«Gefälligkeiten» bei Zürcher GenossenschaftDelegierter der Stadt bekam eine Wohnung von der Genossenschaft
Bei der Frohheim riskierte der städtische Delegierte einen Interessenkonflikt. Er musste zurücktreten. Die Stadt Zürich reagiert mit einem neuen Verhaltenskodex.

Im Vorstand der krisengeschüttelten Baugenossenschaft Frohheim (BGF) fehlt derzeit eine wichtige Figur: der Delegierte der Stadt Zürich.
In Zürich gibt es über 80 Genossenschaften, denen die Stadt Baurechte oder andere Unterstützung gewährt. In all diesen Vorständen sollte die Stadt mit eigenen Delegierten vertreten sein, damit diese die städtischen Interessen einbringen.
Dies wäre bei der Frohheim besonders nötig gewesen. Dort untersucht ein Rechtsanwalt aktuell «finanzielle Unregelmässigkeiten», der Geschäftsführer wurde entlassen, der Vorstandspräsident trat zurück. Aber ausgerechnet bei der BGF musste der städtische Delegierte im Mai 2021 sein Amt abgeben.
Der Grund: Er hatte eine Wohnung von der Genossenschaft bekommen.
Stadt musste reagieren
Aus Sicht des zuständigen Finanzdepartements stellt dies einen klaren Interessenkonflikt dar, sagt Sprecherin Claudia Naegeli. «Wer in einem Mietverhältnis mit einer Genossenschaft steht und Anteilsscheine besitzt, kann nicht gleichzeitig die Interessen der Stadt Zürich vertreten.» Als das Finanzdepartement von der Wohnung erfuhr, lud man den städtischen Frohheim-Vertreter zu einem «klärenden Gespräch». Dieser habe von sich aus vorgeschlagen, sofort aus dem Vorstand auszutreten.
Schon bis dahin mussten städtische Delegierte Interessenbindungen melden. Nach dem Vorfall hat das Finanzdepartement im Sommer 2022 einen neuen Verhaltenskodex für städtische Delegierte eingeführt. Dieser schliesst Mietverhältnisse und eine Beteiligung explizit aus. Bei der Meldung setzt die Stadt auf Selbstdeklaration.
Claudia Naegeli sagt, dass man aufgrund der aktuellen Situation in der Genossenschaft Frohheim möglichst schnell eine geeignete Person in den Vorstand schicken möchte. «Die Stadt Zürich hat klare Erwartungen bezüglich Transparenz und Governance an die von ihr unterstützten Genossenschaften.»
Bei 27 Genossenschaften fehlt die Stadt
Doch so einfach ist es nicht. Denn für die städtischen Delegierten gelten hohe Ansprüche. In den Vorständen der Genossenschaften haben die Abgesandten der Stadt keine offizielle Kontrollfunktion, sie befinden sich in einer Minderheit. Will eine städtische Delegierte etwas ändern, muss sie eine Mehrheit im Vorstand für das Anliegen gewinnen. «Das setzt Fachwissen im Bereich Finanzen voraus und die Fähigkeit, Veränderungsprozesse anzustossen», sagt Claudia Naegeli. Die Einsätze kommen ausserdem zur regulären Arbeitszeit hinzu, die Bezahlung bleibt unterdurchschnittlich.
Daher brauche die Suche nach geeigneten Personen Zeit, sagt Naegeli. Und die Frohheim ist kein Einzelfall. In insgesamt 85 Genossenschaften möchte die Stadt Delegierte entsenden. Für 27 davon findet sie derzeit niemanden.
Zudem gibt es keine Garantie, dass eine städtische Abgesandte im Fall Frohheim früher etwas unternommen hätte. Auch bei der Baugenossenschaft Letten, in der es vor drei Jahren zu einem Betrugsverdacht kam, war der städtische Delegierte nicht eingeschritten. «Als Vorstand mutmasslich illegale Machenschaften zu bemerken, ist schwierig», sagt Claudia Naegeli. Selbst den Revisionsgesellschaften, die jährlich die Finanzen von Genossenschaften prüfen, gelingt dies meistens nicht.
Wie aufwendig sich Untersuchungen bei vermuteten Unregelmässigkeiten gestalten können, zeigt der Fall der Baugenossenschaft Letten. Deren Vorstand hat den entlassenen Geschäftsführer vor zweieinhalb Jahren angezeigt. Die Ermittlungen wegen Verdachts auf Vermögensdelikte sind laut der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen.
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