Kolumne «Fast verliebt»Warum Mann tun sollte, was die Frau sagt
Und umgekehrt: Kritik vom Partner kommt ja meist aus bestinformierter Nähe. Es mag verrückt klingen, aber vielleicht lohnt es sich, zur Abwechslung hinzuhören?
Folge deiner Intuition! Das heisst es ja gern. Da kann ich nur lachen. Folgte ich meiner Intuition, würde ich bis zum Mittag schlafen, zehn Pfannkuchen mit Ahornsirup essen und mein verschmiertes Gesicht wie ein Faultier an die Luft hängen, um mich auf meine Verdauung zu konzentrieren. Ansonsten würde ich wenig tun. Meine Intuition also: Sie weist mir den sicheren Weg in die zeitnahe Obdachlosigkeit. Weshalb ich eher den kontraintuitiven Ansatz verfolge, mit Arbeit, Sport und gelegentlichem Grünzeug.
Wer seine Grenzen verteidigt, behält sie
Es gilt also, sich mit aller Macht gegen die eigene Intuition zu stemmen! Und das praktisch immer. Besonders schwer ist das, wenn die Intuition richtig laut wird. Meine zum Beispiel brüllt mich innerlich geradezu an, wenn mich Menschen aus allernächster Nähe — Mann, Freundin, Mutter, solche Leute — kritisieren. Gehts noch?, empört sich dann meine Intuition. Und ich kann ihr nur beipflichten: Wie um alles in der Welt könnte jemand, der dauernd Zeit mit mir verbringt und mich verdammt gut kennt, mit seinen Einschätzungen zu meiner Person richtig liegen!?
Es scheint sich um ein verbreitetes Paradoxon des Menschseins zu handeln: Während wir wenigstens halb offene Ohren für das Feedback entfernter Vorgesetzter haben, sträuben wir uns gern kategorisch gegen Kritik aus allernächster und bestinformierter Nähe. Aber wer seine Grenzen verteidigt, behält sie: Es ist das Gegenteil von innerem Wachstum.
In ihrem Buch «Big Magic» erzählt die Autorin Elizabeth Gilbert eine absurde Geschichte aus ihrer Kindheit: Sie sei ein zutiefst verängstigtes Kind gewesen, das sich nicht nur vor anerkannten Kindergefahren fürchtete (die Dunkelheit, Fremde), sondern auch vor so ziemlich allem anderen (nette Babysitter, Telefone, jede neue Situation …). Dazu hatte sie eine zarte Konstitution, war ständig krank und mit den Nerven am Ende. Ihre Mutter aber habe davon nichts hören wollen: Sie glaubte an die Stärke ihrer Tochter, ermutigte sie und traute ihr viel zu. Woraufhin sie, die Tochter, in erbitterten Widerstand ging. Erst in der Pubertät sei ihr aufgefallen, was für einen seltsamen Kampf sie da ausfocht: Warum wollte sie ihre Schwäche verteidigen gegen den einen Menschen, der mehr in ihr sah?
Nun will ich nicht sagen, dass Mütter immer einen Punkt haben, wenn sie uns kritisieren. Mit Müttern kann man auch Pech haben. Den eigenen Partner hingegen: Den sucht man sich selbst aus. In diesem Sinne möchte ich heute ein verrücktes Spiel mit Ihnen spielen: zuhören, wenn der Partner Kritik äussert. Ich weiss, der hat das schon tausendmal gesagt und Sie schalten da längst auf Durchzug. Aber wir tun jetzt einfach mal so, als hörten wir uns das zum ersten Mal an, als wäre die Kritik völlig neu. Was, wenn der andere … gar nicht mal so unrecht hat?
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