Kolumne «Fast verliebt»Wird man als Dauersingle mit der Zeit bindungsgestört?
Viele Vorurteile gegen Langzeit-Singles sind Blödsinn: Warum es sich lohnt, einmal länger allein zu sein — auch für spätere Beziehungen.
Als Single kostet es viel Mut, seinen Freundinnen zu gestehen, dass man sich wieder eine Beziehung vorstellen könnte. Man wird dann schnell zum Sozialprojekt.
Ich weiss noch, wie mich ein befreundetes Pärchen mal in so einer Phase verkuppeln wollte. Und zwar mit einem Typen, der wohl der grösste Schreck auf der Resterampe war, keine Ahnung, auf welchem Halloween-Schlussverkauf sie den aufgegabelt hatten. Er war in geradezu mumienhaftem Ausmass zu alt für mich und brachte obendrein Mundgeruch mit. Seine Manieren und Einstellungen zu Frauen schienen ebenfalls aus vorherigen Jahrhunderten zu stammen. Der Rest seiner Persönlichkeit bestand aus gähnender, abgrundtiefer Langeweile. Nach diesem Verkupplungsversuch aus der Hölle fragte ich mich verstört, wie meine Freunde mich eigentlich wahrnehmen. Und für wie verzweifelt sie mich halten.
Der selbstgerechte Blick auf Singles
Heute erwische ich mich manchmal selbst bei einem fragwürdigen Blick auf die Dauersingles unter meinen Freundinnen. Warum ist diese kluge, schöne, lustige und liebenswürdige Frau, die sich einen Partner wünscht, noch immer nicht vergeben? Was stimmt nicht mir ihr? Auf einer Skala von –10 bis –100: Wie unglücksbringend ist ihr Beuteschema?
Es ist leicht, sich selbst zu gratulieren, wenn man gebunden ist, und bei den unfreiwilligen Singles im Freundeskreis zu glauben, sie hätten ihr Schicksal ebenfalls zu verantworten, würden sich halt irgendwie blöd anstellen. Dieser selbstgerechte Blick ist bei genauerem Hinsehen aber oft realitätsfern.
Ich zum Beispiel war nicht knacksfrei, nicht die beste Version meiner selbst, als ich meinen Mann kennen lernte. Auch im Kennenlernreigen legte ich keinen stilsicheren Tanz ohne Wackler aufs Parkett. Im Gegenteil: Mit meinen gelegentlichen Verwirrtheiten und Angstpirouetten hätte ich so manchen Dating-Coach das Fürchten lehren können. Ich bin ein fehlerhafter Mensch, der Fehler macht — und trotzdem glücklich verheiratet heute. Das Einzige, was meine unfreiwilligen Single-Freundinnen von mir unterscheidet, ist, dass es halt noch nicht gepasst hat.
Langzeit-Singles machen vieles besser
Bleibt zu sagen, dass Langzeit-Singles in Studien oft besser abschneiden als Menschen, die immer in Beziehungen waren und nahtlos vom einen zum Nächsten gehüpft sind. Langzeitsingles sind unabhängiger, können gut allein sein und sind oft besser im Haushalt als Menschen, die immer in Paarkonstellationen gelebt haben. Zudem haben sie sich oft einen eigenen Freundeskreis aufgebaut und treten selbstbewusster auf. All das sind gute Voraussetzungen, um sich in einer Beziehung zu behaupten und dem Partner nicht zur Last zu fallen.
Eine Weile allein zu leben, sich selbst kennenzulernen und die Füsse auf den Boden zu kriegen ist also eine gute Vorbereitung auf die Liebe, die vielleicht eines Tages kommt. Und bleibt.
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