich auch nur annähernd so steil aufbauen konnte wie etwa in Italien.
Kroatien, das zu wesentlichen Teilen vom Tourismus lebt, konnte sich deshalb als vergleichsweise sichere Alternative zu anderen Zielen am Mittelmeer präsentieren und bereits Mitte Mai die Grenzen wieder für Reisende öffnen. Plenkovic, der Garant für Infektionsschutz, der obendrein den Tourismussektor vor dem Crash bewahrt: eigentlich keine schlechte Ausgangslage für einen Wahlerfolg am kommenden Sonntag.
Regierungschef Plenkovic hat sein Image als oberster Hygieniker des Landes selber angekratzt.
Wären da nicht die jüngsten Rückschläge. Zwar ist Kroatien noch immer, im europaweiten Vergleich, deutlich unterdurchschnittlich stark vom Virus heimgesucht – doch die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist seit Mitte Juni merklich gestiegen. Zum einen, wie die Behörden einräumen, durch eingeschleppte Fälle aus anderen, stärker betroffenen Balkanländern; zum anderen, weil die Schutzmassnahmen im Inland immer weniger konsequent befolgt werden.
Plenkovic hat sein Image als oberster Hygieniker des Landes selber angekratzt: Erst setzte er sich bei einem Tennisturnier, das der serbische Weltranglistenerste Novak Djokovic veranstaltet hatte, in der Stadt Zadar auf die recht dicht besetzte Tribüne und plauderte später einige Minuten mit dem Tennisstar. Der wurde wenig später positiv auf das Coronavirus getestet – doch der Regierungschef weigerte sich, deshalb in Quarantäne zu gehen.
Er habe nur zwei, drei Minuten mit Djokovic geredet, es habe sich also nicht um einen «engen Kontakt» im eigentlichen Sinne gehandelt, erklärte der kroatische Regierungschef und setzte seine Wahlkampftournee fort, samt Umarmungen und Handschlag mit seinen Anhängern. Zwar wurde Plenkovic später negativ auf das Virus getestet, doch der Imageschaden war da.
Die gegnerischen Sozialdemokraten, die in einem Mitte-links-Wahlbündnis unter dem Namen Restart antreten, nutzten die Steilvorlage für ihre Kampagne – allerdings erst mit einiger Verzögerung. Überhaupt ist ihr Wahlkampf nach Auffassung der Zagreber Polit-Analystin Ankica Mamić recht zahm bis blutleer: «Man sieht keine Leute in den Wahlkampfspots von Restart», sagte Mamić der Zeitung «Vecernji List». «Diese Videos erinnern eher an Werbespots der Lebensmittelindustrie.»

Umfragen zufolge dürfte die Abstimmung am Sonntag auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der HDZ und Restart hinauslaufen: Beide könnten jeweils etwa ein Viertel der Stimmen erhalten. Auch wenn die HDZ sich einen Vorsprung sichert, dürfte sie nicht ohne Koalitionspartner auskommen. Und da kommt der Volksliedsänger Miroslav Skoro ins Spiel, dessen «Heimatbewegung» die Umfragen als drittstärkste Kraft sehen, mit etwa zehn Prozent der Stimmen.
Im Wahlkampf hat Skoro mit nationalistischen Tönen versucht, der HDZ-Wähler von deren rechtem Flügel abspenstig zu machen, etwa indem er dem eher moderaten Plenkovic vorwarf, zu kooperativ mit der serbischen Minderheit im Land umzugehen.
Gratwanderung für die Konservativen
Für die Konservativen ist der Umgang mit Skoro eine Gratwanderung: Halten sie mit eigenen, allzu nationalistischen Tönen dagegen, verprellen sie Wähler der Mitte – so geschehen bei der Präsidentschaftswahl im Januar. Da setzte sich der Sozialdemokrat Zoran Milanovic überraschend durch, nachdem die Amtsinhaberin der HDZ, Kolinda Grabar-Kitarovic, versucht hatte, Skoro mit immer schärferen Rechtsaussenparolen zu übertrumpfen.
Dadurch trieb sie vor allem jüngere Wähler in die Arme der Sozialdemokraten. Die dürften allerdings jetzt bei der Parlamentswahl Schwierigkeiten haben, über das Restart-Bündnis hinaus Koalitionspartner zu finden, mit denen es zu einer Mehrheit reicht.
Die einzige kleine Partei, die es den Umfragen zufolge über die 5-Prozent-Hürde schaffen könnte, ist die religiös-nationalistische Partei Most, die Skoro seinerzeit im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt hatte. Rechnerisch könnte es also auf ein Rechtsbündnis hinauslaufen, doch die inhaltlichen Hürden sind hoch. Skoro hat seinerseits eine Koalition mit der HDZ nicht ausgeschlossen – unter der Bedingung, dass der eher moderat-konservative Plenkovic nicht Regierungschef bleibt.
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