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Kolumne «Fast verliebt»
Von Vatertöchtern und Muttersöhnchen

Will keine Männer von der Resterampe: Claudia Schumacher.
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«Never give up!», fordert mich ein Mülleimer-Aufkleber beim Spazieren im Park auf. Ja: Niemals aufgeben! Das heisst es immer. Festbeissen, dranbleiben: ein Mantra, das unsere Kultur durchwirkt. Gerade las ich irgendwo, Beharrlichkeit sei die wichtigste Eigenschaft für Erfolg, noch vor Begabung. Das mag sein. Aber wer den Zeitpunkt nicht erkennt, an dem er aufgeben muss, dessen Leben gelingt leider auch nicht.

In der Liebe gilt das vor allem für Töchter extrem abwesender Väter und für Söhne, deren Mütter emotional übergriffig sind. Für Menschen also, deren erste wichtige Beziehung zum anderen Geschlecht schieflief und die – anstatt loszulassen – auch im Erwachsenenalter versuchen, diese Urbeziehung noch irgendwie zu retten.

Gefahren des Urbeziehungstraumas

Das Ergebnis dieses Unglücks heisst dann Muttersöhnchen oder Frau mit Vaterkomplexen. In Popsongs und TV-Serien sind sie die Witzfiguren: Männer, die im Hotel Mama versauern oder deren Mutter sich dauernd einmischt, falls sie eine andere Liebesbeziehung hinbekommen. Noch schlimmer trifft es Frauen mit Vaterkomplexen, «daddy issues». Eine der bekanntesten popkulturellen Aufreisser-Figuren, Barney aus der Serie «How I Met Your Mother», «feierte» solche Frauen als Freiwild: leicht zu haben, sexuell waghalsig. Und – hurra – sie lassen sich von Männern schlecht behandeln!

In der Realität erzeugt das Liebesleben von Muttersöhnchen und Vatertöchtern aber oft einen Leidensdruck, der nicht lustig ist. Eine meiner Freundinnen hat einen cholerischen Vater, der nur mit sich selbst beschäftigt ist, früh arbeitslos wurde, sie schlecht behandelte und ihr kaum Liebe oder Aufmerksamkeit schenkte. Ihr Vaterkomplex ist prototypisch: Die einzige «Liebesbeziehung», die sie als Erwachsene hatte, war zu einem Mann, für den sie nur eine Affäre war. Obwohl sie schön ist, lässt sie attraktive Gleichaltrige mit Job links liegen und interessiert sich für viel ältere und verwitterte Herren, bestenfalls arbeitslos, die ihr keine Fragen stellen, dafür aber die Welt erklären. Dass sie gebildet ist und sich als Feministin versteht, hält sie davon nicht ab.

In jeder Annäherung mit Männern stellt sie die Urbeziehung zu ihrem Vater nach. Anstatt die Beziehung zu ihm als gescheitert zu akzeptieren und das zu verschmerzen, fährt sie regelmässig heim und spielt die brave Tochter. Andere Männer sind für sie nur Wiedergänger ihres Vaters, mit denen sie verzweifelt versucht, wiedergutzumachen, was in diesem Leben wohl nicht mehr gut werden kann. Bei diesem Beuteschema ist es kein Wunder, dass sie Männer zunehmend als Feinde empfindet.

Aufgeben: Das müsste sie tun. Loslassen: längst überfällig. Ich denke, wir brauchen «Gib endlich auf!»-Sticker, gern in Herzform. Ein Mülleimer hat nichts anderes verdient.