Wahl in JapanKarrieresprung mit 71 Jahren
Yoshihide Suga wird neuer Premier Japans.
Die Show bei der Präsidentschaftswahl der japanischen Regierungspartei LDP begann mit der Präsentation der Urne. Sie wurde geöffnet und geneigt, damit jeder sehen konnte, dass es sich um eine reguläre, unverdächtige Wahlurne handelte. Dann wurden in alphabetischer Reihenfolge die 393 Parlamentarier der LDP zur Stimmabgabe gerufen. Dann die Vertreter der 47 Regionalverbände, die im verkürzten Wahlverfahren jeweils drei Stimmen hatten. Schliesslich erschien eine Mannschaft aus Wahlhelfern, die auf der Bühne die Stimmen vor aller Augen auszählte.
Nach einer halben Stunde waren sie fertig. Ergebnis: 377 Stimmen für Yoshihide Suga, den bisherigen Kabinettschefsekretär, 89 für Ex-Aussenminister Fumio Kishida, 68 für Ex-Verteidigungsminister Shigeru Ishiba. Suga stand damit als Nachfolger von Shinzo Abe fest, der Ende August wegen einer chronischen Darmentzündung zurückgetreten war. An diesem Mittwoch wird Suga im Unterhaus mit der LDP-Mehrheit zum Premierminister gekürt.
«Wir müssen die Anstrengungen fortsetzen, die Premierminister Abe begonnen hat.»
Karrieresprung mit 71. Suga lächelte nicht, als er sich vor dem applaudierenden Plenum verbeugte. Er sagte: «Wir müssen die Anstrengungen fortsetzen, die Premierminister Abe unternommen hat, um sicherzustellen, dass jeder unserer Bürger ein sicheres und stabiles Leben führen kann.»
Eine Überraschung ist der Ausgang der Abstimmung nicht. Sugas Sieg war ein Beweis dafür, wie schnell einer aufsteigen kann, wenn er die Gunst der alten Granden in der LDP auf seiner Seite hat. Diverse Parteipolitiker bekundeten in den vergangenen Wochen ihr Interesse am Posten des Regierungschefs. Der schmallippige Parteisoldat Suga hingegen nie. Der kam erst ins Spiel, als Abe, 65, nicht mehr weitermachen konnte. Abe selbst hielt Suga für einen passenden Nachfolger.
Nächste Partei-Präsidentschaftswahl in einem Jahr
Sofort stellte sich der mächtige Generalsekretär Toshihiro Nikai, 81, auf Sugas Seite. Auch Taro Aso, 79, Finanzminister, Vize-Premier, ein weiterer mächtiger LDP-Faktionsführer, bekannte sich zum fraktionslosen Suga. So schlossen sich die Reihen der rechtsnationalen Eminenzen in der Regierungspartei, damit ein Gleichgesinnter Abes Politik weiterführen konnte. Der Auftrag dürfte Suga nicht schwerfallen.
Die Frage ist, wie lange er ihn ausführen wird. Nur bis zur nächsten LDP-Präsidentschaftswahl im September 2021? Oder beginnt eine neue Ära, wie sich Toshihiro Nikai das vorstellen könnte? Suga selbst sieht sich nicht als Übergangslösung. «Die nächste Administration sollte keine Interims-Regierung sein», hat er schon vor seiner Wahl gesagt, der nächste Premier solle «Pflichten erfüllen und Verantwortung für die Menschen übernehmen». Als Premierminister hat er das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, um seiner Regierung mehr Rückhalt zu verschaffen. Erst blieb er vage bei dem Thema, dann wiegelte er ab: «Wir sind nicht in der Situation, um vorgezogene Wahlen auszurufen.» Ordentliche Pandemie-Bekämpfung und Wiederbelebung der Wirtschaft seien gerade das Wichtigste für das Land.
Trotzdem: Die Möglichkeit gibt es. Erst am Sonntag sagte Taro Aso, dass es Kritik geben könnte, wenn die neue Regierung keine breite Bestätigung habe. «Wenn das so ist», sagte Aso, «habe ich das Gefühl, dass der neue Premierminister das Unterhaus auflösen wird.» Er selbst hätte sicher nichts dagegen, wenn der solide Suga für längere Zeit die Pfründe der alten LDP-Herren verteidigt.
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