Migranten-Plattform im GegenwindStreit um «Baba News» eskaliert
Das Onlinemagazin galt als Vorzeigeprojekt für Integration und Toleranz. Bis der Gazakrieg begann. Nun wird es selber der Hassrede bezichtigt.
Die Chefredaktorin des kleinen Onlineportals «Baba News», Albina Muhtari, fährt gegen die grosse NZZ schweres Geschütz auf. Es gehe «nicht darum, dass wir euch ‹nicht mögen›», schreibt sie auf ihrer Website, «sondern dass wir euch tatsächlich für gefährlich halten». Grund für ihren Angriff: Die NZZ hatte in einem Artikel aufgezeigt, wie jüdische Kinder in der Schule durch Muslime drangsaliert werden – und dabei auch geschrieben, dass «Baba News» «seit Monaten gegen Israel hetzt».
Muhtaris Wut richtet sich nicht nur gegen die NZZ, sondern auch gegen den Bieler Lehrer und GLP-Grossrat Alain Pichard, der im Artikel als Zeuge auftrat. Ihm unterstellt sie einen «fragwürdigen Background» und «offensichtliche Muslimfeindlichkeit». Bloss: Pichard gilt als Vorkämpfer der Integration, 2007 gründete er zum Beispiel ein Lehrlings- und Migrantentheater mit mehrheitlich muslimischen Jugendlichen. Gemeinsam mit der albanischen und der israelischen Botschaft organisierte er 2014 eine viel beachtete Ausstellung über die Rettung von Juden durch Albaner im Zweiten Weltkrieg. «Muhtari hat nie mit mir geredet», sagt Pichard, «es handelt sich um eine gezielte Rufschädigung.»
Die Anschuldigungen eines kaum bekannten Onlineportals wären nicht der Rede wert, stünde die Geschichte nicht exemplarisch für den Umgang mit Migrations- und Rassismusthemen in der Schweiz.
Der Kampf gegen Israel wirkt fast schon obsessiv
«Baba News» wurde 2018 von der ehemaligen «20 Minuten»-Journalistin Albina Muhtari gegründet, als «Stimme für Migrantinnen und Migranten in der Schweiz». Das Projekt stiess auf riesiges Wohlwollen: Medien berichteten voller Bewunderung, staatliche Stellen und Stiftungen unterstützten das Projekt grosszügig, die Stadt Bern verlieh dem Portal 2021 den Sozialpreis. Unter dem Namen «Baba Academy» bot das Portal fortan auch Workshops gegen Hatespeech und Rassismus an, die vor allem von Schulen gebucht werden. Vereinzelt wurde zwar infrage gestellt, ob es sinnvoll ist, Migranten grundsätzlich als Opfer darzustellen und so einen Keil zwischen Einwanderer und Eingesessene zu treiben, doch solche Stimmen gingen im überschwänglichen Lob unter.
Das änderte sich schlagartig mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober. «Baba News» ergriff umgehend Partei für die Palästinenser. Statt mit den Sorgen und Freuden der Migranten in der Schweiz beschäftigte sich das Portal nun hauptsächlich mit dem Krieg im Nahen Osten. Geht man die «Baba News»-Kanäle in den sozialen Medien durch, so kann man fast schon von einer Obsession reden: Es gibt kaum mehr ein anderes Thema. Auf der Plattform X teilt «Baba News» alle möglichen Nachrichten, die Israel als skrupellose Mörder und Unterdrücker darstellt, auch aus fragwürdigen Quellen.
Von sachlicher Kritik an der Politik und der Kriegsführung Israels kann kaum mehr die Rede sein. Unter den Instagram-Beiträgen werden auch Kommentare stehen gelassen, die ohne weiteres als Hatespeech bezeichnet werden können.
Etablierte Medien als Feindbild
Nachdem verschiedene Medien über die Vorgänge bei «Baba News» berichtet hatten, sistierte der Kanton Bern die Unterstützung für die Plattform. Auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) distanzierte sich laut «20 Minuten» von dem Projekt.
Albina Muhtari zeigte keinerlei Einsicht. Sie sieht sich als Opfer der etablierten Medien, die sie schon früher immer wieder wegen ihrer angeblich diskriminierenden Berichterstattung kritisiert hat. Am 11. November hielt sie an einer Palästina-Demo eine Rede, die inhaltlich an die «Lügenpresse»-Vorwürfe aus rechten Kreisen erinnerte. «Es ist wichtig, (...) nicht auf die Propaganda reinzufallen, die momentan betrieben wird», sagte sie und empfahl, sich von den Medien abzuwenden, wenn man mit der Berichterstattung nicht einverstanden sei.
Vater durfte den Workshop nicht besuchen
Angesichts der Radikalisierung von «Baba News» stellte in Bern eine Gruppe von Eltern auch die Schulworkshops infrage. Wie kann eine Organisation, die selber im Verdacht steht, Hatespeech zu verbreiten, Anti-Hatespeech-Kurse geben? Ein Vater wollte sich selber ein Bild machen, doch sein Gesuch, einem Kurs beizuwohnen, wurde abgelehnt. Die Schüler bräuchten einen geschützten Rahmen («Safe Space»), hiess es.
Auch Alain Pichard wollte in seiner Funktion als Grossrat einen Workshop besuchen, doch die Berner Bildungsdirektorin Franziska Teuscher sagte mit derselben Begründung ab. «Interessant: In Teuschers Schulen gibt es keinen ‹Safe Space› für jüdische Schüler, in den Workshops aber sollen die Eltern ferngehalten werden, damit die Kinder sicher sind», sagt Pichard. Er stellt die Kompetenz der Kursleiterinnen grundsätzlich infrage: «Sie haben keinerlei pädagogischen oder sozialpädagogischen Hintergrund.»
Rassismus von Migranten wird übersehen
Die zwei «Baba News»-Redaktionsleiterinnen, Albina Muhtari und Merita Shabani, gingen in ihrem letzten Podcast auf die Kritik gegen ihren antiisraelischen Aktivismus ein. Sie bedauerten, dass sie auf Instagram «unbeabsichtigt» ein Video verbreitet hätten, das als antisemitisch aufgefasst werden könne. Und beteuerten, strikt gegen Antisemitismus zu sein. Während 45 Minuten erläuterten sie, wie tief verankert der Judenhass in Europa und im Christentum sei und dass man dies bekämpfen müsse.
Das Irritierende dabei: Die islamische Judenfeindlichkeit erwähnten sie mit keinem Wort, obschon diese schon im Koran vorkommt – und zurzeit wohl ein grösseres Problem darstellt als die christliche, wie der versuchte Mord an einem orthodoxen Juden in Zürich zeigte. Stattdessen stellten sie Juden und Muslime als zwei Gruppen dar, die dasselbe Schicksal teilten: Beide seien gleichermassen Opfer von Diskriminierung und Unterdrückung.
Auch Eltern, deren Kinder mit der Schule einen «Baba News»-Workshop besuchten, erzählen von einem sehr einseitigen Weltbild: Migrantischer Rassismus komme schlicht nicht vor – Ausgrenzung und Mobbing gebe es nur von einer Seite. Die SonntagsZeitung hat «Baba News» mehrmals für eine Stellungnahme kontaktiert, aber keine Antwort erhalten.
Ob die Berner Schulen an den Workshops festhalten, ist unklar. Bildungsdirektorin Franziska Teuscher schiebt die Verantwortung ab. «In der Stadt Bern sind die Schulen dezentral in Schulkreisen mit einer grossen Autonomie organisiert», schreibt ihr Generalsekretär Sven Baumann. «Nicht das städtische Schulamt wählt die Kursanbieter*innen aus, sondern die Verantwortlichen vor Ort.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.