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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Erlösung, bitte!

Beisst Samichläusen den Kopf ab: Unsere Kolumnistin Claudia Schumacher.
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Hungrig wie ein Tier biss ich dem Schoggi-Samichlaus seinen Kopf ab. Das musste sein. Fast sein ganzer 125-g-Leib folgte. Mein Handy vibrierte. Eine Freundin schrieb, sie wisse nicht mehr, wo ihr der Kopf stehe. Den letzten Sonntag habe sie komplett im Bett verbracht, so erschöpft sei sie von der Vorweihnachtszeit. Ich gestand ihr, vor Stress soeben einen Samichlaus gerissen zu haben. «Ha ha ha!», schrieb sie zurück: «Gut, dann bin ich nicht allein.»

Alle Jahre wieder kommt der Endjahresstress. Um weite Teile der Bevölkerung in seinen Schwitzkasten zu nehmen. Warum hat er damit eigentlich so viel Erfolg?

«Ich weiss es auch nicht!», rief meine Physiotherapeutin kopfschüttelnd, als ich mit knacksendem Kiefer – Stress! – bei ihr auf der Liege landete. Sie habe immer gedacht, Weihnachten werde entspannt, wenn die Kinder grösser seien. Jetzt sind sie grösser, aber der Stress ist der alte. Und das, obwohl sie längst verschiedene Entlastungsmassnahmen ergriffen habe (in der Grossfamilie nur die Kinder beschenken, nicht die Erwachsenen; mehr Treffen auf November und Januar legen statt auf Dezember…). «Egal, was ich tue», schloss sie verwundert, «dieser Endjahresstress ist nicht kleinzukriegen!»

Strenger als der Samichlaus

Vielleicht liegt es daran, dass unser gereizter Zustand oft nicht nur mit den vielen Besorgungen, Warteschlangen bei der Post und der Weihnachtsbäckerei zu tun hat. Ich jedenfalls stelle Ende Jahr bei mir einen inneren Druck fest. Weil ich Bilanz ziehe und dabei manchmal strenger mit mir selbst bin als der Samichlaus. Bei vielen Müttern, deren Kinder erwachsen sind, kommt oft ein Harmoniewunsch hinzu. An Weihnachten findet er seinen schmerzlichen Höhepunkt: Alle müssen heimkommen, und dann muss alles wunderschön werden. Eine kindliche Sehnsucht, die wir alle irgendwo im Herzen tragen: dass endlich alles gut wird.

Für das Christkind sind manche Wünsche leichter zu erfüllen als andere. Ein Spielzeugbagger? Schaffbar. Die Wünsche von uns Erwachsenen – dass sich in der Grossfamilie alle lieb haben und friedfertig zeigen an Weihnachten, dass kein arges Wort fällt, kein politischer Dissens aufkommt, keine Augen gerollt werden –, die überfordern nicht nur uns, sondern vielleicht sogar das Christkind.

Wir befreien uns selbst, wenn wir diese Zeit nicht mit riesigen Erwartungen überladen. Und wenn wir unser eigenes Wohlergehen über unsere To-do-Liste stellen. Seien wir ehrlich: Wer diese eine Kommode schon das ganze Jahr über nicht ausgemistet hat, der muss das auch jetzt nicht mehr tun. Das Arbeitsprojekt, das wir schon im Sommer anschieben wollten, kann sicher auch noch bis Februar warten. Mit Blick auf das Fest selbst lohnt sich etwas Stoizismus: Nie wird alles perfekt. Es entspannt, mit dem Unperfekten zu rechnen. Dann können wir im Moment landen. Und Weihnachten kann kommen.