Klotens Talent ausgemustertEr wollte schnell Essen holen, dann hiess es: «Um vier geht dein Flug, eine gute Saison»
Einst waren sie seine Helden auf der Playstation. Nun stand David Reinbacher mit den Stars der Montreal Canadiens auf dem Eis. Heute gibt er in Biel sein Comeback.
«Lass dir ruhig Zeit, Reini!», hallt es aus der Garderobe. Getreu dem Motto: Der Reporter, der extra wegen David Reinbacher nach Kloten gereist ist, soll jetzt erst einmal warten. Noch liegt der 18-Jährige auf dem Massagetisch. «Sorry», entschuldigt sich Reinbacher zehn Minuten später, hätte aber darauf verzichten können. Der Verteidiger erscheint pünktlich.
Seit Montag ist das Supertalent zurück. Die Montreal Canadiens, die den Teenager im NHL-Draft an fünfter Stelle gezogen haben, leihen ihn für die aktuelle Spielzeit an Kloten aus. Davon erfahren hat der Österreicher mit Schweizer Lizenz nach dem 1:3 im Test gegen Toronto am vergangenen Samstag. «Reini» genoss noch einen Saunagang und wollte sich etwas zu essen holen, als es hiess, ob er noch «zwei Sekunden» Zeit habe. «Dann wurde mir das Flugticket überreicht. Es hiess: ‹Am Sonntag um vier geht dein Flieger. Eine gute Saison. Wir bleiben in Kontakt.›»
Von einem Schock will Reinbacher nicht reden, dennoch habe er eine gewisse Leere gespürt. «Ich fühlte mich immer besser und kam in einen Flow. Doch es ist beinhart. 68 Spieler kämpfen um die wenigen Plätze.» Reinbacher spricht von einem guten Austrittsgespräch, erwähnt den Plan, den die Canadiens mit ihm hätten. Er könne freilich keine Einzelheiten verraten, es gehe aber darum, die besten Voraussetzungen zu finden, um zu einem noch besseren Verteidiger zu reifen.
Wieder zurück in der Komfortzone
«Klar, man will so schnell wie möglich in der NHL spielen. Montreal ist einzigartig», so der Erstrundendraft. «Doch ich strebe eine sehr lange Karriere in Übersee an. Nun finde ich mich in Kloten in einer Komfortzone wieder. Es heisst immer, man solle diese verlassen. Doch manchmal braucht man genau das, um sich weiterentwickeln zu können. Ich freue mich.»
Um 7 Uhr früh landete Reinbacher am Montag in Kloten. Zu Hause war er bloss, um die Koffer abzuladen. Danach ging es direkt in die Eishalle. Kurz nach 10 Uhr stand er auf dem Eis. Einen Tag später und nach elf Stunden Schlaf nahm der Verteidiger auch seinen Teilzeitjob als Recruiter, eine Art Headhunter, wieder auf. Die Testspiele gegen Toronto und die Devils, in denen er jeweils rund 16 Minuten Eiszeit hatte und einen Assist verbuchte, vergisst er aber nicht.
«Unglaublich, ich konnte bis heute nicht verarbeiten, dass ich diesen Dress tragen durfte», schwärmt Reinbacher. «Ich habe viele Bilder. Doch wenn ich sie mir anschaue, denke ich: ‹Das bin nicht ich.› Nicht viele können von sich behaupten, je für Montreal gespielt zu haben. Auch wenn es bloss Vorbereitungsspiele waren. Das Stadion war mit 20’000 Fans fast voll.»
«Ich bin kein Wunderknabe. Ich bin ein junger Österreicher mit dem Traum, eines Tages NHL zu spielen. Und dafür gebe ich jeden Tag mein Bestes.»
Im Team habe er sich zunächst still, ja fast schüchtern verhalten, wollte sich erst mit guten Leistungen den Respekt erarbeiten. Zudem gebe es Hierarchien und Gruppen. Da seien die Kanadier, die US-Amerikaner und die Französisch sprechenden Kanadier. Etwas egoistisch gehe es zu. Doch man unternehme auch viel, gehe gemeinsam essen, ja sogar Football schauen. Vor dem NFL-Duell zwischen den Buffalo Bills und den Las Vegas Raiders musste sich Reinbacher die Regeln erklären lassen.
«Je besser du spielst und trainierst, desto mehr wird mit dir gesprochen», erzählt Reinbacher. Er habe begonnen, Freundschaften aufzubauen. Am meisten Kontakt pflegte er mit dem Slowaken Filip Mesar und Verteidigerkollege Kaiden Guhle. Zudem wollte ihn Cole Caufield just am Tag vor der Abreise zu sich nach Hause einladen. Daraus wurde nichts mehr. «Ich hatte ständig ein Grinsen im Gesicht», erzählt der Österreicher. «Ich spielte mit all den Superstars auf der Playstation. Nun standen sie vor mir. Es war einzigartig.»
«Reinbacker hört sich witzig an»
Gelöst scheint das Problem mit Reinbachers Nachnamen zu sein. Nachdem ihn beim Draft Canadiens-Legende Carey Price kaum hatte aussprechen können, wurde der Verteidiger gefragt, wie er sich denn selbst vorstellen würde. «Ich weiss nicht, wie es klingen würde, würden sie versuchen, meinen Namen auf Deutsch auszusprechen. Deshalb haben wir uns mit dem Stadionspeaker auf ‹Reinbacker› geeinigt. Das hört sich witzig an.»
Vorerst dürfte niemand Probleme mit Reinbachers Namen bekunden. Dessen kurzfristige Zukunft liegt in der Schweiz. Heute in Biel gibt das Jungtalent, das letzte Saison die NHL-Scouts in Massen angezogen hatte, sein Saisondebüt. Von gestiegenen Erwartungen will der Vorarlberger nichts wissen. Er sagt: «Ich muss niemandem etwas zeigen. Jeder hat gesehen, wozu ich fähig bin. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass ich erst 18 bin. Ich bin kein Wunderknabe. Ich bin ein junger Österreicher mit dem Traum, eines Tages NHL zu spielen. Und dafür gebe ich jeden Tag mein Bestes.»
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