Eskalation in Nord- und SüdkoreaKriegsdrohungen sollen Trump beeindrucken
Nordkorea droht und löst die schwerste Krise seit Jahren aus. Damit will das Regime vor allem Druck auf die USA aufbauen.
Am Sonntag kamen die höchsten Sicherheitsbeamten der südkoreanischen Regierung zu einem Notfall-Treffen zusammen. Sie besprachen die jüngste Warnung aus Nordkorea, nach der das kommunistische Regime sogar zu einer militärischen Aktion bereit sei, um Zeichen gegen Nordkorea-kritische Aktivisten-Gruppen im Süden zu setzen.
Man habe die Lage analysiert und über eine Reaktion auf die Drohungen aus Pyongyang beraten, sagte ein Sprecher des Blauen Hauses, des Amtssitzes von Präsident Moon Jae-in. Später erklärte das Verteidigungsministerium in Seoul, man stehe in Bereitschaft für «alle Situationen», und rief Pyongyang dazu auf, sich an die geltenden zwischen-koreanischen Militärabkommen zu halten.
Kims jüngere Schwester an vorderster Front
Wie geht ein demokratischer Staat mit einem autoritären Nachbarland um, das im Rahmen einer Partnerschaft sein Machtsystem stärken will? Das ist die Frage, mit der sich Südkoreas Regierung gerade mehr denn je befassen muss. Seit Tagen baut Nordkorea seine Drohgebärden aus. Vor allem in Person von Kim Yo-jong, der jüngeren Schwester des Staatschefs Kim Jong-un, die im nordkoreanischen Machtapparat für Propaganda zuständig ist und offensichtlich an Einfluss gewinnt.
Offizieller Grund für den Unmut in Pyongyang sind die Aktionen von Überläufern, die ihre Freiheit in Südkorea dazu nutzen, an der Grenze Heliumballons mit regimekritischen Texten steigen zu lassen. Im April 2018 unterzeichnete Moon Jae-in ein Abkommen, nach dem der Süden solche Aktionen unterbinden muss. Für die Entspannung zwischen den beiden Koreas liess sich Südkoreas Präsident also darauf ein, Freiheitsrechte einzuschränken, damit die Kritik niemanden in Nordkorea erreichte. Aber die Aktivisten machten weiter. Jetzt nutzt Nordkorea sie als Auslöser für die schwerste Krise auf der Koreanischen Halbinsel seit Jahren.
Kim Yo-jong begann in der vorvergangenen Woche damit, die Überläufer in der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA derbe zu beschimpfen («Abschaum! Mischlingshunde!»), und drohte der südkoreanischen Regierung: Wenn die Ballons weiterflögen, werde Nordkorea aus Militär-Vereinbarungen und anderen Abmachungen aussteigen.
Nun erreicht Kim Yo-jong die nächste Eskalationsstufe. «Ich habe das Gefühl, es wird höchste Zeit, mit den südkoreanischen Behörden zu brechen», sagte sie in der Zeitung «Rodong Sinmun», dem Zentralorgan der Arbeiterpartei Koreas, und erklärte: «Das Recht, die nächste Aktion gegen den Feind zu unternehmen, wird dem Führungsstab unserer Armee übergeben.» Dass sie Südkorea «Feind» nannte, betont die harte Haltung.
Süden geht gegen Ballonaktionen vor
Ausserdem warnte Kim Yo-jong, Nordkoreas Regierung könne das «nutzlose» Verbindungs-Büro im Grenzort Gaesong zerstören. Das Büro ist das Symbol für die Annäherung zwischen Moon und Kim Jong-un 2018.
Experten bezweifeln, dass die jüngsten Wutausbrüche nur mit den Aktivisten zu tun haben. Längst hat Südkoreas Regierung dazu aufgerufen, besagte Ballonaktionen zu unterlassen, und sogar eine Gesetzesinitiative dagegen angekündigt. Trotzdem beruhigt sich Nordkorea nicht. «Nordkoreas Aktionen sollen Zeichen setzen und Druck aufbauen. Aber sie zielen mehr auf die USA als auf Südkorea», sagt Van Jackson, Ex-Pentagon-Beamter und Professor an der Victoria-Universität in Wellington.
«Die USA hätten besser ihren Mund gehalten.»
Moon hat viel dafür getan, dass die Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und Kim Jong-un beginnen konnten. Das Ziel war ein Deal, bei dem Nordkorea seine Atomwaffen gegen die Aufhebung der internationalen Sanktionen eintauschte. Zwei Jahre ist es her, dass Trump und Kim sich in Singapur zum ersten Mal trafen. Aber die Verhandlungen sind eingefroren. Im Oktober gab es in Stockholm das vorerst letzte Gespräch. Es endete ergebnislos, Nordkorea klagte über die «alte Haltung» der Amerikaner. Seither ist nichts mehr passiert ausser nordkoreanische Drohungen und weitere Waffentests.
Ob Nordkoreas Strategie funktioniert? In Washington ist man «enttäuscht» von den Drohungen. Prompt schoss Kwon Jong-gun, Generaldirektor für US-Angelegenheiten in Nordkoreas Aussenministerium, zurück: Die USA «hätten besser ihren Mund gehalten und sich um ihre Angelegenheiten gekümmert, wenn sie nicht etwas Schreckliches erleben wollen». Gute Diplomatie klingt anders.
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